Einsprachen gegen Sondierbohrung abgewiesen

  15.02.2019 Effingen

«Dicke Post» für die Gemeinde Effingen. Ihr wurde mitgeteilt, dass die Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) vom UVEK die Bewilligung für eine Sondierbohrung am Standort Effingen erhalten hat. Damit wurden vom UVEK sämtliche 26 Einsprachen, inklusive jener der Gemeinde Effingen, abgewiesen.

Bernadette Zaniolo

Der Gemeinderat Effingen wurde kürzlich darüber informiert, dass das UVEK der Nagra die Bewilligung für Sondierbohrungen in der Gemeinde Effingen erteilte. Damit wurden alle 26 Einsprachen, inklusive jener der Gemeinde Effingen, abgewiesen. Die 108-seitige Verfügung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) liegt auf der Gemeinde Effingen vor und kann (in anonymisierter Form) auf der Kanzlei von Interessierten eingesehen werden. Alle Einsprecher haben die Möglichkeit, das Verfahren binnen 30 Tagen an das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen weiterzuziehen.

Die Gemeinde macht keine weitere Beschwerde
Der Gemeinderat von Effingen ist an seiner letzten Sitzung vom 5. Februar jedoch zum Schluss gekommen, dass er den Fall gerichtlich «nicht» weiterziehen wird. «Nach eingehender Diskussion der vorliegenden Verfügung sind wir der Meinung, dass die Aussichten auf Erfolg einer erneuten Einsprache sehr gering sind und die zu erwartenden Kosten für die Gemeinde unverhältnismässig hoch wären», heisst es in der neusten Ausgabe der Gemeindeinfos (Gelbes Blatt) von Effingen.

Weiter: «Der Gemeinderat hätte es vorgezogen, wenn statt im Chrumbacher hinter dem Bahnhof gebohrt worden wäre. Zumal weil dort weniger Leute wohnen und auch die verkehrstechnische Erschliessung einfacher gewesen wäre.» Das UVEK kommt aber, in Übereinstimmung mit dem Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) zum Schluss, dass der Standort Effingen 1 (Chrumbacher) geologisch und messtechnisch besser geeignet ist. «Der Gemeinderat schätzt es als sehr schwierig bis unmöglich ein, diese von diversen Fachleuten bestätigte Standortwahl, erneut in Frage zu stellen.»

Vorbehalte und Auflagen wurden in der Bewilligung berücksichtigt
Das UVEK habe jedoch in seiner Verfügung (gleich Baubewilligung) diverse Vorbehalte der Einsprechenden und der involvierten Bundesämter berücksichtigt und sein Gesuch dementsprechend überarbeitet. Am 5. Februar kam es zu einer ersten Aussprache des Gemeinderates Effingen und Vertretern der Nagra, «an welcher für unsere Gemeinde kritische Punkte besprochen wurden», so der Gemeinderat. Dies sind insbesondere die schon in der Einsprache durch die Gemeinde vorgebrachten Bedenken: Schutz der Bevölkerung vor Immissionen durch Licht und Lärm sowie Verkehrssicherheit und Immissionen auf der Zufahrtstrasse. «Wir sind bei der Nagra mit unseren Anliegen auf viel Verständnis gestossen und zuversichtlich, dass die Bauleitung eine für alle tragbare Lösung umsetzen wird.»

Die Bewilligung ist zehn Jahre gültig. Die maximale Dauer der Baustelle darf fünf Jahre betragen. Die Bauleitung der Nagra hat dem Gemeinderat jedoch die Zusicherung gemacht: Dass die Bohrungen frühestens anfangs Dezember 2019 beginnen (wenn keiner der Einsprechenden den Fall weiterzieht!) und nach Beendigung der bereits begonnenen Bohrung in Bülach. Die Installation der Baumaschinen und der Bauhütten erfolgt ungefähr ab Juli 2019 durch die Firma Erne AG, Laufenburg. Geplant sind 180 Tage (ohne grössere Störfälle) pro Bohrung. Die Bohrstelle wird mit Wasser in grösseren Tiefen mit einer Polysaccharidlösung (zuckerhaltige Stoffe) gespült. «Für die Umwelt besteht keine unmittelbare Gefahr», heisst es im Schreiben. Die landwirtschaftliche Fläche wird nach dem Rückbau des Bohrplatzes wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt.

