«Eine Lokalzeitung ist vielleicht das glaubwürdigste Medium überhaupt»

  07.10.2019 Bözen

Kommunikationsberater Peter Hartmeier referiert in Bözen

Das Forum Botia steht am 17. Oktober im Zeichen von vier M: Medien, Meinungsbildung, Macht und Markt. Referent Peter Hartmeier äussert sich im Gespräch mit der NFZ bereits im Vorfeld zu den Veränderungen und Chancen im Zeitalter von quantitativer Meinungsflut und Gratismentalität.

Simone Rufli

NFZ: Peter Hartmeier, welche Medien nutzen Sie?
Peter Hartmeier:
Ich nutze Titel von klassischen Medienunternehmen: lokal, national und international, teilweise immer noch in Printausgaben, mehrheitlich aber online; dann suche ich im Netz einige verlässliche Adressen auf, die mir helfen, meine Meinung zu bilden oder meine Sichtweise von Themen zu hinterfragen.

Und welchen Medien vertrauen Sie?
Ich vertraue jenen Medien, von denen ich weiss, wer dahintersteht und wer sie verantwortet. Entsprechend sind für mich anonyme Kommentare oder Blogs, von denen ich nicht weiss, wie sie sich finanzieren, bedeutungslos. Solche Medien beeinflussen mich nicht. Ich nehme sie höchstens dann zur Kenntnis, wenn ich mich über «organisierte Meinungsmache» informieren will.

Sie referieren am 17. Oktober am Forum Botia in Bözen über «Medien, Meinungsbildung, Macht und Markt». Fangen wir bei den Medien an: klassische Medien verlieren durch Zusammenschlüsse und Mantelredaktionen an Vielfalt, gewinnen durch die grössere Verbreitung aber auch an Gewicht. Wie kann man die Meinungsvielfalt unter diesen Umständen erhalten?
Die quantitative Meinungsvielfalt ist viel grösser als früher, als nur gedruckte Zeitungen und Zeitschriften existierten. Heute können sich Einzelpersonen, Unternehmen, Organisationen und Parteien direkt zu Wort melden und ihre Sicht der Dinge darlegen. Das können professionell gemachte Homepages von Unternehmen, NGOs und Parteien sein, eigene Talkshows wie «Blocher TV» oder von Firmen bezahlte «Influencer», die irgendwelche Modelabels, Autofirmen und Reiseanbieter hochleben lassen. Entsprechend wichtig sind Medien mit professionellen, unabhängigen Redaktionen, die berichten, einordnen, hinterfragen und die Proportionen darzustellen versuchen – also unvoreingenommen recherchieren. Dafür besteht ein Lesermarkt mit entsprechendem Interesse. Allerdings haben wir das noch nicht gelöste Problem, wie wir diese Mediennutzer in hoher Zahl dazu bringen, Journalismus als ein Produkt zu betrachten, für das man zahlen muss. In dieser Übergangsphase sind wir.

Die Meinungsbildung an sich hat sich stark verändert. Die Leute holen sich ihre Grundlagen für die Meinungsbildung jederzeit selber über ganz unterschiedliche Kanäle. Traditionell war es die Aufgabe der Journalisten,  Infor-mationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und einzuordnen. Jetzt macht das jeder für sich …
Ja, das ist richtig! Es gibt bei einem Teil der Medienkonsumenten die starke Tendenz, sich nur noch mit jenen Fakten und Meinungen zu beschäftigen, die das eigene Weltbild bestätigen, statt sich herausfordern zu lassen und sich immer wieder kritisch zu überprüfen. Ein gebildeter Bürger muss aber geradezu Lust empfinden, sich mit überraschenden neuen Fakten und gegenteiligen Meinungen zu befassen — immer vorausgesetzt, man kennt den Absender und die Quelle.

Junge Leute wollen möglichst schnell und unkompliziert informiert sein. Haben die klassischen Medien überhaupt noch eine Chance bei den Jungen?
Ja, das glaube ich – weil auch junge Leute kritisch und misstrauisch sind und nicht manipuliert werden wollen. Das Problem ist vielmehr, die jungen Leute zu überzeugen, Medien nicht als gratis zu betrachten: Guter Journalismus, der mir hilft die Welt zu verstehen, kostet Geld.

