Unwirtliches Oberzeihen – Rund um Pfingsten 2019

  14.06.2019 Leserbriefe

Oberzeihen hat gemäss «Inventar der Ortbilder von nationaler Bedeutung» ein national bedeutendes Ortsbild. Die Auflagen in der Bauordnung Zeihen zeugen davon, dass beim Gemeindeversammlungsbeschluss ein politischer Wille bestand, das Ortsbild zu erhalten. Und heute? Jedermann, der sich nach Oberzeihen verirrt, kann sich selber von zerfallenden Gebäude-Ruinen, von verwilderten Gärten und einer Unmenge von Autos mit unterschiedlichen Fahrtüchtigkeiten überzeugen. Der Zerfall und individuelle Nutzungen folgen mehr dem Zufall als einer vernünftigen Entwicklung. Riesige Traktoren, eigentliche technische Wunderwerke, fahren über weite Strecken und transportieren enorme Mengen von «Naturdünger». Dieser wird immer öfter und reichlicher in der Landschaft verteilt. Es ist zeitweise sehr unangenehm, wenn es tagelang penetrant nach Gülle stinkt. Die Stickstoffverbindungen in der Luft düngen Landschaften, Wälder und Gewässer. Zeihen musste kürzlich Wasserfassungen stilllegen, weil das Trinkwasser nach Gülle stank. Laut Gemeinde ist das kein Problem, weil wir via Bözbergtunnel genügend Wasser aus dem Aaretal beziehen können. Das Güllewasser aus den Wasserfassungen wurde einfach in die Bäche geleitet, dorthin wo die überschüssige Gülle ja sowieso fliesst: Hat hier nicht jemand versagt? Es wurden doch Grundwasserschutzzonen rechtskräftig ausgeschieden, damit keine Verschmutzungen des Trinkwassers erfolgen. Wurden die Zonen zu klein festgelegt, oder Vorschriften nicht eingehalten? Der Gemeinderat schweigt sich darüber aus. Und jetzt wäscht der Regen den Boden wieder sauber. Nach dem Güllegestank vor Pfingsten beglückte der Schützenbund Zeihen mit dem 14. Eichwaldschiessen auf dem Gelände des Militärschiessplatzes die Bewohner von Oberzeihen. Weshalb dafür Schiesszeiten von 8 bis 12 und 13.30 bis 17 Uhr (Pfingstsamstag, Pfingstmontag) und von 8 bis 13 Uhr (Samstag, 15. Juni) nötig sind, ist mir schleierhaft. Das Schiessen könnte doch bestimmt konzentriert werden. Die restliche Zeit stünde für die vereinsüblichen Festivitäten ungeschmälert zur Verfügung. Endlich ist Pfingstsonntag und fast friedliche Ruhe. Sogar die Landwirte verzichten auf die üblichen «dringenden Erntearbeiten». Ich geniesse etwas den Garten, bis es dermassen nach verbranntem Plastik stinkt, dass ich es nicht mehr aushalte. Jetzt bekomme ich nach den Gratisnährstoffen, dem regelmässigen Feinstaub aus alten Maschinen, auch noch das Gift aus ungefiltertem Feuerrauch in Lunge und Garten geliefert. Möge der Kaminfeger nachträglich diese Sauerei feststellen und ahnden. Am letzten Dienstag, morgens um 4 Uhr, hörte ich vor dem Haus in Oberzeihen den unverkennbaren Schlag einer Wachtel. Dass die Wachtel ständig «fürchte Gott, fürchte Gott» singt, betrachte ich als Zufall der Evolution. Der Gesang hat nichts mit den oft zitierten Werten unserer heimatlichen Gesellschaft zu tun. Manchmal könnten wir allerdings davon ein wenig mehr gebrauchen.

HEINER KELLER, OBERZEIHEN


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