Ein spezieller Start und ein besonderer Abschluss
16.09.2023 HerznachGemeindeschreiber Harry Wilhelm nimmt eine neue berufliche Herausforderung an
Harry Wilhelm blickt auf spannende Jahre als Gemeindeschreiber von Herznach und Ueken zurück. Als Höhepunkte nennt er die gelungene Fusion und die grosse Solidarität mit den Flüchtlingen ...
Gemeindeschreiber Harry Wilhelm nimmt eine neue berufliche Herausforderung an
Harry Wilhelm blickt auf spannende Jahre als Gemeindeschreiber von Herznach und Ueken zurück. Als Höhepunkte nennt er die gelungene Fusion und die grosse Solidarität mit den Flüchtlingen aus der Ukraine.
Karin Pfister
Insgesamt 18 Jahre amtete Harry Wilhelm als Gemeindeschreiber im Staffeleggtal. Am 1. Dezember 2005 trat er seine Stelle als Schreiber in Herznach an, seit 2020 war er zusätzlich auch in Ueken tätig. Der Beginn seiner Gemeindeschreiber-Karriere war aussergewöhnlich, der Abschluss besonders. Harry Wilhelm begleitete die Fusion von Herznach und Ueken – «zwei Dörfer, die sich nie wirklich fremd waren und schon länger auf verschiedenen Ebenen eng zusammengearbeitet haben» – und wird der neuen Gemeinde Herznach-Ueken noch mindestens bis Ende Oktober erhalten bleiben. Am 1. November tritt er seine neue Stelle Mandatsleiter Willensvollstreckung bei der Kanzlei Studer an. Harry Wilhelm hat 2020 eine dreijährige, höhere Fachschule im juristischen Bereich mit Erfolg abgeschlossen. Gleichzeitig wird er noch mehrere Monate lang zumindest stundenweise auf der Gemeindekanzlei anzutreffen sein, um seinen Nachfolger einzuarbeiten.
Aus Harald wird Harry
Geboren wurde Harry Wilhelm vor 54 Jahren als Harald. «Nur meine Grossmutter hat mich so genannt. Für alle andern war ich schon immer Harry und vor rund zehn Jahren habe ich den Namen im Pass von Harald auf Harry geändert.» Wilhelm ist ein Safenwiler Geschlecht. Als Bub wohnte Harry Wilhelm für einige Jahre in Möhlin, danach unter anderem in Safenwil und in Rothrist, wo er eine KV-Lehre absolvierte. Seine weiteren beruflichen Stationen führten über das Baselbiet und Basel, wo er unter anderem als Wirtschaftsprüfer und in einer Informatikfirma tätig war. Die Stelle in Herznach war seine zweite als Gemeindeschreiber, berufsbegleitend absolvierte er damals die dafür nötigen Ausbildungen. Vorher war er einige Jahre als Gemeindeverwalter in Reigoldswil tätig.
Als er 2005 seine Stelle antrat, befand sich Herznach im Ausnahmezustand. Der vormalige langjährige Gemeindeschreiber hatte Steuergelder unterschlagen und einen Schaden in Millionenhöhe angerichtet. Involviert in die Aufarbeitung der Affäre waren der Kanton und mehrere Regierungsräte. Harry Wilhelm kannte das Dorf vorher nicht. «Eine meiner ersten Amtshandlungen als Gemeindeschreiber in Herznach bestand darin, zwischen Weihnachten und Neujahr die Akten zu den Verfehlungen meines Vor-Vorgängers zu studieren.»
«Ein gutes Einvernehmen»
Harry Wilhelm blickt auf 18 gute Jahre zurück. Als sehr positiv hat er die Zusammenarbeit mit den meisten Gemeinderäten erlebt. «Als Gemeindeschreiber muss man die Räte nehmen, die einem vor die Nase gewählt werden; mit der Mehrheit war eine konstruktive Zusammenarbeit möglich», bilanziert er. Lobende Worte findet er auch für die Verwaltung und die Unterhaltsbetriebe, die ihm unterstellt waren. «Ohne die grosse Unterstützung der verschiedenen Teams und Menschen hätte ich meinen Job nicht so gut machen können. Natürlich gab es hin und wieder Konf likte, aber meistens ein gutes Einvernehmen.»
Als Höhepunkte während seiner langjährigen Tätigkeit bezeichnet er nebst der gelungenen Fusion, welche von Anfang an von einem Grossteil der Bevölkerung beider Dörfer unterstützt und gewünscht wurde, die grosse Solidarität der Herznacher und Ueker Einwohnerinnnen und Einwohner mit den Flüchtlingen aus der Ukraine. Beide Dörfer haben mehr Flüchtlinge aufgenommen als vom Kanton gefordert. Die Initiative kam von Ehefrau Tanja Wilhelm, einer gebürtigen Ukrainerin. Sie hatte als junge Frau in Deutschland studiert und war danach auf der Botschaft in Kiew tätig. Tanja und Harry Wilhelm sind seit 2006 verheiratet und Eltern von Nicole und Michèle. «Das Dorf hat super reagiert», erinnert sich Harry Wilhelm an den Beginn des Ukraine-Krieges. «Die Solidarität war gross und die Zusammenarbeit mit Bund, Kanton und Gemeinde war unbürokratisch und unkompliziert.»
Nähe als Vorteil
Familie Wilhelm wohnt seit 2007 Jahren in Herznach. «Zu vielen Menschen habe ich eine persönliche Beziehung und ich bin im Dorf auch als Privatmensch präsent.» Natürlich sei es nötig, dass man sich als Gemeindeschreiber, der im selben Dorf wohnt und arbeitet, abgrenzen könne, aber Harry Wilhelm sieht die Nähe auch als Vorteil. «Ich hatte das Gefühl, dass im Einzelfall optimale Lösungen gefunden wurden; einfach, weil man die Situation besser einschätzen konnte.»
Als Erleichterung hat Harry Wilhelm im Nachhinein die Installierung der KESB wahrgenommen. Bis 2012 war die Vormundschaftsbehörde der Gemeinde unter anderem für Fremdplatzierungen von Kindern und Unterstützung bei schwierigen Familiensituationen verantwortlich. «Diese Fälle waren, vor allem wenn Kinder involviert waren, auch immer sehr emotional.»
Harry Wilhelm hat die Freiheit, die ihm seine Aufgabe bot, geschätzt. «Es ist eine vielseitige Arbeit und ich konnte vieles mitgestalten.»
Im November findet die erste Gemeindeversammlung statt, an der er «auf der anderen Seite» sitzt. «Ich freue mich darauf, die Versammlung als Privatperson besuchen zu können und habe mir fest vorgenommen, mich mit Wortmeldungen zurückzuhalten.»