Zum Leserbrief «Eine Schikane»

  08.07.2021 Leserbriefe

von Fritz Simon, NFZ vom 29.06.2021

Ältere Leserinnen und Leser erinnern sich: Einst gab es in allen Dörfern, auch in kleinen Landgemeinden, Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf. Warum sind all die Läden verschwunden? Fritz Simon beklagt, dass heute viele Menschen gezwungen sind, für ihren Einkauf kilometerlange Wege unter die Räder zu nehmen. Schuld an dieser Entwicklung ist aber nicht der VCS; dass die Wege in den vergangenen Jahrzehnten immer länger geworden sind, ist eine unmittelbare Folge der Verfügbarkeit von Motorfahrzeugen und des Ausbaus der Strassen. Dieser Zwang zu weiten Wegen, den wir dem Auto verdanken, geht auf Kosten der Umwelt und unserer Lebensqualität und führt zu exorbitanten Kosten.

Die Reduktion der Parkplatzzahl und die Einführung von Parkiergebühren beim Einkaufszentrums Coop Kaiseraugst hat nicht der VCS «diktiert», wie Fritz Simon glaubt. Wir leben nicht in einer Diktatur, sondern in einem Rechtsstaat. Beim «Kaiserhof» handelt es sich um eine Anlage, deren Grösse die vom Gesetz definierte Schwelle überschreitet, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verlangt. In solchen Fällen sieht der Gesetzgeber für die Umweltverbände ein Verbandsbeschwerderecht zur Wahrung der Umweltinteressen vor. Als der VCS Aargau auf den Kaiserhof aufmerksam wurde, war das Center bereits im Bau. Unter normalen Umständen wahrt der VCS die Interessen der Umwelt bereits im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens; wegen formaler Fehler der Gemeinde Kaiseraugst, die das Bauprojekt weder wie vorgeschrieben im kantonalen Amtsblatt publiziert noch die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt hat (und dies wider besseres Wissen!), konnte der VCS Aargau erst im Nachhinein reagieren. Wir gelangten mit einer Beschwerde gegen die Gemeinde Kaiseraugst und gegen Coop an den Regierungsrat und verlangten, dass die Baubewilligung aufgehoben und das Verfahren mit der notwenigen UVP erneut durchgeführt wird. Diese Beschwerde hat der Regierungsrat am 10. Juni 2015 gutgeheissen. Aufgrund des daraufhin erarbeiteten Umweltverträglichkeitsberichts und der kantonalen UVP muss Coop zur Verminderung der Verkehrsbelastung Parkplätze zurückbauen, eine Parkplatzbewirtschaftung einführen und diese mit einer Schrankenanlage sichern. Das ist nicht eine Erfindung des VCS, sondern gängige Praxis in der Schweiz, die von den Gerichten gestützt wird. Wem rechtsstaatliche Prinzipien am Herzen liegen, sollte nicht den VCS anklagen, der anwaltschaftlich die Interessen der Umwelt vertritt, sondern sich bei der Gemeinde Kaiseraugst darüber beschweren, dass sie die Erweiterung dieses Centers ohne Umweltauflagen überhaupt bewilligt hatte.

Jede zweite Autofahrt ist kürzer als 5 Kilometer, fast jede vierte kürzer als 2 Kilometer – eine ideale Velodistanz. Parkiergebühren tragen dazu bei, die Zahl solcher Kurzfahrten mit dem Auto zu vermindern. Leisten Sie einen Beitrag zur Verminderung der verkehrsbedingten Umweltprobleme und nehmen Sie für Ihren nächsten Einkauf das Velo.

CHRISTIAN KELLER, GESCHÄFTSFÜHRER VCS AARGAU


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