Theater machen ist «huere lustig»

  16.12.2022 Bözen

Interview des Theaters Bözen mit Mike Müller

Theater Bözen: Wie entstand eigentlich die Idee zum Stück «Heute Gemeindeversammlung»?
Mike Müller:
Das war eigentlich so gar nicht geplant und kam eher zufällig zustande. Nach neun Jahren mit Viktor wollte ich ein nicht zu fest recherchiertes Stück auf die Bühne bringen, eher Fiktionales, aber etwas Politisches. Das ist alles ein bisschen «shiny», am Schluss wollen alle Bundesräte werden.

Die einfachste Form ist die Gemeindepolitik. Die Sendung Arena war zum Beispiel dann am besten, als sie wie eine Gemeindeversammlung geführt wurde. Man konnte sich so richtig an den Karren fahren, aber danach ging man ein Bier trinken. Ich persönlich war nur einmal an einer Gemeindeversammlung in Wisen (SO), wo der Gemeindeammann tatsächlich nach der Versammlung sein Amt abgegeben hat, und es ging um eine Umzonung! Irgendwie hatte ich das Gefühl am Beispiel des Mikrokosmos Gemeinde, die Schweizer Politik in all seinen Facetten am besten darstellen zu können.

Wie kam es eigentlich, dass du deine Soloshow «Heute Gemeindeversammlung» als Ensemble Version veröffentlicht hast?
Als ich auf Tournee war mit dem Stück, hat mich Enrico Maurer vom Breuninger Verlag kontaktiert. Er hatte das Stück irgendwo in der Region Luzern gesehen und meinte, ich müsse unbedingt ein Ensemble-Stück daraus machen und ich habe zugesagt.

Selbstverständlich habe ich zuerst einmal gar nichts gemacht, aber Enrico liess nicht locker. Als dann der zweite Lockdown kam, habe ich mich entschieden, die Ensemble-Version zu schreiben. Während dem Schreiben merkte ich schnell, dass bei einem Ensemble-Stück eine junge freche Figur fehlt, daraus entstand dann die KV-Lehrtochter. Mein Regisseur Rafael Sanchez, welcher selbst viel mit Laien in Basel Theater macht, hat mich früh darauf hingewiesen, dass man die grossen Monologe sowieso vergessen könne, so entstanden dann entsprechend angepasste Texte.

Im Stück «Heute Gemeindeversammlung» haben wir  verschiedene Dialekte und auch in deinem neuen Stück sind wiederum diverse Dialekte vorhanden. Woher kommt deine Affinität zu den Schweizer Dialekten?
Dialekt ist für mich eine Hilfe wie für den Kletterer die Griffe. Dialekte kommen aus meiner Jugendzeit. Mit meiner Mutter habe ich Bärndütsch, Züritütsch und Baseldytsch gesprochen. Dialekte sind für mich als Komiker auch ein dramaturgischer Trick. Oder noch einfacher gesagt, ein Komiker arbeitet mit dem, was er hat und bei mir sind es halt die Dialekte.

Wie siehst du den Unterschied zwischen einem Laientheater auf dem Land wie Bözen und einem Profibetrieb wie bei dir? Das Laientheater auf dem Land hat vielmals – trotz über 100-jähriger Tradition – auch ein wenig ein «Bünzli-Image»
Also ich komme ja ursprünglich aus dem Laientheater. Ich habe damals, während meiner Kanti-Zeit, zusammen mit meinen Kumpels eine Theatergruppe gegründet. Freie Szene nannte man das, man muss sich ja auch immer gut verkaufen (lacht). Ich habe aus dieser Zeit immer noch ein grosses Herz für Theater, wo man alles noch selbst macht.

Und was heisst schon Bünzli? Es ist doch einfach gesagt «huere lustig» zusammen Theater zu machen. Mit lustigen Leuten zusammen zukommen war immer mein Antrieb. Dem einem bringt man kein Wort aus dem Mund, dafür macht er einzigartige Bühnenbilder, andere kümmern sich um die Kostüme, dann hast du immer zwei, drei Selbstdarsteller, welche auf eine grosse Karriere hoffen, aber am Schluss ist es einfach ein lustiger Zeitvertrieb, welchen ich auch lange ohne Bezahlung ausgeübt habe.

Ich finde Theater spielen, in einem Ensemble spielen, mit Leuten zusammenarbeiten, etwas unglaublich Physisches. Man bewegt sich in einem Raum, es gibt Abneigungen und Spannungen, es gibt Momente wo man sich wohl, aber manchmal auch unwohl fühlt. Spannend sind auch die verschiedenen Phasen eines Stücks. Man startet mit Leseproben, Proben und dann gibt es diesen fixen «Abgabetermin».

Die letzten 10 Tage in einem Theater sind immer nervös, da kann dann auch das eine oder andere Mal jemand durchdrehen, es gibt Tränen, man zweifelt, das ist bei den Berufsschauspielern genau gleich wie bei den Laien.

Viele kennen dich vor allem von Formaten wie Giacobbo & Müller oder dem Bestatter, wir möchten gerne wissen woher kommt Mike Müller überhaupt?
Ich bin bis zur 2. Klasse in Zuchwil aufgewachsen. Ein klassisches Hochkonjunktur-Dorf. Ein Bauerndorf, welches sich im Laufe der Zeit mit neuem Autobahnzubringer und verkauftem Industrieland völlig verändert hat über die Jahre. Dann war ich von der 2. Klasse bis ich etwa 15 Jahre alt war, in Trimbach zuhause, ein klassisches Strassendorf, gelegen am Hauenstein, wo der ganze Nord-Südverkehr durchführte. Ich bin mit vielen Kindern aufgewachsen, was immer gut ist für Kinder.

Dann ging es nach Olten. An die Kantonsschule, in welcher ich nicht zwingend mit grossen schulischen Leistungen brillieren konnte. Durchgestanden habe ich diese Zeit vor allem deshalb, weil ich nebenbei im Säli-Schlössli serviert habe, was ich als sinnvoller betrachtet habe. Später war ich längere Zeit in Olten wohnhaft, habe auch in Olten studiert und irgendwann hat es mich nach Zürich gezogen, wo ich auch heute noch sesshaft bin.

Wir haben in einem Interview gelesen, dass du dich selbst als eher faul betitelst. Auf deiner Homepage fanden wir über 70 Termine für deine beiden Solostücke, zusätzlich zu deinen anderen Engagements.
Das stimmt tatsächlich, aber natürlich kokettiere ich ein wenig damit. Ich bin schon eher fleissig aber mit einem Hang zum Phlegmatischen. Ich könnte ohne Problem jeden Tag mit einem Glas Weisswein im Zürichsee liegen und das Leben geniessen.

www.theater-boezen.ch


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