Fungizid-Rückstände im Trinkwasser

  06.06.2020 Herznach

In Herznach-Ueken wurde das 10-fache des Höchstwerts gemessen

Trinkwasser ist ein hohes Gut. Trotz der hohen Konzentration von Pflanzenschutzmittel-Rückständen, wie etwa bei der Wasserversorgung Herznach-Ueken festgestellt, kann gemäss Alda Breitenmoser, Leiterin des kantonalen Amtes für Verbraucherschutz, das Wasser bedenkenlos getrunken werden.

Bernadette Zaniolo

Bei Abbauprodukten von chlorothalonilhaltigen Pf lanzenschutzmitteln kann eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden, so das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Chlorothalonil ist ein Wirkstoff, der in Pf lanzenschutzmitteln seit den 1970er Jahren gegen Pilzbefall als sogenanntes Fungizid zugelassen wurde. Gemäss dem BLW wird es im Getreide-, Gemüse-, Wein- und Zierpflanzenbau eingesetzt. Im letzten Sommer geriet Chlorothalonil in den Fokus der Öffentlichkeit, da gewisse Chlorothalonil-Metaboliten (Abbauprodukte) ab einer bestimmten Konzentration möglicherweise krebserregend und genverändernd wirken könnten. Das BLW hat reagiert und den Einsatz von Chlorothalonil mit Wirkung auf den 1. Januar 2020 verboten.

Wie es in der Medienmitteilung des Departementes für Gesundheit und Soziales (DGS) des Kantons Aargau vom 28. Mai heisst, wurden erstmals im Frühjahr 2019 stichprobenartig und ab Spätsommer systematisch 249 Aargauer Trinkwasserproben auf das problematische Abbauprodukt R471888 getestet. «Davon waren 11,6 Prozent nicht konform», so das DGS. Das heisst sie lagen über dem Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter. Bei der Wasserversorgung Herznach-Ueken waren die Messungen dieses relevanten Metaboliten (vier Abbaustoffe sind von Bedeutung beziehungsweise werden als relevant eingestuft) im «grünen Bereich». Nicht so beim Schadstoff R471811. Mitte Mai hiess es in den amtlichen Mitteilungen «das R471811 übersteigt mit gemessenen Werten zwischen 0,94 und 0,67 Mikrogramm pro Liter die Höchstwerte von 0,1 Mikrogramm pro Liter». Zugleich teilen die beiden Gemeinden mit, dass die Wasserversorgung Herznach-Ueken «nicht allein mit dem Problem der Pflanzenschutzrückstände dasteht». Zahlreiche Gemeinden des Kantons und in der Schweiz seien mit derselben Ausgangslage konfrontiert. «Unsere Nachbargemeinden beispielsweise nutzen dieselben Grundwasserströme.» Es sei davon auszugehen, dass schon Jahrzehnte vor Beginn der systematischen Messungen im Herbst 2019 das Wasser Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthalten habe.

Der Höchstwert für Chlorothalonil-Abbauprodukte ist vorsorglich festgelegt. Er gilt aufgrund der Eigenschaften der Muttersubstanz (Chlorothalonil). «Er beruht jedoch nicht auf einer substanzspezifischen Bewertung der verschiedenen Abbauprodukte. Eine Höchstwertüberschreitung bedeutet deshalb nicht, dass eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung besteht. Das Wasser kann auch im Fall einer Höchstwertü bersch reitu ng weiterh i n uneingeschränkt als Trinkwasser verwendet werden. Auch für die Verwendung in Lebensmittelproduktionsbetrieben bestehen keine Einschränkungen», halten die Gemeinden Herznach und Ueken fest.

Hohe Ansprüche an das Schweizer Trinkwasser
Dies sieht auch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV so: «Konsumentinnen und Konsumenten können Trinkwasser, in welchem die Abbauprodukte von Chlorothalonil nachgewiesen wurden, weiterhin zu sich nehmen. Die Ansprüche an das Schweizer Trinkwasser sind sehr hoch. Abbauprodukte von wahrscheinlich krebserregenden Stoffen im Trinkwasser sind nicht erwünscht. Diese Stoffe dürfen langfristig nur in minimalsten Konzentrationen nachgewiesen werden.» Wasserversorger, Gemeinden und Kantone müssen dafür sorgen, nachhaltige Lösungen für die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen zu finden.

