«Es droht eine schwere Rezession»

  28.04.2020 Wirtschaft

Interview mit Wirtschaftsprofessor Hans Gersbach

Hans Gersbach ist Wirtschaftsprofessor an der ETH Zürich. Der gebürtige Helliker beschäftigt sich intensiv mit den möglichen wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Corona-Situation.

Valentin Zumsteg

NFZ: Herr Gersbach, was bedeutet die aktuelle Krise für die Schweizer Wirtschaft?
Hans Gersbach:
Ein beträchtlicher Teil der Arbeitsplätze und Firmen ist bedroht. Es besteht die Gefahr, dass wir lange Zeit nicht wieder das Niveau wie vor der Pandemie erreichen und viele Firmen schliessen müssen. Es wird auf jeden Fall für viele Menschen in unserem Land wirtschaftliche Einbussen geben.

Gab es schon einmal eine ähnliche Situation?
Eine solche Situation habe ich noch nie erlebt. Wirtschaftlich gesehen kommt ein solcher Produktionsstopp sonst nur in Kriegszeiten vor.

Erstaunlich ist, wie schnell sich die wirtschaftlichen Perspektiven verändert haben. Hätten Sie so etwas für möglich gehalten?
Seit den Finanzkrisen 2008/2009 wissen wir, dass auch unser weit entwickeltes Wirtschaftssystem nicht gegen grosse Krisen gefeit ist. Ich habe selbst über Epidemien gearbeitet, welche die Entwicklungsländer häufig heimsuchen und man weiss seit SARS, wie gefährlich Virenepidemien werden können auch für hochentwickelte Volkswirtschaften. Natürlich weiss man nie den Zeitpunkt, wann eine solche Epidemie startet.

Droht eine Rezession oder gar eine wirtschaftliche Depression?
Es droht eine schwere Rezession. Auch wenn wir die Produktion und die Dienstleistungen langsam wieder hochfahren können, werden Absatzmärkte im Ausland lange nicht mehr auf demselben Niveau sein wie vor der Krise. Zudem sind Lieferketten unterbrochen und müssen wieder aufgebaut werden. Wir werden vermehrt Konkurse sehen. Allerdings hat die Schweiz auch gut ausgebildete und produktive Arbeitnehmer und verfügt über Erfindungsreichtum. Daher werden wir diese Krise besser meistern als andere Länder.

Zusammen mit Jan-Egbert Sturm haben Sie einen «Schweizfonds» mit 100 Milliarden Franken vorgeschlagen. Kann sich die Schweiz so etwas leisten?
Inzwischen hat der Bund auch schon insgesamt 60 Milliarden an Unterstützung zugesagt. Ein beträchtlicher Teil des Geldes des Bundes wird als Kredite vergeben, wie wir vorschlagen. Daher wird die Erhöhung der Staatsschulden viel kleiner sein als die gesprochenen Beträge. Da die Schweiz ihre Staatschulden über die letzten Jahre sehr gut reduziert hat, kann und soll sich das Land diese Unterstützung leisten, damit ein wirtschaftlicher Zusammenbruch verhindert wird. Ich denke, die Instrumente des Bundes sind die richtigen, um Arbeitsplätze, Einkommen und Firmen zu erhalten. Allerdings gibt es bei den Selbständigen Lücken. Und für Firmen, die nicht produzieren können, aber hohe Kapitalkosten wie zum Beispiel Mietkosten aufweisen, ist es sehr schwierig. Wir werden in den nächsten Wochen sehen, ob der Bund noch mehr an Unterstützung leisten will. Es braucht die Zusammenarbeit von Privatwirtschaft und öffentlicher Hand, um diese Probleme zu lösen.


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