Robust, wetterfest und geruchsunempfindlich
21.11.2022 HornussenEs ist harte körperliche Arbeit bei Wind und Wetter und nur wenige halten solange durch. Roli Keller aus Hornussen stand 45 Jahre lang Tag für Tag hinten auf dem Kehrichtfahrzeug und sammelte die Abfallsäcke im oberen Fricktal ein.
Karin Pfister
Am 1. Oktober 1977 war sein erster Arbeitstag bei der Firma Peter Pfister AG – damals noch von Peter Pfisters Vater Adolf geführt –, am 31.Oktober 2022 sein letzter. 45 Jahre lang war das Trittbrett hinten beim Kehrichtfahrzeug sein Arbeitsplatz; bei Wind und Wetter, bei Schnee und Hitze. Absteigen, Abfallsack holen, wieder aufsteigen, ein paar Meter weiterfahren; absteigen, Abfallsack holen, wieder aufsteigen, ein paar Meter fahren. Jeden Tag hat Roli Keller diese Aufgaben acht Stunden lang pflichtbewusst erledigt. Pro Tag seien es rund 1300 Abfallsäcke pro Belader, hat Pascal Pfister, welcher die Firma demnächst von seinen Eltern Peter und Vreni Pfister übernehmen wird, ausgerechnet. Ganz genau könne er es nicht sagen, «da die Belader bei der Arbeit keine Zeit haben, um die Säcke zu zählen».
Ein Rekord
45 Jahre lang als Belader zu arbeiten ist Firmenrekord. Nur einer kam auf annähernd so eine lange Zeitspanne. Walter Keller, der Bruder von Roli Keller, hat ein paar Jahre nach ihm als Chauffeur angefangen und wurde etwas früher pensioniert, nach 38 Jahren. Als Belader tätig zu sein, ist «harte körperliche Arbeit». Ein guter Belader müsse wetterfest, robust und unempfindlich gegen Gerüche sein, sagt Pascal Pfister. Nicht jeder ist geeignet. «Wir erhalten immer Bewerbungen, aber dass jemand solange bei uns bleibt wie Roli Keller, ist die Ausnahme», so Vreni Pfister.
Aufgewachsen ist Roli Keller in Hornussen. Nach der Schule war er zuerst als Arbeiter in der Sagerei tätig, danach ging er zur Firma Pfister AG, die damals noch in Bözen beheimatet war und ist geblieben, weil «mir die Arbeit Freude gemacht hat». Besonders schön sei die Kameradschaft im Team. Roli Keller war jeden Tag im oberen Fricktal unterwegs. Er kennt jedes Dorf, jede Strasse und fast jeden Garten; viele Menschen kennen ihn. «Die meisten Menschen sind sehr freundlich. Am schönsten ist es für uns immer, wenn uns Kinder zuwinken.» Eine schöne Zeit sei immer die Weihnachtszeit, wenn für die Arbeiter auf den Abfallsäcken kleine Geschenke oder ein «Batzen» hinterlegt werden. Früher, als die Kehrichtabfuhr noch separate Sperrgutabfuhren durchgeführt hat, habe er hin und wieder ein schönes Lämpli vor der Abfallpresse bewahrt und nach Hause genommen.
Arbeit, als Sportprogramm
Rund 6000 Tonnen Abfall sammelt die Pfister AG pro Jahr im oberen Fricktal ein. Roli Keller war sowohl auf den normalen Kehrichttouren wie auch bei der Grüngutabfuhr im Einsatz. Ein voller Kehrichtsack wiegt im Schnitt rund fünf Kilogramm; könne aber natürlich auch schwerer sein. «Das geht mit der Zeit schon in die Knie und auf die Hüfte. Ich sagte immer, dass ich mein Sportprogramm bei der Arbeit absolviere.»
45 Jahre sind eine lange Zeit. Als Roli Keller anfing, musste er seine Arbeitskleider noch selber mitbringen, heute trägt das ganze Team orange Kleider mit Leuchtstreifen. Mehr ist der Abfall nicht geworden; durch die Sackgebühr und das gestiegene Umweltbewusstsein sei es vermutlich weniger Abfall pro Kopf, aber mehr, weil die Gemeinden mehr Einwohner haben, so Vreni Pfister. Roli Keller ergänzt: «Die Vorschriften sind strenger geworden.»
An den Geruch des Abfalls gewöhne man sich nicht. «Den rieche ich auch nach 45 Jahren noch.» Es sei nicht immer angenehm; vor allem im Sommer habe es viele «Viecher». Dafür sei die Kameradschaft gut und das Fahrzeug nicht zu laut. «Wir können hinten auf den Trittbrettern auch miteinander reden.»
Ganz ungefährlich ist das Einsammeln des Abfalls nicht. «Wir wissen nie, was in den Säcken drin ist. Einmal habe ich mich durch den Plastik hindurch an einem Metallteil geschnitten und musste am Bein genäht werden.»
Seine Lieblingsjahrzeit seien die schönen Tage im Frühling und im Herbst gewesen. Schwierig war der Corona-Winter. Normalerweise ist das Team – zwei Belader und ein Chauffeur – den ganzen Tag zusammen unterwegs und macht um 9 Uhr und um 12 Uhr in der Beiz Pause.
Schöne Geste
Als die Restaurants zugingen, standen die Arbeiter quasi auf der Strasse. «Es gab einige sehr nette Leute, welche uns erlaubt haben, bei ihnen im Schopf etwas im Warmen zu sitzen und die für uns Kaffee gekocht haben.»
Obwohl er gerne als Belader tätig war, hat sich Roli Keller auf die Pensionierung gefreut. «Gerne möchte ich dem ganzen Team nochmals Dankeschön sagen und auch den Menschen, welche mich an meinem letzten Arbeitstag unterwegs beschenkt haben.» Grosse Pläne für die Zukunft hat er keine; er freue sich darauf, die freien Tage in seinem Wald in Hornussen mit «Holzen» zu verbringen und Zeit mit der Familie zu geniessen. Zusammen mit seiner Frau Annemarie hat Roli Keller vier Kinder grossgezogen; in diesen Tagen kommt das fünfte Grosskind zur Welt. Ausserdem sei es möglich, dass er am 31.Oktober nicht zum letzten Mal auf Tour war. «Ich habe bereits zugesagt, dass ich für einzelne Einsätze oder wenn Not am Mann ist, bereitstehe.»