Johannes Herzog «Le roi d’Argovie»

  14.01.2023 Böztal, Effingen

Der erste Aargauer Grossindustrielle kam aus Effingen

Am 17. Januar 1773 kam in Effingen Johannes Herzog als Sohn eines Müllerknechts zur Welt. An seiner Wiege ahnte niemand, dass er es zum führenden liberalen Politiker und reichsten Unternehmer im jungen Kanton Aargau bringen würde. Wegen seines Einflusses war vom «Herzogtum Aargau» und «Le roi d’Argovie» die Rede.

Hans-Peter Widmer

Wir empfinden die Gegenwart als beispiellos instabil. Aber was unsere Vorfahren vor 225 Jahren erlebten, ist auch aus heutiger Sicht eine der bewegtesten Epochen der Schweizergeschichte. Am Anfang, 1798, stand der Zusammenbruch der Alten Eidgenossenschaft und am Ende, 1848, die Gründung des Schweizerischen Bundesstaates. Dazwischen lagen Episoden wie die Helvetik, Mediation, Restauration und Regeneration. In diesem Zeitabschnitt wurde Johannes Herzog (1773-1840) einer der bedeutendsten Staatsmänner und der erste Grossindustrielle des Aargaus.

Mit 16 Jahren heiratete er, wurde Vater und begriff, dass die politisch erstarrte Eidgenossenschaft Reformen brauchte. Er begrüsste 1798 die Gründung der Helvetischen Republik, wurde in den helvetischen Grossen Rat gewählt und trat den Unitariern bei, die zum Liberalismus neigten und Neuerungen unterstützten – im Gegensatz zu den Föderalisten, die an der alten Ordnung hingen. Mit Philipp Albert Stapfer, Albrecht Rengger und Hans Conrad Escher von der Linth gehörte Herzog zu den profiliertesten Ratsmitgliedern. Er übernahm mehrere kommissarische Aufgaben; im Hauptquartier der französischen Rheinarmee rang er General Moreau Erleichterungen für die Eidgenossen ab. Darauf ernannte ihn die helvetische Regierung zum Regierungsstatthalter des Kantons Aargau, aber setzte ihn bald wieder ab, weil er nicht nach ihrer Pfeife tanzte.

Klare Voten, gesunder Menschenverstand
1802 gründete Herzog in Aarau eine mechanische Baumwollspinnerei, die in ihrer Blütezeit bis zu 700 Leute beschäftigte. Als der französische Erste Konsul Napoleon Bonaparte den von Intrigen, Putschversuchen und Staatsstreichen erschütterten helvetischen Einheitsstaat in einen Staatenbund mit 19 Kantonen umbaute, wurde Johannes Herzog sofort in den neuen 150-köpfigen aargauischen Grossen Rat gewählt. Er fiel durch klare Voten, gesunden Menschenverstand und diplomatisches Geschick auf. Neben dem Grossratsmandat war er Appellationsrichter am obersten kantonalen Gericht sowie Tagsatzungsabgeordneter. 1807 übernahm er die Nachfolge des im Amt verstorbenen, schillernden und dominanten Regierungsrates Johann Rudolf Dolder.

Die Regierung des jungen Kantons stand vor enormen Herausforderungen. Sie musste die Staatsverwaltung, das Polizeikorps und eine Miliz aufbauen, die Volksschule und Lehrerbildung verbessern, das Gesundheitswesens und die Armenpflege stärken, das Strassennetz ausbauen, den aargauischen Zusammenhalt fördern und die konfessionellen Spannungen abbauen. Als fortschrittlich-liberaler, junger Kanton erwarb sich der Aargau eidgenössischen Respekt. Dazu trug Herzog viel bei. Er hatte ein Auge auf die Kantonsfinanzen, die Stärkung der kantonalen Truppen, die Sicherung des Salzhandels mit Württemberg , das Gedeihen der jungen Kantonsschule und der Kantonsbibliothek sowie den Bau der neuen Regierungs- und Grossratsgebäude.

Widerstand aus der Bevölkerung
Aber noch war die Existenz des Kantons nicht gesichert. Bern versuchte sein altes aargauisches Territorium zurückzuholen. Herzog hielt mit Unterstützung der Diplomaten Stapfer, Rengger und Laharpe dagegen. Die Revision der Kantonsverfassung 1814 stärkte seine Position. Als Bürgermeister stand er jahrelang an der Regierungsspitze und im Zenith seines öffentlichen Wirkens. Es war vom «Herzogtum Aargau» und «Le roi d’Argovie» die Rede. Aber autokratische Tendenzen schürten Unmut in der Bevölkerung. Die Regierung unterschätzte den Widerstand. Der «Freiämter Sturm» am 6. Dezember 1830 führte zu Neuwahlen und einer Verfassungsrevision. Johannes Herzog wurde wieder in den Verfassungsrat berufen. Er hätte auch erneut in die Regierung eintreten können, verzichtete aber darauf und blieb Mitglied des Grossen Rates, den er 1833 und 1836 nochmals präsidierte – zum 13. Mal.

An der Grossratssitzung vom 19. Oktober 1840 ergriff Herzog letztmals das Wort. Der radikale Zeitgeist machte ihm zu schaffen. Acht Wochen später starb er und wurde am Weihnachtstag 1840 unter grosser Anteilnahme in Aarau beerdigt. Aus einfachsten Verhältnissen stammend, hatte es dieses liberale Urgestein zu mehr gebracht als jeder andere Aargauer zu jener Zeit. An der Bahre stand auch sein Enkel Hans Herzog, der Oberbefehlshaber der Schweizer Armee im Deutschfranzösischen Krieg 1870/71, dem die Herkulesaufgabe gelang, 70 000 Soldaten der französischen Bourbaki-Armee in der Schweiz zu internieren. Wahrhaftig: der Apfel fiel nicht weit von Herzogs Stamm.


250 Jahr-Jubiläum: Johannes Herzog von Effingen – Le roi d’Argovie»

Herzog ist ein Name, welcher in der neufusionierten Gemeinde Böztal recht verbreitet ist. Am 17. Januar 2023 wird in der Alten Trotte in Effingen der 250. Geburtstag von Johannes Herzog, wohl einem Vorfahren der vielen Herzog, im Rahmen einer kleinen Feier gewürdigt. Andrea Voellmin, Leiterin Bibliothek und Archiv Aargau, Walter Amsler, ausgewiesener Kenner des historischen oberen Fricktals und Hans-Peter Widmer, Journalist und Autor des Jubiläumsartikels über Herzog in den Brugger Neujahrsblättern geben mit drei Referaten einen Einblick in das Leben im Fricktal vor 250 Jahren und in den Werdegang des berühmten Effinger Bürgers.

Dienstag, 17.1.2023, Beginn 19.30 Uhr, Alte Trotte Effingen. Referentin und Referenten: Andrea Voellmin, Walter Amsler, Hans-Peter Widmer. – Musik: Myriam Hidber Dickinson – Ausstellung, Apéro, Eintritt frei. (vwe)


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote