«Weltoffenheit und Heimatliebe sind keine Gegensätze»

  23.08.2019 Politik

Michael Derrer will KMU und Gewerbe stärken. Der 51-jährige Unternehmer, Dozent und Bezirksrichter aus Rheinfelden kandidiert für die Grünliberalen.

Valentin Zumsteg

NFZ: Herr Derrer, wieso kandidieren Sie für den Nationalrat?
Michael Derrer:
Ich bin es leid, immer dieselben Parolen zu hören – die wirtschaftsliberalen, die linken und die rechten. Politik wird heute mit vorgeformten Argumenten betrieben. Eine ergebnisoffene Diskussion setzt eine persönliche Auseinandersetzung mit der Materie voraus und kann Meinungen verändern. Unkonventionelles Vorgehen hält Lösungen bereit.

Wie wollen Sie sich für die Region einsetzen?
Ich will KMU und Gewerbe stärken. Heute machen Lädeli und Beizen zu, die Substanz unserer Wirtschaftsstruktur wird ausgedünnt. Warum werden Gipfeli in Polen hergestellt und vorgebacken? Internationale Ketten und Unternehmensgiganten haben unfaire Vorteile, zum Beispiel zahlen sie durch «Optimierung» weniger Steuern. Nachhaltige Entwicklung ist anders.

Was halten Sie vom Rahmenabkommen Schweiz – EU?
Viele unserer drängendsten Probleme müssen heute auf europäischer Ebene gelöst werden. Ich unterstütze das vom Bundesrat ausgehandelte Rahmenabkommen. Die Befürchtungen hinsichtlich Aufweichung des Lohnschutzes nehme ich ernst – aber es gibt dafür geeignete Massnahmen. Durch die Gegner von rechts werden hingegen skrupellos Unwahrheiten zum Abkommen verbreitet.

Braucht die Schweiz neue Kampfjets?
Unsere Sicherheit zu gewährleisten, ist eine Hauptaufgabe des Staates. Doch woher kommt die Bedrohung heute? Ich sehe sie im Bereich Datensicherheit und Wirtschaftsspionage – der Bund muss genügend investieren, damit unser Nachrichtendienst auf der Höhe seiner Gegenspieler der grossen Länder ist. Auch gegen Terrorismus hilft kein Kampfjet.

Der menschengemachte Klimawandel ist ein viel diskutiertes Thema. Sollen das Autofahren und das Fliegen teurer werden?
Das Hauptproblem sind die unsinnigen Transportwege unserer Waren. Schweizer Milch wird für das Abschöpfen des Rahms nach Italien gefahren. Danach wird der Rahm nach Belgien gekarrt, um ihn in Kapseln abzufüllen, die in der Schweiz verkauft werden. Kein Wunder haben wir Staus, verspätete Züge und ein Klimaproblem. Hier müssen wir ansetzen.

Sind Sie für eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters?
Ich arbeite gerne und werde nach Erreichen des Pensionsalters weiterarbeiten wollen – vielleicht in reduziertem Umfang. Wenn jemand schwer körperlich arbeitet, ist die Situation anders. Die Reduktion der Arbeitstätigkeit im Alter sollte daher flexibel erfolgen. Die Erhöhung des Rentenalters ist Teil des demografischen Wandels und nichts Negatives.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Ich bin dabei, ein Buch zu schreiben, in dem ich Vorschläge zur Verbesserung unserer Marktwirtschaft untersuche – dafür lese ich viele Fachbücher. Als Gerichtsdolmetscher muss ich fremdsprachige Bücher lesen, um die Sprache flüssig zu halten – letzthin italienische Kriminalromane. Auf dem Tisch liegt Dostojewskis Преступление и наказание (Verbrechen und Strafe) bereit.

Zum Schluss: Was wollten Sie den Fricktalern schon immer mal sagen?
Sorgen wir dafür, dass uns die hohe Lebensqualität, die wir heute im Fricktal haben, und unsere lokale Identität nicht abhandenkommen. Dafür sollte die lokale Wirtschaft gestärkt und aktiv gestaltet werden – meine Idee einer Fricktaler Lokalwährung ist dafür nur ein möglicher Ansatz. Und: Weltoffenheit und Heimatliebe sind keine Gegensätze.


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