Sonnige Aussichten
04.12.2022 WirtschaftHeute kann sich in der Solarbranche nur weiterbilden, wer bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt. Das wird sich nun ändern: Ab Schuljahr 2024/25 werden die neuen Berufslehren «Solarmonteur EBA» und «Solarinstallateur EFZ» starten. Treibende Kraft: Firmen und der Fachverband Swissolar.
Simone Rufli
Die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen ist gross, so gross, dass die Fachleute mit der Montage kaum mithalten mögen. Für Stephan Böller, Mitglied der Geschäftsleitung der Böller AG, Holzund Solarbau in Frick, ist diese Situation Alltag: «Bei uns müssen Holzbau-Lernende oder ein Zimmermann dem Solarteur, einem Holzbau-Vorarbeiter, helfen.» Beim Beruf Zimmermann EFZ gehöre die Montage von PV-Modulen schon seit mehreren Jahren zur Grundausbildung. Als Mitglied von Swissolar (Fachverband für Sonnenenergie), Holzbau Schweiz (Schweizerischer Branchenverband für Holzbau) und Holzbau Schweiz Sektion Aargau (Untersektion Aargau für Holzbau), erhalte die Böller AG Unterstützung beim Rekrutieren und bei der Ausbildung von Berufsleuten.
Stephan Böller hätte Interesse an zukünftigen Solarinstallateuren EFZ: «Bis jetzt konnte man die Ausbildung zum Solarteur nur in Modulen innert sechs Monaten berufsbegleitend an der Berufsschule in Rheinfelden und an weiteren fünf Standorten in der Schweiz machen.»
Anstoss aus der Arbeitswelt
Die Berufsbildung ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt. Es sind die Berufsverbände, welche dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) bei Bedarf Antrag auf die Schaffung einer beruflichen Grundbildung stellen, wie das kantonale Departement Bildung, Kultur und Sport auf Anfrage erklärt.
Umgesetzt wird die berufliche Grundbildung durch die Kantone. Sie sorgen für die Durchführung und Finanzierung der schulischen Bildung an den Berufsfachschulen, die Berufsberatung, die Aufsicht über die Lehrbetriebe und die überbetrieblichen Kurse, die Mitfinanzierung der überbetrieblichen Kurse sowie die Durchführung der Qualifikationsverfahren.
Was aber Teil des beruflichen Grundbildungsangebots ist, hängt von den Bedürfnissen der Arbeitswelt ab. Um diese zu eruieren, wird das Angebot periodisch auf wirtschaftliche, technologische, ökologische und didaktische Entwicklungen hin überprüft und gegebenenfalls angepasst. So wie jetzt in der Solarbranche.
Zuversicht beim Fachverband
Auf Anfrage der NFZ erklärte David Stickelberger, Geschäftsleiter des Schweizerischen Fachverbands für Sonnenenergie Swissolar und Vorstandsmitglied Polybau, Ende Oktober: «Wir haben noch nicht offiziell grünes Licht von Bund und Kantonen. Wir erwarten jedoch Anfang November das sogenannte ‘Vorticket’, sodass wir mit der Entwicklung weiterfahren können.» Am 1. November hat das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation nun grünes Licht für die neuen Berufsbilder gegeben, die zwischen Mai und September von Swissolar, dem Bildungszentrum Polybau und 20 Branchenvertretern entwickelt wurden. Das Eidgenössische Berufsattest «Solarmonteur EBA» wird nach 2-jähriger Lehre abgeschlossen, das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis «Solarinstallateur EFZ» kann nach 3-jähriger Ausbildung erworben werden. Schulungsstandorte werden die Polybau-Bildungszentren in Uzwil (SG) und Les Paccots (FR) sein.
Für Stickelberger ist das – neben den Bildungsangeboten für Quereinsteiger – «eine weitere Massnahme, um den Fachkräftebedarf zu decken». Die Wirkung zeige sich nicht sehr rasch, sei aber enorm wichtig, um eine solide personelle Basis zu schaffen. «Das Interesse unserer Mitgliedsfirmen, Lehrstellen anzubieten, ist sehr hoch, und wir sind zuversichtlich, dass auch junge Menschen in diesem Bereich einen sinnstiftenden Beruf erlernen möchten», so der Geschäftsleiter von Swissolar und Vorstandsmitglied Polybau. Derzeit umfasst die Schweizer Solarwirtschaft zirka 10’000 Vollzeitstellen. Bis 2050 wird sich die Anzahl voraussichtlich mehr als verdoppeln.
Oft genügen bestehende Berufsbilder
Nicht immer führe die Überprüfung der Arbeitsmarktsituation auch zur Schaffung einer neuen Grundbildung, wie Simone Keller, stellvertretende Leiterin Kommunikation beim SBFI erklärt. «Entsprechende Kompetenzen können vielfach in bestehende Berufsbilder, respektive bestehende berufliche Grundbildungen, integriert werden.» Und Stephan Böller betont: «Fachkräfte-Mangel ist in jedem handwerklichen Beruf ein grosses Thema. Wir selber bilden im Moment fünf Holzbau-Lernende aus. Doch viele wechseln nach der Lehre die Arbeitsstelle oder was noch schlimmer ist, den Beruf. Sie arbeiten im Unterhalt Aussen oder Innen bei Gemeinden oder werden Polizisten. Jeder achte Polizist im Kanton Aargau war Zimmermann!»
Wie geht es weiter?
Nach der laufenden Branchenvernehmlassung zu den Bildungsplänen werden diese Ende Januar 2023 von Swissolar beim SBFI eingereicht. Während das SBFI 2023 die Dokumente prüft, wird die konkrete Umsetzung vorbereitet. Dazu gehören die Definition von Lernzielen für die Berufsfachschule, die Erstellung von Programm und Inhalt von überbetrieblichen Kursen, die Aufgabenstellung für das Qualifikationsverfahren sowie die Festlegung des Ausbildungsprogramms für die Lehrbetriebe.
Ab sofort können Solarfirmen Schnupperlehren in den neuen Berufen Solarmontage und -installation anbieten. Lehrverträge können spätestens ab Januar 2024 abgeschlossen werden. Die ersten Lernenden beginnen ihre Ausbildung im Schuljahr 2024/25. Betriebe, die Lernende ausbilden möchten, müssen von ihrem Kanton eine Ausbildungsbewilligung erhalten.
Um die Betriebe auf diese neue Situation vorzubereiten, finden im Frühjahr 2023 von Swissolar organisierte Informationsveranstaltungen statt. Ab Herbst 2023 sollen Informationsveranstaltungen für angehende Berufsbildnerinnen und Berufsbildner stattfinden.