«Die Farbenzucht ist mein Hobby»

  14.07.2019 Kaisten

Stefan Winter aus Kaisten züchtet seltenfarbige Angorakaninchen

Nur circa zwanzig Züchter von Angorakaninchen gibt es in der ganzen Schweiz. Stefan Winter aus Kaisten ist einer davon. Letztes Jahr wurde er schweizerischer Angora-Kollektions-Sieger.

Birke Luu

Stefan Winter, 70, hat derzeit ungefähr 60 Angorakaninchen, dazu fünf Schafe und elf Ponys. Er wohnt, wen wunderts, in einem alten, aber renovierten Bauernhaus mit einigem Umschwung. Es ist sein Elternhaus, in dem er mit fünf Schwestern und vielen verschiedenen Tieren – darunter Fasanen, Enten, Hühnern und Papageien – aufwuchs. Kaninchen hatte er als Bub auch, aber die Geschichte mit den Angorakaninchen begann erst vor rund 40 Jahren: «Da meine Truthühner immer über den Zaun zum Nachbarn ausbüchsten, wollte ich sie abgeben. Ein Geflügelzüchter-Kollege bekam dies mit und bot mir einen Tausch an: meine Truthühner gegen seine vier weissen Angorakaninchen.»

Ganz natürlich Färben
Dies war der Startschuss. Stefan Winter begann sich zu informieren, besuchte Kurse. Er fand heraus, dass es damals in der Schweiz nur rund 20 farbige Tiere gab und war fortan ‹angefressen› davon, Angorakaninchen in verschiedenen seltenen Farben zu züchten. «Die Farbenzucht ist mein Hobby geworden, denn so bekommt man farbige Wolle ganz ohne Einfärben und Chemie», erklärt begeistert der rüstige Rentner, der früher bei verschiedenen Pharmafirmen gearbeitet hat. Zur Information für alle Nicht-Spezialisten: Das Angorakaninchen ist eine besonders langhaarige Kaninchenrasse und hauptsächlich weiss. Aus den weichen Haaren des Fells kann die besonders feine Angorawolle hergestellt werden. Vor rund 600 Jahren seien diese langhaarigen Tiere in der Stadt Angora, dem heutigen Ankara, aufgetaucht, wo sie ihren Namen herhätten, erzählt Stefan Winter. Nach vier Jahrzehnten privater Zucht und fast ebensovielen Jahren im Kaninchen- und Geflügelzuchtverein Kaisten kann er aus einem umfassenden Wissensfundus schöpfen und tut dies auch gerne. Er weist darauf hin, dass Angorakaninchen «null Überlebenschancen in der freien Natur haben», da sie mit ihren langen Haaren bei der Flucht vor Fressfeinden im Gebüsch hängenbleiben und dann getötet würden. «Sie konnten immer nur durch uns Menschen überleben – sie freilassen geht also nicht.» Durch die jahrhundertelange Züchtung hätten sich ruhige, sehr zutrauliche Tiere durchgesetzt, die deutlich geringeren Auslauf bräuchten, als andere Rassen. Dies komme auch ihren langen Haaren zugute, die ansonsten total verfilzen würden – und Filzen, das macht Stefan Winter lieber selbst.

Spinnen, filzen, stricken
Denn die Farbenzucht ist kein Selbstzweck, sondern Grundlage für die Herstellung verschiedenster Dinge aus der besonders weichen Angorawolle. Die Tiere werden dafür von ihm zweibis dreimal pro Jahr «gezupft», das heisst die ständig nachwachsende Wolle wird gewonnen und kann dann gleich zu einem langen Faden gesponnen werden. Dies macht der Kaistener seit vielen Jahren selbst und demonstriert dies an seinem Spinnrad. Wird er da als Mann nicht belächelt? Er lacht und erzählt, dass sich seine zwei Töchter früher oft einen Spass daraus gemacht hätten, Anrufern am Telefon auszurichten: «Ja, Vater ist da, aber er ist in der Küche und spinnt.» Der Spinnende nimmt das Wortspiel mit Humor und ergänzt, dass diese Tätigkeit ein guter Zeitvertreib bei Regenwetter sei. Fünf Stunden Arbeit seien allerdings für einen kleinen 50 Gramm-Wollknäuel nötig, die Arbeit also das Teuerste an der gewonnenen Angorawolle. Und damit sind wir dann beim Filzen, denn der vielseitig Talentierte kennt sich auch damit aus, stellt Verschiedenstes zum Spass oder auf Auftrag her – von Krippenfiguren über gefilzte Gilets bis hin zu haltbaren Filzhüten. Nur das Stricken überlasse er seiner Frau, grinst er und erklärt: «Ich mag es, wenn Währschaftes wie Kleidung aus der Wolle entsteht, so zum Beispiel die praktischen Spezialpulswärmer für Hündeler, die meine Frau macht.»

Obwohl Stefan Winter auch die Wolle seiner Schafe zur Verfügung steht, schwärmt er vor allem über das Angoramaterial. «Angorawolle ist ein Phänomen! Sie ist feiner, kühlt die Haut bei Wärme, isoliert und ist nicht so Allergien auslösend wie anderes Tierhaar. Zudem ist sie gut für sensible Haut, da sie erstens durch ihre Eigenfarbe kein chemisches Färben benötigt und da sie zweitens, wenn sie gezupft wurde, nicht auf der Haut kratzt.» Nur die Schnittflächen der geschorenen Wolle würden nämlich dieses unangenehme Gefühl erzeugen, weiss er.

Farbige Zuchterfolge
Für die Weiterverarbeitung kann er aufgrund seiner Zuchterfolge bereits neun verschiedene Farben mit so exotisch klingenden Namen wie Siam, Madagaskar, Chinchilla oder Gold anbieten. Momentan ist er sogar der einzige Züchter, der chinchilla-graumelierte Angorahasen besitzt. Alle Farbschläge hat er selbst in jahrelanger Arbeit herausgezüchtet. Dafür brauchte es eine Portion Zufall, wie er lächelnd zugibt, aber natürlich auch Durchhaltewillen, ein gutes Auge fürs Auslesen und Kreuzen der einzelnen Tiere sowie viel Hintergrundwissen. Ach, und den Überblick über all seine «Chüngel» und ihre Eigenschaften müsse man auch behalten können. Das Spannende am Züchten, resumiert Stefan Winter, sei für ihn, sein gesetztes Farbziel zu erreichen, also den neuen Farbentyp über mehrere Zuchtgenerationen letztendlich zur Perfektion zu bringen. Für chinchilla habe er drei Jahre gebraucht, andere Farbenschläge dauerten noch länger. Sein Problem sei dabei, dass er seine Tiere wegen der extrem kleinen Angorakaninchen-Züchtergemeinde oft nicht mit genetisch blutfremden Tieren kreuzen könne. «Dabei ist die Kleintierzucht eine tolle Aufgabe, man bleibt auch im Alter fit und kommt ganz ohne Fitnesscenter aus», wirbt er um neue Züchter. Sein nächstes Ziel sind nun havanna-farbene Angorakaninchen (übersetzt: rostrotbraune) oder blaue, die durch eine Mischung aus weissen und schwarzen entstehen. An Zielen fehlt es ihm sicher nicht, jedoch an Züchterkollegen, die mit ihm am selben Strang ziehen. Um Interesse zu wecken, geht Stefan Winter jedes Jahr auf eine vom Angora-Verband organisierte Ausstellung. Wer weiss, vielleicht hat er damit bald Erfolg, ansonsten kann er in einigen Jahren sein Wissen und seine Begeisterung an seine Grosskinder weitergeben.


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