Massnahmen prüfen
Die Wasserversorgung Herznach-Ueken wird in den kommenden Monaten, in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen kantonalen Stellen, geeignete ergänzende Massnahmen prüfen und, wo sinnvoll, umsetzen. Dazu heisst es in der Weisung 2019/1 des BLV, dass eine Überschreitung des Höchstwertes für relevante Schadstoffe von Chlorothalonil im Trinkwasser von 0,1 Mikrogramm «in jedem Fall zu beanstanden ist». Und wenn die Möglichkeit besteht, Massnahmen zu ergreifen, «wie das Mischen, das Nutzen einer Quelle, welche die rechtlichen Anforderungen erfüllt oder ähnliche Massnahmen, so ist zu verfügen, dass der Höchstwert für relevante Metaboliten von Chlorothalonil von 0,1 Mikrogramm pro Liter spätestens einen Monat ab Beanstandung einzuhalten ist. Ansonsten ist zu verfügen, dass das Trinkwasser spätestens in zwei Jahren ab der Beanstandung die rechtlichen Anforderungen erfüllen muss.»

Grosse Verantwortung
«Früher hat man viel mehr Giftmittel gespritzt», sagt der Leiter der Wasserversorgung Herznach-Ueken, Lukas Schraner zur NFZ. Damit will er die Problematik aber keinesfalls herunterspielen. Er ist sich seiner Verantwortung bewusst und sagt, dass die zweite Messung bereits besser gewesen sei, als die erste. Das mit dem Mischen oder Nutzen von anderen Quellen ist jedoch nicht realistisch, da Herznach-Ueken nur über das Grundwasserpumpwerk Blackimatt verfügt und die umliegenden Gemeinden am gleichen Grundwasserstrom liegen würden. Wie die Leiterin des Amtes für Verbraucherschutz, Alda Breitenmoser, hofft auch Lukas Schraner, dass – jetzt nach dem Anwendungsverbot dieses Pf lanzenschutzproduktes – auch die relevanten Substanzen bald nicht mehr im Grundwasser vorkommen. Auf jeden Fall führt Lukas Schraner die Wasserproben jetzt monatlich durch. Gemäss Breitenmoser müssen die Wasserversorger das Trinkwasser mindestens zweimal jährlich kontrollieren. «Ein erheblicher Teil lässt die beim Amt für Verbraucherschutz überprüfen», freut sich Breitenmoser. Sie würde es begrüssen, wenn alle Gemeinden ihre Trinkwasserwerte via die Online-Plattform www.wasserqualitaet.ch öffentlich zugänglich machen würden.

Ist der Stoff mal im Grundwasser…
Laut Alda Breitenmoser «ist es nicht einfach, den problematischen Stoff herauszufiltern.», etwa mit einem Aktivkohlefilter. Sie betont: «Das Trinkwasser können wir nicht ersetzen. Es ist lebensnotwendig.» Es bestehe «ein akzeptables Risiko. In der Schweiz können wir das Trinkwasser trotzdem immer noch bedenkenlos konsumieren.»

Dennoch – wie auch aus einer vom Schweizer Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW) organisierten Videokonferenz zum Thema «Chlorothalonil-Metaboliten im Trinkwasser» von letzter Woche hervorgeht – müssen sich die Wasserversorger, die Behörden und die Politik ihrer Verantwortung bewusst sein. Ein weiterer trockener Sommer könnte die Grundwasserproblematik weiter verschärfen. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Behörden genau hinschauen sollen, wo sie Schutzzonen errichten und bei Baubewilligungen, an welchen Grundwasserströmen die Objekte vorgesehen sind.

Andreas Peter, Leiter Qualitätsüberwachung bei der Wasserversorgung Zürich, gab den Wasserversorgern den Rat: «Nichts verheimlichen – transparent kommunizieren.» An einem Tag der offenen Tür könnten beispielsweise die Zusammenhänge aufgezeigt werden. «Die Substanzen sind da, es ist ein Kreislaufsystem», so sein Schlusscredo mit dem gleichzeitigen Verweis, dass Pf lanzenschutzmittel nicht nur in der Landwirtschaft (Ackerbau) sondern auch in privaten Gärten eingesetzt würden. Zudem – wie an der Videokonferenz auch gesagt wurde – hätten die Konsumenten wohl mehr von diesen Stoffen (Chlorothalonil wird seit 50 Jahren eingesetzt) übers Gemüse und Obst aufgenommen, als übers Trinkwasser.

Wie Alda Breitenmoser gegenüber der NFZ sagte, wurde das Pflanzenschutzmittel Chlorothalonil vorwiegend in Gebieten mit Ackerbau eingesetzt. Einig ist man sich, dass die Grundwasser besser geschützt werden müssen und es kein zweites Eisberg-Phänomen wie das Chlorothalonil geben darf. Und aufgrund von wiederkehrenden Trockenperioden müsse in Sachen Grundwasser eine Regionalplanung stattfinden.


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