«Von ihr kann man immer dazulernen»
28.02.2023 EikenChristine Stückelberger gab in Eiken Dressurkurse
Sie ist die Grande Dame des Schweizer Dressursports, wurde Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin: Am Wochenende gab Christine Stückelberger (75) im Haufgarten in Eiken Dressurkurse. Ein Besuch.
Simone Rufli
Eine Freundin ...
Christine Stückelberger gab in Eiken Dressurkurse
Sie ist die Grande Dame des Schweizer Dressursports, wurde Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin: Am Wochenende gab Christine Stückelberger (75) im Haufgarten in Eiken Dressurkurse. Ein Besuch.
Simone Rufli
Eine Freundin habe sie auf diesen Kurs aufmerksam gemacht, erzählt eine Frau mit Lörracher-Autokennzeichen. Es ist Samstagmorgen kurz vor 9 Uhr und sie hat ihr Auto gerade auf dem Parkplatz vor der Reithalle in Eiken abgestellt. «Frau Stückelberger ist ja auch in Deutschland sehr bekannt und diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen», meint sie in sichtlicher Vorfreude auf den bevorstehenden Dressurkurs. Ein paar Schritte weiter, auf der anderen Seite der Reithalle, dort wo an diesem kalten Morgen heisser Kaffee ausgeschenkt wird, stehen ein paar Frauen zusammen und reden. Sie sind sich einig: «Auch wenn man schon länger reitet, von ihr kann man immer dazulernen.»
Dann ist es so weit, das erste Paar schreitet durchs Tor in die Halle. Wie alt es sei und was sie mit dem Pferd machen wolle, fragt Christine Stückelberger, eingehüllt in einen wärmenden Wintermantel. Mehr braucht die Olympiasiegerin, Weltund Europameisterin in der Dressur nicht zu wissen; alles andere sieht sie: Das Klopfen mit dem Bein am Bauch des Pferdes, das Drücken mit dem Knie auf seine Herz- und Lungenpartie, das Klemmen mit den Beinen, um die Position zu halten, das unbewusste, weil längst automatisierte, Antreiben mit einem Kick mit den Sporen, das fehlerhafte Sitzen – Christine Stückelberger entgeht nicht die kleinste Bewegung. Und so wie sie Kritik übt, so lobt sie auch umgehend, wenn eine Reiterin ihren Rat umsetzt. «Hören Sie, wie Ihr Pferd freudig schnaubt, wie es wieder durchatmet? Es kann jetzt viel leichter atmen, da Sie den Druck weggenommen haben.» «Spüren Sie, wie sich seine Rückenmuskulatur entspannt, wenn Sie ihm die Möglichkeit geben, in den eigenen Bewegungsablauf zu kommen?» Nicht jeder Kursteilnehmerin fällt es an diesem Samstag gleich leicht, alte Angewohnheiten abzulegen. Bisweilen fühlt sich eine Reiterin in einer Sackgasse, sucht sie den Rat der Expertin, weil im Zusammenspiel mit dem Pferd partout nichts mehr funktioniert. Christine Stückelberger rät zu einer veränderten Haltung, zu einer aufrechteren Position, erinnert daran, dass das Gewicht der Reiterin im Steigbügel aufzufangen ist und nirgendwo sonst. «Der richtige Sitz, die Körperspannung, das ist in der Dressur das A und O», sagt sie immer wieder und weil diese Veränderung für die Reiterin so unendlich schwer vorzunehmen ist: «Geben Sie sich Zeit. Das Pferd lernt wahnsinnig schnell, wir Menschen brauchen etwas länger, unser Verhalten zu ändern.»
«Nachgeben ist der Schlüssel zum Erfolg», weiss sie. «Oft ist weniger mehr», betont sie und tritt ein für die auf Finesse und Gespür bauende Ausbildungsmethode der Spanischen Hofreitschule. «Eine Methode, die heute leider nicht mehr so verbreitet ist.» Bedauern schwingt mit.
«Seht Ihr, wie sich sein Gesicht aufhellt? Sehr Ihr seine Freude?» Christine Stückelberger ist in ihrem Element. Freut sich mit den Reiterinnen über Erfolge, blüht auf in der Zwiesprache mit den Pferden. Eine halbe Stunde Pause gönnt sich die bald 76-Jährige am Samstag über Mittag. Abends um halb sechs wird sie abgeholt. Am Sonntagmorgen um 9 Uhr setzt sie ihre Arbeit im Haufgarten fort. «Denkt daran, das Pferd muss gerne mitarbeiten. Lasst es, wenn es Euch zu verstehen gibt, dass es genug hat.» Eine Christine Stückelberger, so macht es den Anschein, hat nie genug, wenn es um die Arbeit mit Pferden geht.