«Nicht selten kennen Erstklässler kein einziges Gebet»

  16.01.2021 Zeiningen

Bea Strässle macht sich Sorgen um die Zukunft der Katechese

Zwischen 2012 und 2017 liess sich Bea Strässle zur Katechetin ausbilden. Sie gibt Erst- bis Drittklässlern im Wegenstettertal Religionsunterricht. Ihr Ziel ist es, in ihrem Glauben immer weiterzukommen und den Zusammenhang der Bibel noch besser zu verstehen.

Janine Tschopp

Zum Gespräch treffen wir uns im Pfarrsaal in Zeiningen. Hier hat Bea Strässle in den letzten Jahren schon viel Zeit verbracht. Ob beim Vorbereiten der Erstkommunion mit den Kindern und Eltern, beim Palmbinden, beim Vorbereiten der Samichlausfeier oder wie jüngst beim Backen der «Mailänderli» für Weihnachten oder in Zusammenhang mit dem Sternsinger-Gottesdienst. Bea Strässle war es, die zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn, während des Lockdowns im Frühling, den eher muffigen Pfarrsaal zu einem freundlichen Raum verwandelte. Sie hat die Wände farbig gestrichen und diese mit Bildern aus der Bibel dekoriert, welche Ministranten und Religionsschüler gestaltet hatten.

Kaffee und Guetzli stehen schon auf dem Tisch bereit und Bea Strässle beginnt zu erzählen. Sie ist in Zunzgen (BL) aufgewachsen. Als Kind besuchte sie manchmal ihre Grossmutter im Entlebuch. «Als ich dort in die Kirche kam, empfand ich ein ‹Heimkommen›», beschreibt die Katechetin. Obwohl sie weder Gebet noch Gesang verstand, spürte sie etwas, das sie bis heute nicht genau beschreiben kann. «In der Pubertät ging es wieder verloren», erinnert sich die 52-Jährige. Sie machte eine kaufmännische Ausbildung. Bei einer ihrer späteren beruf lichen Tätigkeiten im «Feldschlösschen» lernte sie ihren Mann Christoph kennen.

2001 zog das Paar nach Zeiningen und bald wurde dieses spezielle Gefühl in ihr, das sie in ihrer Kindheit schon empfand, wieder geweckt. Damals war Ralf Binder Diakon in Zeiningen. Er traute Bea Strässle und ihren Mann und taufte ihren Sohn Pascal. Mit den Vorgesprächen für Trauung und Taufe kam Bea Strässle der Kirche wieder näher. Als ihr Sohn klein war, unterstützte sie Ralf Binder und seine Frau Rosa beim Organisieren von «Fiire mit de Chline».

Ihr Drang, mehr über die Bibel und Jesus zu erfahren, wurde immer grösser. «Mein Bruder und meine Schwägerin luden mich dann zu einem Glaubenskurs ein.» An mehreren Abenden trafen sich Menschen und sprachen über die Bibel. Sie bekam dann auch eine Bibel geschenkt. «Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur in einer Kinderbibel gelesen.» Bea Strässle wollte sich in der Pfarrei in Zeiningen einbringen. Ralf Binder schlug ihr vor, die Ausbildung zur Katechetin zu absolvieren. «Ich meldete mich einfach an. Ohne viel zu überlegen.»

«Worauf habe ich mich eingelassen?»
Im Laufe ihrer katechetischen Ausbildung fragte sie sich mehrmals: «Worauf habe ich mich eingelassen?» Sie ging den anstrengenden Weg aber zu Ende. Mittlerweile unterrichtet sie, zusammen mit der Wegenstetterin Claudia Moesch, Erst- bis Drittklässler aus dem Wegenstettertal. «Mir macht die Arbeit als Katechetin Freude. Ich bringe mich gerne ein, sowohl bei Familiengottesdiensten, als auch beim Frauenmorgen, beim Weltgebetstag, beim Sternsingen und bei vielem mehr.»

Trotz dieser Freude schwingt bei ihr Wehmut mit. «Ich merke, dass es immer schwieriger wird, Kinder und Familien für den Glauben zu begeistern. Nicht selten gibt es im Religionsunterricht Erstklässler, die Jesus nicht kennen. Sie wissen nicht, dass wir an Weihnachten die Geburt von Jesus feiern. Sie kennen kein einziges Gebet.» Sie hält inne, Tränen schiessen ihr in die Augen. Sie fährt fort: «Das macht mich sehr traurig. Ich mache mir viele Gedanken, wie es in Zukunft mit der Katechese und den Gottesdiensten in unserer Pfarrei und im ganzen Tal weitergehen soll.»

Sie macht sich auch Gedanken über das Gemeindeleben. «Leider gibt es immer weniger Gemeindechristen. Solche, die ein Gemeindeleben und Seelsorge erfahren möchten. Solche, die gemeinsam Gottesdienst feiern und eine Gemeinde aufbauen möchten», bedauert die Katechetin. Immer mehr Menschen seien nur Mitglied einer Kirchgemeinde, weil es irgendwann einmal nützlich sein könnte. Zum Beispiel bei der Geburt eines Kindes, bei der Erstkommunion, Firmung, Hochzeit oder bei einem Todesfall. «Die Menschen engagieren sich nicht mehr in der Kirche, sondern wollen von der Kirche eine Dienstleistung.»

Vieles wird nicht verstanden
Warum interessieren sich nur noch wenige Menschen für die Kirche? «Vielleicht müsste das Evangelium auf eine andere Art vermittelt werden», überlegt Bea Strässle. Viele Wörter werden oftmals nicht verstanden. So wie sie damals im Entlebuch auch kaum etwas verstanden habe. «Was bedeutet Gnade? Was bedeutet Busse?» Sie ist der Meinung, dass oftmals altmodische Wörter benutzt werden. «Es wäre viel besser, man würde das Evangelium auf eine einfache und verständliche Weise vermitteln.» Sie selber versucht dieser Thematik im Religionsunterricht entgegenzuwirken, indem sie ihren Schülerinnen und Schüler vieles in ihrer eigenen Sprache und bildlich erklärt. «Ich habe immer viel Material dabei.»

Noch lange nicht am Ziel
«Ich möchte mehr lernen und im Glauben weiterkommen», sagt sie. «Ich möchte den Zusammenhang der ganzen Bibel noch besser verstehen. ‹Wo komme ich her? Wozu bin ich hier? Was ist meine Aufgabe und wo gehe ich einmal hin?› sind Fragen, die mich interessieren.»

Und dann kommt es wieder, das Traurige in ihren Augen: «Oft wünschte ich mir Gleichgesinnte. Menschen, die, wie ich, immer mehr aus der Bibel lernen und über Gott erfahren wollen. Menschen, die dieses Feuer auch spüren, und mit denen ich mich austauschen könnte.»

Es wäre schön, Bea Strässle würde ihrem Ziel immer näherkommen und auf dem Weg dazu, Menschen treffen, mit denen sie ihr Feuer teilen könnte.


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