Verkehrs-Illusionen am Hochrhein?

  30.01.2020 Leserbriefe, Gipf-Oberfrick

Während meiner 32-jährigen parlamentarischen Tätigkeit in Bern genoss die regionale Verkehrspolitik bei mir einen hohen Stellenwert. Dabei galt es aber stets zu unterscheiden zwischen dringend Notwendigem, Wünschbarem und Illusionärem, unter gebührender Berücksichtigung natürlich auch der Wirtschaftlichkeit. So hatte ich mich zweimal ganz klar gegen die Offenhaltung des Hochrheins als Schifffahrtsstrasse bis zur Aaremündung oder gar bis zum Bodensee eingesetzt. Dieses internationale Pionierprojekt aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts verdient zwar meinen historischen Respekt. Aber es ist technisch, finanzund umweltpolitisch überholt und sollte endlich auch «politisch begraben» werden. Für den Gütertransport von Basel Richtung Ostschweiz genügen Strasse und Schiene, wobei die Bahnlinie auf Schweizer Seite dem Hochrhein entlang weiterhin gute Dienste erbringt.

Ob diese Bahnlinie, die seit einem Vierteljahrhundert über Laufenburg hinaus nur mehr für den Gütertransport genutzt wird, künftig auch wieder dem Pendlerverkehr dienen soll, darüber scheiden sich derzeit die Geister. In Bundesbern ist man dagegen, in Aarau höchst skeptisch, politische Kreise im Fricktal verströmen hingegen Zuversicht. Sicher, die Reanimierung dieser Strecke für den Personenverkehr mag da und dort wünschbar sein. Wie steht es aber um deren Notwendigkeit? Dieses Kriterium scheint unerfüllbar, ansonsten man 1994 den Personenverkehr niemals eingestellt hätte. Vermögen nun neue Arbeitsplätze im Sisslerfeld, wie von den Befürwortern ins Feld geführt, diese Notwendigkeit zu generieren? Da habe ich grosse Zweifel, denn welcher Arbeiter, welche Angestellte nimmt für Kurzstrecken den Zug, wenn es per Auto doppelt so schnell geht, sie keinen Bahnhof in der Nähe haben oder gar Schichtarbeit leisten!

Verbleibt die Frage nach der Illusion. Da stehen natürlich die Kriterien von Finanzierbarkeit und Defizitübernahme im Vordergrund. Das Prinzip des ÖV, sprich öffentlicher Verkehr, kann sicher keine «heilige Kuh» sein, wenn ihn nur Wenige nutzen und zweckdienliche Infrastrukturen für den Privatverkehr bestehen. Deshalb sei an die Befürworter der Wiederöffnung der Rheintallinie für den Pendlerverkehr appelliert: Legt uns bitte zunächst mal eine Wirtschaftlichkeitsrechnung vor und sagt uns, wer für das zu erwartende hohe Defizit aufkommen soll? Dann lasst uns weiter diskutieren!

MAXIMILIAN REIMANN, EHEM. NATIONAL- UND STÄNDERAT, GIPF- OBERFRICK


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