Die Zeit des Kanarienvogels ist vorbei
01.12.2023 ZeiningenDoch die «Alfauna AG» wird es auch weiterhin geben
Vor fünfzig Jahren gründete er seinen Grosshandel für Heimtierbedarf. Jetzt will Werner Meier kürzertreten. Die NFZ hat den erfolgreichen Unternehmer mit Sitz in Zeiningen besucht. Eine Geschichte über ...
Doch die «Alfauna AG» wird es auch weiterhin geben
Vor fünfzig Jahren gründete er seinen Grosshandel für Heimtierbedarf. Jetzt will Werner Meier kürzertreten. Die NFZ hat den erfolgreichen Unternehmer mit Sitz in Zeiningen besucht. Eine Geschichte über Katzenstreu, Zeitgeist und Diplomatie, die ihm abgeht.
Ronny Wittenwiler
Ein Unternehmen aufzubauen und fünfzig Jahre zu führen mit Höhen und Tiefen, macht nicht jeder; und vor allem: schafft nicht jeder. «Am 9. Mai 1973 erfolgte der Eintrag im Handelsregister», sagt Werner Meier, Inhaber und Geschäftsführer der Alfauna AG, diesem Grosshandel für Heimtierbedarf. Nach dem Gespräch führt der Mann die NFZ durchs riesige Lager an der Römerstrasse in Zeiningen, vorbei an Katzenstreu und Hundebettchen, Kratzbäumen und Rollleinen, Maulkörben und Fischfutter. Es ist, wenn man so will, das Imperium Schoggi-Meier. Das halbe Fricktal kennt ihn unter diesem Namen. Natürlich, sagt der heute 85-Jährige, verstehe er dieses Etikett noch immer als Kompliment. Es zeugt quasi von seiner Vorvergangenheit. Bevor Werner Meier 1973 seine Alfauna gründete, war der gebürtige Zürcher Unterländer zuerst Postangesteller in Rheinfelden (1960-1963) und dann von 1963 bis 1973 Gebietsvertreter bei Lindt und Sprüngli. Erst danach wechselt Meier die Schokolade gegen den Futternapf. «Angefangen hat alles mit dem Futtermittelbereich für Vögel und Nager, zwei Jahre später kam die Aquaristik hinzu.»
«Meier, wir helfen dir»
Anfangs mit seiner Firma in einer Scheune in Wegenstetten eingemietet, wo ihm die Spatzen und Mäuse das Futter wegknabberten, zog es diesen eidgenössisch diplomierten Handelsreisenden alter Schule weiter: zuerst nach Rheinfelden, später in den Möhliner Bata-Park und schliesslich, vor genau zwanzig Jahren, nach Zeiningen, wo jetzt Werner Meier am Küchentisch sitzt und selber erschrickt: «Manchmal frage ich mich: Sind es tatsächlich schon fünfzig Jahre?» Er spricht von guten Zeiten, von bösen Zeiten, und davon, «dass wir es jetzt wieder nicht leicht haben.» Wegen stärkerer Konkurrenz gingen die Umsätze zurück, und doch: «wir kommen durch.» Dann sagt der Mann Sätze wie diese: «Der Herrgott hat mein Gebet erhört und gesagt: Meier, wir helfen dir, wir schicken dir einen neuen Kunden.»
Obschon, beten allein dürfte nicht gereicht haben in all den Jahren. Vielleicht war es auch die Qualität des richtigen Riechers, den Werner Meier hatte. Stolz schwingt mit, wenn er sagt: «Ich bin der letzte Grossist, der vor fünfzig Jahren in diesem Bereich angefangen hat und immer noch existiert.» Wie es scheint, wusste er, was es damals brauchte; doch bekommt er heute genauso gut zu spüren, was nicht mehr gefragt ist. «Die Zeiten sind vorbei, in denen sich die Witfrau mit einem Kanarienvögeli im Käfig getröstet hat, das durch die Gegend pfiff. Heute geht auch die Grossmutter auf Kreuzfahrt.» Oder dann das Schulaquarium: Mehrere Lastenzüge voll davon habe er verkauft. «Dreissig Jahre ist das her. Da haben sich das Meitli und der Bub noch solche Aquarien zu Weihnachten gewünscht, das kleinere für 69 Franken, das grössere für 99 Franken. So haben die Kinder die Unterwasserwelt kennengelernt. Heutzutage sind die ja nur noch am töggelen.» Mit «töggelen» meint er, natürlich: Computerspiele.
Ohne Kritik am Zeitgeist geht es nicht. Auch das ist Werner Meier. «Ich hatte Corona, als der Kurs in Diplomatie stattgefunden hat», sagt er. Wobei: lange bevor Corona in die Gesellschaft gekommen ist, war dieser Werner Meier, Zeiningen, bereits berühmt, gar berüchtigt, wenn es darum ging, seine Meinung ohne Rücksicht auf Verluste kundzutun. Bisweilen kokettiert er damit, und dann fallen die nächsten Sätze wie: «In der Familie habe ich mit allen Reiberein und politische Differenzen. Sie bestreiten es zwar, links zu sein – sie finden, ich sei zu stark rechts.»
Doch egal ob links, ob rechts oder was auch immer: die Zeit des Kanarienvogels scheint nun mal vorbei und Werner Meier hat auch ein bisschen genug. «Ab 1. Januar 2024 habe ich vor, nichts mehr zu machen.» Das Geschäft solle in die Hände der Tochter übergehen. Selbst hier spricht er, um bei der Kritik am Zeitgeist zu bleiben, von einem Generationenkonflikt. «Sie hat andere Ideen als ich.» Und doch sagt Werner Meier, und er tut das mit einem Lächeln: Es sei wirklich schön, dass die eigene Tochter das Unternehmen weiterführe, statt dass diese Geschichte nun einfach zu Ende gehe.
Eines, das muss man Werner Meier lassen: Ein Unternehmen aufzubauen und fünfzig Jahre zu führen mit Höhen und Tiefen, macht nicht jeder; und vor allem: schafft nicht jeder. Heute noch, mit 85, steigt der Grosshändler für Heimtierbedarf auf sein Ross. «Und wenn ich dann davonreite, dann vergesse ich, dass ich ein Geschäft habe.» Mit Tieren, sagt er, habe er es immer schon besser gekonnt als mit den Menschen.