«Die Freude an der Musik verbindet ein Leben lang»

  25.01.2021 Zeihen

Der Zeiher Trompeter Toni (Anton) Neuhaus feierte zahlreiche musikalische Erfolge, die er durch die jahrzehntelange Mitgliedschaft und Leitung von Musikgesellschaften, Brass Bands und weiteren Formationen erreichen konnte.

Clara Willers

«Ich hole dich im Dorfzentrum beim Restaurant Rössli ab», schlug Toni Neuhaus am Telefon vor, nachdem wir zuvor Fotos der Schneeverhältnisse im Unteren Fricktal und jene in Zeihen sowie Informationen über unsere Autos ausgetauscht hatten. Unsere Fahrt vom Dorfzentrum auf den Zeiher «Schlatthübel» bestätigte seine Einschätzung der Lage. Tatsächlich lagen auf dem Hügel, wo Toni mit Gattin Helene sowie auch seine Tochter mit ihrer Familie wohnen, noch ein paar Zentimeter Schnee mehr.

Gleich beim Eingang ins Haus unterstreichen zahlreiche Trompeten und Kornetts sowie ein Klavier die Leidenschaft der Familie Neuhaus: die Musik grundsätzlich und insbesondere die Blasmusik. Der Grund des Besuchs war auch nicht meteorologischer, sondern musikalischer Art. Der 67-Jährige feierte mit der Trompete, dem ES-Kornett und als Dirigent eindrückliche Erfolge. Mit der Brass Band Mumpf (heutige AEW Concert Band) erreichte er 1980 den Schweizer Meistertitel und 1981 den siebten Rang an der Europa-Meisterschaft in der Londoner Royal Albert Hall. Sein Sieg am Grand Prix der Volksmusik mit dem Alpenklang Show Orchester, dem er über 20 Jahre lang angehörte, wurde 1992 vom Schweizer Fernsehen übertragen.

«Dr Töneli» unterwegs im Zeihen der 1950er- und 1960er-Jahre
Erlitt die Show- und Unterhaltungsszene nach den Nullerjahren ein Tief, gelangte sie im vergangenen Jahrzehnt durch die zunehmende Beliebtheit von Oktober-Festen und Frühschoppen wieder zu mehr Bekanntheit und Anerkennung. Bezeugen kann dies der Erfolg, den Toni Neuhaus mit der Gruppe «Paolos Fricktal Krainer» seit sechs Jahren erlebt. Paolo Frischknecht am Bariton, Toni Neuhaus an der Trompete, Cello Hertner an der Gitarre, Mario Jenzer am Akkordeon und Hannes Mitteregger an der Klarinette spielen sie Oberkrainer Musik nach dem Vorbild des Slowenen Slavko Avsenik. Mit Paolo Frischknecht verbindet Toni Neuhaus eine lebenslange Freundschaft, da dessen Vater einst Dirigent der Musikgesellschaft Zeihen (MGZ) war und die jungen Musiker unterstützte und förderte.

«Wenn die Musikgesellschaft durch’s Dorf gezogen ist, bin ich als kleiner Junge hinterhergerannt», erinnert sich Toni Neuhaus, Nachzügler in einer Familie mit fünf Geschwistern. Schon von klein an übte er sich an der Trompete, sobald seine Brüder für einen Moment das Haus verliessen und ihre Instrumente zur Verfügung standen. In kleinen Gemeinden des Fricktals wie Zeihen war es in den 1950er und 1960er-Jahren unüblich, in eine Musikschule zu gehen. Das Trompetenspiel brachte sich Toni Neuhaus selber bei. «In der Musikgesellschaft Zeihen (MGZ), der ich ab zwölf Jahren angehörte, erhielt ich eine Jungbläser-Ausbildung», sagt Toni Neuhaus und schildert mit einem Schmunzeln, wie Lehrerschaft, Schulpflege und Behörden seine Auftritte jeweils mit Argusaugen beobachtet hätten. «Dr Töneli isch wieder unterwägs», habe es damals geheissen. Das heutige 1200-Seelendorf Zeihen zählte damals nur um die 700 Einwohnerinnen und Einwohner, sodass jeder über die Verhältnisse anderer Bescheid wusste. Auch die Lehrerschaft war ortsansässig.

«Musik führt zu guter Kameradschaft und Freundschaft»
«Neben der Mitgliedschaft in der MGZ und weiteren Musikgesellschaften machte ich später diverse Bläser- und Solistenkurse, die der Aargauische Musikverband im Angebot hatte», schildert Toni Neuhaus. In den 1970er-Jahren konnte er in diesem Rahmen diverse Dirigentenkurse absolvieren und Musikgesellschaften in Zeihen, Hellikon, Herznach und Tegerfelden dirigieren. Auch in der Militärmusik war er als Trompeter Mitglied.

«Vieles habe ich durch Vorbilder wie Maurice André, Beni Rehmann und weitere berühmte Trompeter erlernt», beschreibt der Zeiher, der sein Leben lang ein bis zwei Stunden pro Tag geübt hatte. Neben seiner 100-Prozent Arbeit als Energieberater verbrachte der dreifache Vater beinahe jeden Abend und viele Wochenenden als Musiker oder Dirigent. Seine besondere Begabung liegt im Spiel des ES-Kornetts, das in vielen Brass Bands der Schweiz der 1970er- und 1980er-Jahre nur mit Mühe besetzt werden konnte. Bald war er über die Aargauer Grenzen hinaus bekannt und spielte in mehreren Formationen und unter unterschiedlichen Dirigenten.

Sowohl mit Musikgesellschaften als auch anderen Formationen nahm der Zeiher an zahlreichen Wettbewerben teil. «Musik führt zu guter Kameradschaft und Freundschaft», bilanziert Toni Neuhaus. «Einerseits verbindet einen die Freude an der Musik und der Ehrgeiz, möglichst gut zu spielen. Andererseits begleitet man sich durch eine meist jahrzehntelange Mitgliedschaft durch alle Hochs und Tiefs im Leben.»


Die Bedeutung der Blasmusik im Fricktal

Die Blasmusik-Literatur geht über Originalkompositionen, Marschmusik, Evergreens, Transkriptionen der Klassischen Musik bis zu Original-Brass-Band-Stücken. Ist an klassischen Konzerten, aber auch Hochzeiten und Beerdigungen meist klassische Musik gefragt, kommt an jeglichen anderen Anlässen die ganze Palette der Volks- und Unterhaltungsmusik zum Tragen. Bis heute wird das kulturelle Leben im Fricktal von der Blasmusik geprägt. Praktisch an jedem kulturellen Anlass, vom «Geburtstags-Ständli» für Jubilarinnen und Jubilare über kirchliche Feiertage treten Bläserinnen und Bläser auf. Heute fehlt leider der Nachwuchs und Musikgesellschaften sowie Stadtmusiken bemühen sich, ihre Mitglieder zu halten und neue zu gewinnen.

Erfolg verbuchen in der jüngeren Vergangenheit Projektorchester wie beispielsweise adhoc.nw in der Nordwestschweiz. Im vergangenen Jahrzehnt ist zudem ein wachsendes Interesse an Schweizer Traditionen wie der Volksmusik (u.a. Jodeln) oder Volkssportarten (Schwingen) zu erkennen. Die Globalisierung provozierte eine Lokalisierung, sprich ein vermehrtes Interesse an lokalen Traditionen.


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