Massiver Umsatzeinbruch

  26.02.2021 Herznach

Die Zukunft der Ballon Müller AG in Herznach ist ungewiss. Seit April 2020 arbeitet die Firma im Krisenzustand. «Die Kurzarbeitsentschädigung und das finanzielle Polster zu Pandemiebeginn halfen uns zu überleben. Aber inzwischen sind auch die Reserven gänzlich aufgebraucht», so Inhaber und Geschäftsführer Martin Müller gegenüber der NFZ. Er kämpft jedoch weiter fürs Überleben. Gemäss Müller habe die Krise auch umständliche und veraltete Prozesse aufgedeckt, die eliminiert wurden. (bz)


«Wir kämpfen ums Überleben»

Über eine halbe Million Franken an Reserven «verbrannt»

Die Pandemie hat auch die Herznacher Ballon Müller AG hart getroffen. Wie Inhaber und Geschäftsführer Martin Müller im Gespräch mit der NFZ sagt, wird die «Luft» langsam eng. Die Zukunft des Unternehmens hängt stark davon ab, ab wann Familienfeste wieder möglich sind und Restaurants wieder öffnen dürfen.

Bernadette Zaniolo

NZF: Herr Müller, in einem Gespräch mit der NFZ im 2018 sagten Sie, das von der EU-Kommission angestossene Verkaufsverbot für Einweg-Plastikartikel und weitere Plastikartikel mit kurzer Verbrauchsdauer hätte «fatale Folgen», wenn auch Ballons verboten würden. Wie sieht es bezüglich dieses Verbotes heute aus?
Martin Müller:
Das EU-Gesetz tritt per 1. Juli 2021 in Kraft. Es betrifft unsere kleine Tochterfirma ZIBI GmbH in Bad Säckingen, die einen Drittel des Umsatzes mit den betroffenen Produkten macht. Die Firma Ballon-Müller AG ist davon nicht direkt betroffen, da wir nicht in der EU sind und das Gesetz nur einen sehr kleinen Anteil unseres Umsatzes betreffen würde. Unsere Ballonzubehör-Firma ZIBI in Deutschland bietet inzwischen ein Ersatzprodukt aus reinem Zellstoff, also Papier an.

Das «Single-Use-Plastic»-Gesetz hat keine Auswirkungen auf die Ballon-Müller AG, so lange es auf die EU beschränkt ist. Falls unsere Regierung etwas ähnliches plant, erwarte ich doch, dass man mit uns Kontakt aufnimmt und nach wirklich umweltfreundlichen Lösungen und möglichen Alternativen sucht. Das Europäische Einwegplastik-Gesetz zielt ja darauf, die Meeresverschmutzung durch Kunststoffe zu bremsen. Ich glaube, dass die Schweiz von diesem Problem nicht sehr betroffen ist.

Auch Ihr Unternehmen ist stark von der Event- und Veranstaltungsbranche sowie von Festivitäten abhängig. Welche Auswirkungen hatte die Pandemie für Ihr Unternehmen bis jetzt?
Unser Laden in Herznach ist während beiden Shutdowns geschlossen. Es braucht keine Ballondekorationen für Eröffnungen, Volksfeste, Ausstellungen, Hochzeiten und Weiteres mehr. Wenn sich die Leute nicht mehr treffen dürfen, bringen sie auch keine Ballongeschenke und weitere solche Artikel mit. In der Folge ist unser Umsatz seit März 2020 auf durchschnittlich 50 Prozent der bisherigen Monatsumsätze eingebrochen. Seit April arbeitet die Ballon-Müller AG im Krisenzustand. Die Kurzarbeitsentschädigung und das finanzielle Polster zu Pandemiebeginn halfen uns zu überleben. Aber inzwischen sind auch die Reserven gänzlich aufgebraucht. Unsere Zukunft ist nach wie vor ungewiss.

Mussten Sie deswegen Mitarbeiter entlassen?
Von zwei Mitarbeitenden mussten wir uns bereits trennen. Zehn Mitarbeitende sind in Kurzarbeit (40 bis 60 Prozent des üblichen Pensums) und erhalten einen reduzierten Lohn. Eine Mitarbeitende befindet sich in der Babypause und geht ab März direkt in Kurzarbeit.

Bis wann rechnen Sie, dass wieder grössere Events möglich sein werden?
Tja, das ist die grosse Frage, die nicht wir zu entscheiden haben. Ich hoffe, dass ab April wieder Familienfeste stattfinden und Restaurants wieder offen sein dürfen. Mit grösseren Anlässen, mit über 80 Personen, ist wohl nicht vor August zu rechnen.

Hat Ihr Unternehmen genügend finanzielle Rücklagen, um diese Zeit noch überbrücken zu können?
Wenn Sie die «Portokasse» ansprechen: Nein, ohne Unterstützung des Staates hätten wir es nicht bis hierher geschafft. Zu Beginn der Krise war sicherlich genügend finanzielle Rücklage da, inzwischen hat die Krise über eine halbe Million davon verbrannt. Jetzt hängt alles davon ab, wie lange die Einschränkungen noch dauern.
Als Alleininhaber trifft mich dieser Verlust hart, weil er vollständig zu Lasten meiner persönlichen Altersvorsorge geht. In meinem Alter, ich bin 58, wird das direkt greifbar und hat Konsequenzen für den Rest meines Lebens.

Immer wieder hört man von der Härtefall-Regelung und dass für solche Fälle insgesamt bis jetzt 2,5 Milliarden Franken gesprochen wurden. Haben auch Sie Anspruch darauf oder auf «A Fonds perdu»-Beiträge?
Wir haben im Dezember einen Antrag auf Härtefallgeld gestellt und letzte Woche Bescheid bekommen. Da ja noch Substanz vorhanden ist, gewährt uns der Kanton eine Kreditausfallgarantie, verbunden mit etlichen Auflagen. So kann uns die Hausbank wieder Geld für die dringendsten Kosten zur Verfügung stellen. A-Fond-Perdu-Beiträge sind offenbar Firmen vorbehalten, die keine Rücklagen mehr haben und trotzdem ein tragbares Geschäftsmodell vorweisen können. Für mich ist dies ein Widerspruch und ich frage mich, wer diese Firmen sind.

Ist schon Geld zu Ihnen «geflossen»?
Der Covid-Kredit im April 2020 kam sehr schnell, für das Härtefallgeld des Kantons müssen zuerst Verträge mit der Bank ausgehandelt werden.

Gibt es für Ihr Geschäft auch positive Erkenntnisse und Aspekte aus der Coronakrise?
Wenn man von einem Tag auf den anderen hart am Limit arbeiten muss und Selbstverständliches plötzlich nicht mehr gilt, dann lernt man viel über sich selber. Das gilt auch für eine Organisation oder Firma. Viele Schwächen kamen zum Vorschein und mussten behoben werden. Der massive Umsatzeinbruch hat uns alle gefordert und neue Türen aufgestossen. Umständliche und veraltete Prozesse wurden aufgedeckt und eliminiert. Neue Arbeitsformen wurden möglich, die vorher undenkbar waren. Darum bin ich davon überzeugt, dass wir gestärkt und mit neuem Mut aus dieser Krise hervorgehen werden, falls wir sie überleben. Ich kämpfe dafür.

Anmerkung der Redaktion: das Interview erfolgte aufgrund der Schutzmassnahmen schriftlich.

 


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