Das wahre Gesicht der SVP (-Elite)

  15.09.2020 Leserbriefe, Gipf-Oberfrick

Auf jedem SVP-Plakat ist sie abgebildet, die Schweizer Flagge. Das Signal könnte eindeutiger nicht sein: Die SVP vertritt exklusiv die Schweizerinnen und Schweizer. Da stellt sich doch die berechtigte Frage, ob das auch stimmt. Der vom Bundesparlament auf Vorschlag der SVP im Jahr 2008 zum Bundesrichter gewählte Walliser Jurist Yves Donzallaz hat sich in den letzten Jahren erfrecht, in Streitigkeiten, die dem Bundesgericht zum Entscheid vorlagen, anders zu entscheiden, als es der SVP-Elite richtig erschien. Deshalb beantragt jetzt die SVP-Fraktion im Parlament, Yves Donzallaz als Bundesrichter abzuwählen. Ein bewährter, unabhängiger Richter, der seit Jahren für seine sorgfältigen und überzeugenden Urteile in den Fachkreisen und über alle Parteigrenzen hinweg geschätzt wird, soll seinen Platz in Lausanne räumen und durch eine der SVP willfährige Person ersetzt werden. Welch dreiste Torpedierung der in der Schweiz von allen sorgsam gehüteten Unabhängigkeit der Justiz! Ein gefährlicher Angriff auf Rechtstaat und Demokratie. Ein fundamentaler Verstoss gegen die staatspolitisch unabdingbare Gewalten- teilung. Diese demokratiewidrige Aktion erscheint mir ebenso schlimm, wie wenn der Bundesrat über das Parlament hinweg grundlos Notgesetze erlässt. Dass die wählerstärkste Partei in Bundesbern derart schamlos mit einer zentralen Institution des schweizerischen Rechtstaates umspringt, darf nicht folgenlos bleiben. Kein Zweifel, die SVP-Elite kümmert sich in erster Linie um die illegitime Erweiterung ihrer Macht und offensichtlich nicht um die schweizerische Bevölkerung, die am Erhalt der demokratischen Institutionen interessiert ist, auf die alle hier lebenden Menschen (mit Ausnahme der schwerreichen Milliardäre) angewiesen sind. Yves Donzallaz in einem Interview mit zwei Journalisten von der NZZ (Ausgabe vom 9.9.2020, S.11): «… Die SVP hat mich nach unliebsamen Entscheiden in den Medien mehrfach sehr aggressiv ins Visier genommen. Das ging bis zur Forderung nach meiner Amtsenthebung … Druck wird auch in parteiinternen Sitzungen ausgeübt … Das alles zieht sich schon über mehrere Jahre hin … Es sind die SVP Schweiz und die Fraktion in der Bundesversammlung, die mich unter Druck setzen … Was ich anprangere, ist der Versuch der Partei, die Kontrolle über die unabhängige Arbeitsweise der Justiz zu übernehmen…». Mit anderen Worten: Hinter den Kulissen sägt die SVP-Elite seit Jahren zielgerichtet und mit Eifer an der Unabhängigkeit unserer höchsten Justiz. Aus meiner Sicht hat die SVP ihren Anspruch, im Rahmen des Parteienproporzes SVP-Sitze im Bundesgericht besetzen zu dürfen, mit diesem staatsgefährdenden Manöver verspielt. Zu gross ist aus meiner Sicht die Gefahr, dass die Bevölkerung das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz als staatstragender Pfeiler verliert. Wählerinnen und Wähler sollten bei zukünftigen Wahlen in die Gerichte den Kandidatinnen und Kandidaten die Gretchenfrage stellen: Seid ihr gewillt und in der Lage, als zukünftige Richter und Richterinnen unabhängig von Weisungen und Druckversuchen einer politischen Partei Urteile und Entscheide zu fällen? Schon beim geringsten Zögern gehört der Name nicht auf den Wahlzettel – und wohl gemerkt: nicht nur bei Kandidatinnen und Kandidaten der SVP – aber bei diesen ist grösste Vorsicht geboten. Dazu nochmals eine Aussage von Y. Donzallaz im oben erwähnten NZZ-Interview: «... Im Kanton Zürich liess die SVP Richterinnen und Richter eine sogenannte Ehrencharta unterzeichnen, mit der sie sich verpflichten mussten, das Parteiprogramm zu beachten…». «Honi soit qui mal y pense!»

HANS GINO SUTER, ADVOKAT I.R., GIPF-OBERFRICK


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