Gehört die humanitäre Tradition der Vergangenheit an?

  21.11.2019 Leserbriefe, Effingen

Während sehr langer Zeit, selbst Jahrzehnte vor dem UNO-Beitritt im Jahre 2002, genoss die Schweiz bei der Staatengemeinschaft weltweit hohes Ansehen ob ihrer gelebten humanitären Tradition. Als Gründernation des «Roten Kreuzes» bemühte sich unser Land in schwierigen Situationen stets um die Gewährung humanitärer Hilfe. Die Bekämpfung von Kriegsnot, Leid und Elend gehört noch immer zu den anspruchsvollen, doch ehrenhaften Aufgaben unserer Aktivitäten im Ausland. Bundesrat und Parlament nahmen dieses traditionelle Engagement ernst. Die Schweiz genoss Glaubwürdigkeit, selbst bei zerstrittenen Parteien.

Wer das Verhalten unserer obersten Landesbehörde jedoch heute etwas genauer anschaut, kann – und dies nicht ohne Grund – zum Schluss kommen, dass dem konsequenten Nachleben der humanitären Schweizer Tradition heute kein so grosser Stellenwert mehr beigemessen wird. Der offizielle Besuch von Bundespräsident Ueli Maurer mit einer Finanzdelegation an einem Investorenanlass in Saudiarabien wirft grobe Schatten auf die schweizerische Politik und die langjährige humanitäre Tradition. Es ist nicht Sache der Schweiz, Herrschern mit dauernden, gröbsten Menschenrechtsverletzungen durch solche Besuche zu hofieren. Damit wird der humanitären Tradition widersprochen. Noch vor Jahresfrist musste die Welt unter Empörung vom gewaltsamen, auf «Geheiss von oben» erfolgten Mord am saudischen Publizisten Jamal Khashoggi Kenntnis nehmen. Der schreckliche Mord des politischen Gegners im Istanbuler Konsulat lässt das Regime in Riad bis heute als zwielichtig erscheinen. Die schwierige Lage von Frauen, Menschenrechtlern und Regimekritikern im ölreichen Saudi-Staat soll nicht unerwähnt bleiben.

Der Besuch von BR Maurer mit Delegation in Saudiarabien ist für die Schweiz eine Schande. Die Menschenrechte gelten bei gewissen Polit-Persönlichkeiten und Wirtschaftsvertretern unseres Landes offenbar nichts mehr. Sie ziehen es vor, auf alle Arten Geschäfte zu machen, selbst mit Partnern, an deren Händen Blut klebt, ganz nach dem Motto «wichtig ist, an Geld zu gelangen, selbst wenn es schmutzig ist». Diese neue Mentalität ist für die Schweiz kein gutes Omen und wird unserem Ansehen im Ausland mit der Zeit erheblich schaden.

STEFAN TREIER, WOHLEN (EHEMALS EFFINGEN)


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