50 Lastwagen pro Woche
Die Nagra hat von der Firma Steinmann Ingenieure ein detailliertes Verkehrskonzept ausarbeiten lassen, welches mit dem Gemeinderat ebenfalls besprochen wurde. Darin heisst es unter anderem: «Für die Baustelleninstallation (insbesondere der Bohrmaschine) kommen zirka fünf Schwertransporte über die Dorfstrasse via Glocke, dies zur Umfahrung der zu wenig belastbaren Bachbrücke.». Bewilligt wurden auch 50 Lastwagenfahrten pro Woche. Nachts und sonntags sind «unumgängliche Fahrten» erlaubt. «Die Nagra erlässt eine zwingende Auflage an die beteiligten Baufirmen, dass keine Lastwagenfahrten zu Zeiten von Schulbeginn und Schulschluss, wenn viele Kinder auf der Strasse sind, gemacht werden», heisst es im «Spezial Nagra» von Effingen. Die Nagra werde dafür besorgt sein, dass möglichst wenig Fahrten gemacht würden und Carsharing und eventuell ein Shuttle für Teammitglieder eingerichtet werden. «Dies auch, weil auf dem Bohrplatz gar nicht genügend Parkplätze zur Verfügung stehen.»

Licht- und Lärmimmissionen
Der Wanderweg oberhalb des Chrumbacher bleibt bestehen. Der Wanderweg Richtung Brugg auf der Kästhalstrasse wird für die Dauer der Bauarbeiten über das Quartier Rüch umgeleitet.
Die Nagra hat vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) die Auflage erhalten, dass das Nachtlicht auf das Nötigste beschränkt wird und seitlich und gegen oben keine Abstrahlung entstehen darf. Der Lärm darf beim nächststehenden Wohnhaus nachts maximal 45 dB betragen. «Dieser Wert soll ein Schlafen mit offenem Fenster ermöglichen. Die Lärmemissionen werden während der Bauzeit laufend überwacht.»

Der Gemeinderat Effingen ist sich bewusst, dass eine solche Baustelle manche Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Nebst Dreck, Staub, Lärm- und Lichtverschmutzung und erhöhtem Verkehrsaufkommen «wird auch unsere geschützte Juraparklandschaft vorübergehend verschandelt». Er bittet die Bevölkerung jedoch um Verständnis. «Es handelt sich nur um eine temporäre Beeinträchtigung unserer Lebensqualität.»

Zudem ist zu befürchten, dass ein Reputationsschaden entsteht im Zusammenhang mit allgemeinen Ängsten und Vorbehalten gegen ein atomares Tiefenlager. «Die Verfügung des UVEK stellt diesbezüglich unmissverständlich klar, dass mit der Bewilligung für Sondierbohrungen diese grundsätzlichen Vorbehalte gegen ein Tiefenlager nicht zur Diskussion stehen. Der Gemeinderat hat immerhin die Hoffnung, dass die Sondierbohrung negative Resultate liefert und uns letztlich den Bau des Tiefenlagers erspart».

Unregelmässigkeiten melden
Der Gemeinderat von Effingen verzichtet zwar auf weitere rechtliche Schritte. Er wird aber dafür besorgt sein, dass die in der Bewilligung vereinbarten Auflagen und das nachgereichte Verkehrskonzept eingehalten werden und hofft, dass die negativen Auswirkungen für die Einwohnerschaft so in einem erträglichen Mass gehalten werden können. Er ruft die Bevölkerung dazu auf, wenn Unregelmässigkeiten festgestellt werden, welche nicht dem Baugesuch entsprechen, zuerst die Hotline der Nagra zu nutzen. «Falls Sie bei der Nagra zu wenig Gehör finden, wenden Sie sich in zweiter Linie an den Gemeinderat, beziehungsweise die Gemeindekanzlei.»


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