Gerade junge Menschen nutzen die sozialen Medien intensiv. Indem sie Informationen mit zweifelhaftem Ursprung weiterverbreiten, werden sie selber zu Meinungsmachern. Sehen Sie darin eine Gefahr?
Nein! In einer freien Gesellschaft hat jeder das Recht, zu einem «Meinungsmacher» zu werden: der Dumme genauso wie der Gescheite, der gekaufte Influencer genauso wie der unabhängige Leitartikler. Freiheit ist eben anstrengend und setzt Denken und Urteilsvermögen voraus. Die meisten Menschen wissen das. Es gibt keinen Grund anzunehmen, die Menschen würden dümmer.

Fake News werden heute von den Mächtigen der Welt zum Teil ganz gezielt verbreitet. Sie sind ein Instrument der Einflussnahme und Macht geworden. Ein Problem, mit dem regionale Medien kaum konfrontiert sind, weil man sich zum Beispiel im Fricktal noch kennt und die Fakten überprüfen kann. Sehen Sie das auch so?
Ich sehe das genauso! Eine Lokalzeitung, print oder online spielt keine Rolle, ist deshalb das vielleicht glaubwürdigste Medium überhaupt: Die Leserinnen und Leser schauen ihren Lokalzeitungsmachern auf die Finger.

Schwierig wird es, wenn Medien so manipuliert werden, dass sie die Einflussnahme selber nicht erkennen oder nicht erkennen können...
Das ist richtig. Und da steckt auch eine Gefahr dahinter. Wir müssen die Menschen zu kritischem Denken erziehen und Kenntnisse über die Mediengesellschaft vermitteln.

Versuche von Einflussnahme oder gar Kontrolle über Medien gab es doch schon immer. Bei politischen Umstürzen ist die Kontrolle über die Medien entscheidend. Es war also immer schon so, dass wer Medien für seine Zwecke einspannen konnte, sich Macht verschafft. Was ist heute anders?
Heute kann eine einzelne Persönlichkeit mit einem einzigen Satz weltweit Einfluss erzielen und Emotionen auslösen, direkt und unkontrolliert. Präsident Trump ist ein solches Beispiel. Wir müssen lernen, mit solchen Phänomenen umzugehen. Die jüngere Generation, die damit aufwächst, lernt dies leichter als die Älteren, für welche die Medienwelt lange Zeit aus den Radio-Nachrichten um 12.30 Uhr, der Tagesschau um 19.30 Uhr und der Tageszeitung bestand.

Anders ist auch die Situation auf dem Medienmarkt. Wie wird der in Zukunft aussehen?
Wir werden eine Fülle neuer Anbieter haben – und ein kritisches Publikum, das damit umzugehen weiss. Wie wir mit Journalismus Geld verdienen, wie wir die betriebswirtschaftliche Unabhängigkeit garantieren, steht allerdings noch nicht fest. Wir sind in einer spannenden Umbruchphase.


Peter Hartmeier berät Michael Lauber

Wie diverse Schweizer Medien berichteten, nahm Bundesanwalt Michael Lauber die Dienste einer Kommunikationsagentur in Anspruch, um das Szenario seiner Abwahl abzuwenden. Dabei handelt es sich um die Agentur Lemongrass, bei der auch Peter Hartmeier, ehemaliger UBS-Sprecher und Ex-Chefredaktor des «Tages-Anzeigers», als PR-Berater tätig ist. Gemäss den Berichten liess sich Lauber von Peter Hartmeier beraten. Laut «NZZ am Sonntag» unterstützte die Agentur Lauber persönlich, «insbesondere mit der externen Beobachtung der Resonanz zu seiner Person und einer Einschätzung der diesbezüglichen Lage». Lauber übernehme die Kosten für diese Dienstleistung privat, hiess es weiter. Am 25. September wurde Bundesanwalt Lauber von der Vereinigten Bundesversammlung wiedergewählt. (sir) 


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