«Ich helfe, weil es mich glücklich macht»

  30.12.2019 Kaisten, Porträt

Die 17-jährige Andrea Burkhalter aus Kaisten hilft in Gipf-Oberfrick beim Deutschunterricht für Asylsuchende. Sie macht das mit grosser Begeisterung. Es geht ihr dabei nicht nur um das Sprachverständnis, sondern vielmehr, um den Austausch zwischen den Kulturen zu fördern.

Susanne Hörth

Es ist Dienstag. Für Andrea Burkhalter ein besonderer Tag. Es ist nicht dieser eine Dienstag, sondern der Dienstag generell. «Ich freue mich die ganze Woche auf diesen Tag, vielmehr den Abend.» Die 17-jährige Kaisterin hält kurz inne, lächelt. In wenigen Stunden, genauer um 18 Uhr wird sie zusammen mit anderen Frauen und Männern im Kirchgemeindehaus in Gipf-Oberfrick Deutsch-Unterricht geben. Wobei kein Unterricht im üblichen Sinne. Die durchschnittlich 20 «Schüler» und die wenigen «Schülerinnen» sind Asylsuchende aus unterschiedlichen Herkunftsländern und damit auch mit unterschiedlichen Muttersprachen. «Manche von ihnen können schon ein wenig Deutsch», erzählt Andrea Burkhalter. Zurzeit seien es vorwiegend Menschen aus Afghanistan, dem Iran und dem Irak, die sich am Dienstagabend in Gipf-Oberfrick zum Gespräch treffen. Denn das, so die junge Kaisterin, soll es sein: Gespräche, in denen man sich austauscht, in denen die Asylsuchenden von ihren teils sehr emotionalen Geschichten erzählen. «Sie reden aber auch von Alltäglichkeiten oder von Problemen, die sie gerade beschäftigen», macht die 17-Jährige deutlich, dass hier vielmehr ein Treffpunkt und Austausch stattfindet als ein eigentlicher Sprachunterricht. Letzteres soll es auch nicht sein. Das Verstehen, Kennenlernen unserer Sprache passiert im Reden, ist Andrea überzeugt.

Reden und verstehen lernen
Die meist jungen Männer kommen in Gruppen an das Dienstagabend-Treffen. Sie haben sich in diesen Gruppen zusammengefunden, weil sie etwa die gleiche Sprache sprechen. Und hier setzt Andrea Burkhalter an: «Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass sie kommen. Wenn sie immer nur unter sich sind, ihre eigene Sprache reden, findet keine Integration statt.» Diese braucht es unbedingt, damit die Menschen fernab von ihrer Heimat auch hier in der Schweiz etwas ankommen können. «Ich freue mich sehr, wenn ich merke, dass ich sie unterstützen, ihnen helfen kann.» Jetzt zieht ein Lachen über das Gesicht der jungen Frau. Denn bei dieser, von ihr angesprochenen Integration geht es weit über die Sprache hinaus. Sie möchte den Leuten auch ein klein wenig Einblick in das Geschehen hier geben. Wen verwundert es, da zu hören, dass die junge Kaisterin ein paar der Asylsuchenden zur Eröffnung eines Adventsfensters mitgenommen hat oder mit ihnen am Kerzenziehen in Kaisten war. «Das gehört doch einfach dazu.»

Was aber bewegt eine junge Frau, ihre Freizeit mit einer solchen ehrenamtlichen Arbeit zu verbringen. Sie schüttelt den Kopf, verzieht das Gesicht: «Ich mag diesen Ausdruck nicht. Ich finde ihn nur schlimm. Ehrenamtlich hat für mich so etwas Nachsichtiges, Wohlwollendes.» Sie will den Leuten auf gleicher Augenhöhe begegnen. Sie dürfen ihr nicht einfach leidtun. Vielmehr sollen die Frauen und Männer mehr dazugehören können. Und wenn sie hierzu einen Beitrag leisten kann, sei das einfach «mega schön».

