Die neun Leben der Katze auf dem Nüünig

  11.07.2021 Wittnau

6. Teil der Flurnamen-Serie

Aller guten Dinge sind drei – so geht es diesmal um die Namen Nüünig, Neulig und Ächtel. Zahlen haben seit jeher Eingang in die Namenwelt gefunden, etwa der Dreierberg in Zeihen, Bi de vier Linde in Möhlin, Nünbrünne in Villingen, Nün Jurte in Wittnau, Nüntel und Zwölf Jurte in Zeiningen. Hat denn auch der Name Nüünig mit der Zahl neun zu tun?

Beatrice Hofmann

Steiler Aufstieg beim Nüünig
Die Flur Nüünig liegt in Wittnau, im südwestlichen Zipfel, der ans Baselbiet, genauer an die Gemeinden Rothenf luh und Anwil grenzt. Das bewaldete Gebiet ist alt belegt; 1534 im Urkundenbuch der Stadt Basel: «zum stein uff dem Kazennstich, so man nempt uff Nun», in der gleichen Quelle steht ebenfalls: «vom Ebnet zum Stein auff Nunegg». 1802 erscheint dann erstmals die heutige Form Nüünig. In der Grenzbeschreibung wird der Grenzstein beschrieben, der auf dem Nünlig steht: «Diser 13. Stein steht in aller höche vor neün eckh, so man nent vf dem Katzenstich, vor den Ferelen». Der Zugang zum Nüünig scheint nicht ganz einfach gewesen zu sein, denn der Name Katzenstich wird meist metaphorisch für einen steilen, schlecht begehbaren Pfad verwendet, auf dem sich nur eine Katze gefahrlos bewegen kann. Benötigte man für den Aufstieg neun Leben, wie eine Katze? Nicht ganz, denn neun kann sich entweder auf eine ehemalige neuneckige Form des Grundstücks Nüünig beziehen oder aber der Name geht aufs Adjektiv neu zurück.

Was war zuerst da? Neun oder neu?
Neu und Neun sind sprachwissenschaftlich sehr nahe beieinander. Das Adjektiv neu ist seit dem 8. Jahrhundert belegt; in Flurnamen bezeichnet das Wort Flurstücke, die im Gegensatz zu ihrer Umgebung erst in jüngerer Zeit erschlossen wurden oder aber eine Umnutzung und somit eine neue Nutzung erhalten haben. Das Zahlenwort Neun existiert seit dem 9. Jahrhundert, es wird angenommen, dass das Wort ursprünglich neu bedeutete, da man mit Hilfe der Finger ohne Daumen zählte. Bei der Zahl acht waren dann beide Hände belegt. Man musste neu beginnen. Beim Nüünig handelt es sich also entweder um ein neuneckiges Grundstück oder aber um ein Grundstück beim Ecken, das neu genutzt wurde. Einfacher ist es beim Flurnamen Neulig in Helliken, der heute Neulighof heisst. Neulig ist eine Ableitung mit dem Suffix -lig zum Adjektiv neu. Als Neulig wird ein Stück Land bezeichnet, das vorher eine Brache oder ein Acker war und nun zu Mattland umwandelt, also einer neuen Nutzung zugeführt wurde.

Der erfundene Eichwald
Die Zahl Acht scheint auch in der Namenwelt vorzukommen, denn gleich neben dem Nüünig befindet sich der Flurname Ächtel, auf der Siegfriedkarte aus dem 19. Jahrhundert auch als Achtel bezeichnet. Ist die Flur achtgeteilt? Nein, denn 1624 wird die Flur «Eichtal» genannt. Ein Erstbeleg aus dem Jahr 1352 führt Christoph Benz in seiner Flurnamensammlung der Gemeinde Wittnau auf. Sie zeigt die Form Enkental, in diesem Fall geht der Name auf eng zurück und würde ein enges Tal bezeichnen, das geographisch durchaus nachvollziehbar ist. Das Beispiel zeigt, wie wichtig die Erstbelege sind. Wenn ein Verschrieb aufgrund der graphologischen Nähe zwischen Eich und Enk ausgeschlossen werden kann, ist es durchaus denkbar, dass Enk- wohl nicht mehr verstanden und so durch Eich ersetzt wurde. Aufgrund der räumlichen Nähe zur Flur Eich, die nebenan liegt, wurde der Name dann wohl als Eichtal weiter tradiert und ist im Laufe der Zeit abgeschwächt zum heutigen Ächtel geworden.


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