«Ohne juristische Ausbildung chancenlos»

  26.08.2021 Hornussen

Wie hoch die Hürden sind, wenn es darum geht, das Vorgehen von Gemeindebehörden anzufechten, muss derzeit der Hornusser Karl Wehrli-Kilcher erfahren. Er informierte sich – und griff trotzdem zum falschen Rechtsmittel.

Simone Rufli

«Ein nicht mit juristischer Ausbildung und Erfahrung beseelter Bürger hat keine Chance, hier eine Beschwerde einzureichen», sagt der ehemalige Hornusser Gemeindeammann Karl Wehrli-Kilcher. Vor ein paar Tagen hat er vom Rechtsdienst der Gemeindeabteilung des Kantons Post erhalten und war gelinde gesagt «mehr als erstaunt» über das, was er zu lesen bekam: «Nichteintreten auf die Beschwerde.» Er habe einiges in Betracht gezogen an Möglichkeiten, zu keiner Zeit aber damit gerechnet, dass erst gar nicht auf seine Beschwerde eingetreten werde.

Das Nichteintreten bezieht sich auf eine Verwaltungsbeschwerde, die Karl Wehrli-Kilcher im Nachgang zur ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom 9. April am 7. Mai dieses Jahres beim Rechtsdienst des Kantons eingereicht hat. Wehrli rügte darin, dass Hornussen mit dem Traktandum «Erschliessung Archive der Fusionsgemeinden» in die Eigenständigkeit der drei anderen Fusionspartner von Böztal eingegriffen habe (die NFZ berichtete).

Von 30 auf 10 Tage
«Der Rechtsdienst schreibt mir nun, dass Gemeindeversammlungsbeschlüsse nicht mit Verwaltungsbeschwerde angefochten werden können. Dabei geht es mir in meiner Beschwerde gar nicht um den Inhalt der Versammlungsbeschlüsse, sondern um das Vorgehen des Gemeinderats. Zudem habe ich mich eingehend im Gemeindegesetz informiert. In Paragraf 105 steht, dass mit Verwaltungsbeschwerde Entscheide der Organe von Gemeinden innert 30 Tagen angefochten werden können und gemäss Paragraf 16 des gleichen Gesetzes sind sowohl die Gemeindeversammlung als auch der Gemeinderat Organe der Gemeinde», so Wehrli-Kilcher. Ungeachtet dieser Tatsachen verweise der Kanton auf das Rechtsmittel der Gemeindebeschwerde (§106 Gemeindegesetz). «Damit könnten Verwaltungsakte angefochten werden, schreibt mir der Rechtsdienst und verweist auf die Frist von 10 Tagen gegenüber 30 Tagen bei der Verwaltungsbeschwerde. Weil diese zehn Tage zum Zeitpunkt meiner Beschwerde bereits abgelaufen waren, wurde mir auch dieser Weg nicht zugestanden.»

Das bestätigt der kantonale Rechtsdienst auf Anfrage der NFZ. Die Gemeindebeschwerde sei das richtige Rechtsmittel für Verfahrensfehler, aber eben nur innert der Frist von 10 Tagen. Zu diesem Rechtsmittel könne gegriffen werden, wenn grundsätzliche Regeln wie das Erstellen der Traktandenliste oder die öffentliche Aktenauflage vom Gemeinderat nicht eingehalten würden. Eine Verwaltungsbeschwerde hingegen könne nur ergreifen, wer als Einzelperson von einer Verfügung betroffen sei. «Für eine Verwaltungsbeschwerde muss ein Beschluss einer Exekutive vorliegen, der in die Rechte einer einzelnen Person eingreift.»

Vom GG zum VRPG
Dass in Absatz 1 von §105 des Gemeindegesetzes (GG) die Verwaltungsbeschwerde explizit als Rechtsmittel gegen «Entscheide der Organe von Gemeinden» (Gemeinderat, Gemeindeversammlung) aufgeführt ist, bestreitet natürlich auch der Rechtsdienst nicht. Aber: «Absatz eins steht nicht für sich allein. In Absatz zwei wird für die Beschwerdebefugnis ausdrücklich auf das Gesetz über die Verwaltungsrechtspf lege (VRPG) verwiesen.» Mit anderen Worten: Hätte der Beschwerdeführer auch im VRPG nachgelesen, hätte er womöglich die Stelle gefunden, die ihm das Recht auf eine Verwaltungsbeschwerde im konkreten Fall nimmt. Das war der Punkt, an dem Wehrli-Kilcher bemerkte: «Ein normalbegabter Bürger ist chancenlos.»

Nach dem vorliegenden Entscheid geht Karl Wehrli-Kilcher nun davon aus, dass auch die anderen Verwaltungsbeschwerden, in denen dem Gemeinderat von Hornussen die Missachtung der im Fusionsvertrag festgeschriebenen Informationspflicht vorgeworfen wird, vom Kanton nicht behandelt werden dürften. Umso mehr als der Rechtsdienst klar zum Ausdruck bringt, dass die Informationspflicht bereits erfüllt sei, wenn die Gemeinderäte der anderen drei Fusionsgemeinden informiert worden seien und nicht die ganze Bevölkerung.

Es bleibt die Erkenntnis: Wer im entscheidenden Moment das richtige Rechtsmittel ergreifen will, tut gut daran, sich entweder auf der Verwaltung oder direkt bei einem Rechtsanwalt beraten zu lassen. Ein Vorgehen, das übrigens auch der Rechts dienst des Kantons empfiehlt.


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