Scherben und Pfostenbauten erzählen vom Leben im Frühmittelalter
16.02.2023 Bücher, ZeihenZahlreiche Interessierte an der Buchvernissage in Zeihen
Viele hundert Jahre lagen die Reste frühmittelalterlicher Siedlungen vergessen unter dem Boden; bevor sie vor rund zehn Jahren bei Bauarbeiten entdeckt wurden. Nun wurden die Auswertungen und Erkenntnisse aus den beiden Fundstellen ...
Zahlreiche Interessierte an der Buchvernissage in Zeihen
Viele hundert Jahre lagen die Reste frühmittelalterlicher Siedlungen vergessen unter dem Boden; bevor sie vor rund zehn Jahren bei Bauarbeiten entdeckt wurden. Nun wurden die Auswertungen und Erkenntnisse aus den beiden Fundstellen in Thalheim und in Zeihen in einem Buch veröffentlicht.
Karin Pfister
Vielleicht handelt es sich bei den gefundenen Spuren von Pfostenbauten unter dem Burrihübel um Häuser seiner Vorfahren, mutmasste Gemeinderat Fabian Hossli, dessen Familie seit vielen Generationen in Zeihen ansässig ist, bei der Begrüssung. Zahlreiche Interessierte hatten sich am Dienstagabend in der Unterkirche zur Buchvernissage getroffen. «zeEigane und Taleheim, Frühmitteralterliche Siedlungsforschung im Frick- und Schenkenbergertal» heisst das Werk der Autorin Cecilie Gut.
Im über 200 Seiten starken Buch wird über die Auswertungen aus den Fundstellen in Thalheim und Zeihen – im 14. Jahrhundert erstmals als zeEigane erwähnt – berichtet. Über allem steht die Frage: «Wie haben die Menschen im Frühmittelalter gelebt?».
Fundstellen in Thalheim und Zeihen
Die Fundstelle «Bärenmatte» in Thalheim war eine sogenannte Notgrabung während laufender Bauarbeiten im Winter 2012/2013. Sie war rund 100 Quadratmeter gross; die Archäologen hatten drei Wochen Zeit, um die Funde – darunter ein halbes Dutzend spätbronzezeitlicher Scherben – zu sichern.
Sehr viel grösser war die Fundstelle in Zeihen. Auf einer Fläche von 2700 Quadratmetern im Bereich Burrihübel wurde das Zentrum einer frühmittelalterlichen Siedlung, bestehend aus Pfostenbauten, gefunden. «Die Analyse des Fundmaterials in Kombination mit Radiokarbondaten zeigte zwei zeitliche Schwerpunkte: Die Bauten des 5. bis 8. Jahrhunderts lagen im Westen der Grabungsfläche und die Bauten des 9. bis 12. Jahrhunderts im Osten», so Cecilie Gut. Es könne gut sein, dass unter dem Dorfkern von Zeihen noch weitere Spuren der Siedlung zu finden wären, allerdings sei es unrealistisch, dass dort gegraben werde, da alles überbaut sei. «Im Zuge der Befundauswertung konnten die Grundrisse von acht grossen und einem kleineren Pfostenbau ermittelt werden», schreibt die Autorin. Für die Interpretation der Pfostenbauten als Wohn- und Vielzweckbauten würden die gefundenen Feuerstellen eine zentrale Rolle spielen, heisst es weiter.
Ein wichtiger Forschungsbeitrag
Weitere Themenschwerpunkte im Buch sind die Keramik und Schlacken, welche Hinweise auf Verhüttung beziehungsweise die Weiterverarbeitung von Eisen geliefert haben. Offenbar sei schon im frühen Mittelalter in der Region Fricktal Eisen verarbeitet worden. «Die Geschirrkeramik präsentiert sich als aussagekräftige Quelle, mit der man sich an die Vernetzung und den Austausch der Siedlungsgemeinschaften herantasten kann», schreibt Cecilie Gut. Trotz umfassender Forschung und Recherchen gäbe es noch viele offene Fragen zum Beispiel betreffend Speisezettel der damaligen Bevölkerung, so Cecilie Gut zum Abschluss ihres Vortrages.
«Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag zur Forschung über eine Zeit, von der wir im Kanton Aargau noch wenig wissen», sagte Thomas Doppler, Kantonsarchäologe in seiner Rede. Es seien in der Vergangenheit viele Gräber untersucht worden, aber wenig Siedlungen.
Ein grosses Dankeschön ging an die freiwilligen Bodenforscher der Fricktalisch-Badischen Vereinigung für Heimatkunde, welche die Kantonsarchäologie mit vielen ehrenamtlichen Einsätzen unterstützen. Schon seit den 90er-Jahren kontrollieren die ehrenamtlichen Bodenforscher die Baustellen im Fricktal, was regelmässig zur Entdeckung von prähistorischen, römischen und mittelalterlichen Fundstellen geführt habe, so die Autorin Cecilie Gut.
Wissenschaftliche Publikationen zum Thema Siedlungsforschung im Frühmittelalter gäbe es für die Region wenig, sagte Gut. 2005 sei ein Artikel über eine Fundstelle in Gipf-Oberfrick erschienen. Rund zehn Jahre hat die Autorin am nun erschienenen Buch, welches sich vor allem an ein Fachpublikum, aber auch an interessierte Laien richtet, gearbeitet.