Doch zurück zur Frage, warum sie sich engagiert. «Ich habe nach etwas gesucht, was ich in meiner Freizeit gerne machen möchte.» Sie lacht: «Es hätte ja auch beispielsweise Blockflöten spielen sein können.» Musik gefällt ihr zwar, doch sie hatte etwas anderes im Sinn. Sie wollte helfen, Menschen mit Migrationshintergrund etwas Unterstützung anbieten zu können. «Mein Götti hat mir vom Deutschunterricht für Asylsuchende in Wittnau erzählt. Auch dass ich da mal reinschnuppern kann.» Das tat sie und war begeistert.

Andrea Burkhalter besucht zurzeit die Fachmittelschule in Aarau mit Schwerpunkt Soziales. Weil sie im Sommer, in der Freizeit, in Fricks Monti gearbeitet hat, ging das Projekt «Deutschunterricht» ein wenig unter, nahm dann aber vor einigen Wochen wieder Fahrt auf. In Wittnau findet mangels genügender Leute – «es kamen nur noch zwei Männer» – kein solcher Unterricht mehr statt. Durch ihren Götti wurde Andrea auf das Ehepaar Theres und Franz Küpfer in Gipf-Oberfrick aufmerksam gemacht. Die beiden bieten schon seit geraumer Zeit für Asylsuchende Deutschunterricht im Kirchgemeindehaus in Gipf-Oberfrick an. Andrea Burkhalter fühlte sich dort von den anderen «Lehrern» sofort aufgenommen und dazugehörend. Dass sie mit ihrem 17 Jahren weitaus die Jüngste ist, stört niemand. «Ich durfte den Dienstagabend auch schon anmoderieren. Das macht mich richtig stolz.» Noch stolzer macht sie, wenn sie spürt, wie sich am Dienstagabend offene Gespräche entwickeln. Wenn ihr einer der «Schüler» von einem Amtstermin erzählt oder wie sein Tag sonst so verlaufen ist. «Ich lerne ganz viel von ihnen. Von ihren Ländern, von ihren Traditionen und von ihren Kulturen. Es bewegt mich auch sehr, wenn ich höre, was sie auf ihrer Flucht erlebt haben.» Spannend sei auch, wie die Asylsuchenden die Welt betrachten würden, was sie empfinden, wenn sie hier sind. «Es ist wirklich einfach ein Begegnungsort, an dem wir über ganz viel sprechen.»

Helfen, weil es glücklich macht
«Ich helfe wirklich sehr gerne», geht die junge Frau auf eine entsprechende Frage ein. Es entspreche aber auch der in ihrer grossen Familie gelebten Hilfsbereitschaft. «Helfen ist bei uns ein grosses Thema. Es beginnt schon mit Kleinigkeiten. Etwa im Haushalt.» Im Gespräch bringt Andrea immer wieder auch die Frauen und Männer ein, die zusammen mit ihr etwas bewirken möchten. Sie ist ein Teamplayer, kann sich aber trotz ihrer jungen Jahre schon gut auch für sich selbst behaupten. Als sie noch Primarschülerin in Kaisten war, gehörte Andrea zu den Gründern des Ideenbüros an der Schule. Auch hier war einer der Gedanken, anderen mit guten Ideen weiterhelfen zu können. «Ich habe einfach Interesse an den Menschen, an ihren Geschichten und ihren Erlebnissen», macht sie deutlich, dass für sie der Weg in einen sozialen Beruf bereits heute klar ist.

Jetzt, in der Gegenwart, empfindet sie es als ihre Aufgabe, den Asylsuchenden etwas Abwechslung in den teils doch sehr grauen Alltag zu bescheren. Um diesen etwas bunter zu gestalten, hat sie einen Spielabend für die Frauen und Männer organisiert. Und auch hier wurde viel geplaudert und dazu beigetragen, nicht nur das Sprachverständnis zwischen den Kulturen zu fördern. Andrea Burkhalter sagt: «Es ist einfach mega.» Jetzt muss sie gehen, nach Gipf-Oberfrick zum Begegnungsort Deutsch-Unterricht.


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