«Das Schulheim ist wie eine grosse Familie»

  21.11.2018 Effingen

Marianne Schär ist seit 30 Jahren Hauswirtschafterin in Effingen

Koordinieren, reinigen, zuhören, waschen, Halt geben und flexibel sein. Für Marianne Schär aus Hornussen gehört das alles und einiges mehr zu ihren Aufgaben als Leiterin Hauswirtschaft im Schulheim Effingen.

Simone Rufli

Marianne Schär erinnert sich noch gut an ihren ersten Arbeitstag im Schulheim. «Ich musste bei den Erdbeeren jäten und spürte am Abend meinen Rücken ziemlich intensiv.» Sie lacht, kehrt in Gedanken weit zurück zum 1. Mai 1988. Lange ist es her. Schär lächelt. «Manche Kinder können es kaum glauben, dass Frau Schär schon seit 30 Jahren hier arbeitet.» Und doch ist es wahr. Und noch viel wichtiger: Frau Schär hat ihren Entscheid bis heute nicht bereut, freut sich jeden Tag aufs Neue auf den Wechsel zwischen Routine und Unvorhergesehenem. Schätzt die Balance zwischen Tätigkeiten, die sie für sich alleine verrichten kann und den Herausforderungen im Umgang mit den Bewohnern des Heimes.

Eine Ausbildung in Hauswirtschaft hat die 50-Jährige nicht. «Ich habe Coiffeuse gelernt», erzählt sie und lacht herzlich. Sie habe die Lehre abgeschlossen und sich Gedanken über den weiteren Berufsweg gemacht, «als ich in einem Zeitungsinserat las, dass im Schulheim Effingen jemand im Bereich Hauswirtschaft gesucht wird. Waschen, bügeln, flicken, Gartenarbeit, Umgang mit Kindern – das sagte mir auf Anhieb zu.» An einer Bewerbung gehindert hat sie schliesslich der Gedanke an die drei Jahre Ausbildung. «Wenn ich jetzt wechsle, bin ich als Coiffeuse weg vom Fenster», habe sie sich gedacht und eine vernunftmässige Entscheidung getroffen. Und so arbeitete sie nach der Lehre in Frick zuerst in Brugg und später in Eiken in einem Salon. Doch das Leben als Coiffeuse sollte nicht von Dauer sein. Ziemlich genau ein Jahr nach dem ersten Inserat las Marianne Schär das gleiche Inserat noch einmal in der Zeitung. «Da musste ich nicht mehr überlegen. Ich bewarb mich und bekam die Stelle.» Zugute gekommen sei ihr, dass sie zu Hause in Hornussen mit einem grossen Garten, mit zwei Säuen, einer Kuh, Rindli, vielen Kirschen und Obst aufgewachsen sei und im Haushalt und auch draussen immer habe mithelfen müssen. «Im Nachhinein bin ich meinen Eltern dafür dankbar – auch wenn es mir als Kind nicht immer gefallen hat, dass ich helfen musste.»

«Es ist wie in einer grossen Familie»
Unterstützt vom Hauswirtschafter-Ehepaar Jordi, beide damals bereits viele Jahre tätig im Schulheim, von der Heimleitung – Hans und Brigitte Röthlisberger übernahmen die Heimleitung anno 1991 – und den Sozialpädagogen in den Wohngruppen, erarbeitete sich Marianne Schär nach und nach all die Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie bis heute zur Bewältigung ihres Tageswerkes benötigt. Als im Schulheim ein struktureller Wechsel anstand, war es denn auch gar keine Frage, wer die Leitung Hauswirtschaft übernehmen könnte.

Zu Schärs Aufgaben gehören aber nicht nur hauswirtschaftliche Belange. Im Schulheim gehört der tägliche Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen für alle mit dazu. «Es ist wie in einer grossen Familie. Zu mir kommen auch immer wieder Buben, die eine Auszeit vom Schulunterricht brauchen. Dann müssen sie mir zum Beispiel helfen, Wäsche zusammenzulegen oder Kleidungsstücke zu «nämelen». Kleine Kinder bekommen Küchentüchli zum Glätten. Manchmal geniessen die Kinder die Auszeit und den Umstand, dass sie Frau Schär ganz alleine für sich haben», das spüre sie genau. Manchmal rebellieren die Jungen auch. Manchmal muss Frau Schär aus der Arbeit ein Spiel machen und manchmal helfen nur noch räumliche Distanz – oder wenn es gar nicht anders geht – Strafen. «Ja, auch das», sagt sie beim Stichwort Distanz. «Ich musste lernen mich abzugrenzen. Nicht zu viel von mir preiszugeben und doch ein gewisses Mass an Nähe zuzulassen. Ein offenes Ohr zu haben und Verständnis aufzubringen und trotzdem meine Linie als Autoritätsperson durchzuziehen.» Marianne Schär hält inne, überlegt kurz und stellt dann sichtlich zufrieden fest: «Es sind die täglichen Abwechslungen und die vielen Veränderungen im Verlauf der letzten 30 Jahre, die meine Arbeit so attraktiv machen. Ich kenne den Betrieb schon so lange, dass ich überall einsetzbar bin.»

«Man muss sehr flexibel sein in diesem Beruf»
1988 als Marianne Schär im Schulheim anfing, war das Schulheim selbstversorgend. In Absprache mit der Küche hat sich Schär damals um den grossen Garten gekümmert. Auch in der Tierhaltung packte sie mit an. «Einmal im Monat war ich an einem Wochenende eingeteilt zum Ställe ausmisten und Tiere füttern.» Der Garten wurde über die Jahre kleiner je grösser das Schulheim wurde. Heute nehmen Gruppen-Wohnhäuser und das neue Schulhaus viel von dem Platz ein. Zusammen mit drei weiteren Personen in Teilzeit-Arbeit bewältigt sie in einem 80-Prozent-Pensum neben der täglichen Wäsche und den Reinigungsarbeiten die Grossreinigung von Schulhaus und Wohnhäusern in den Ferien, kümmert sich um den Einkauf von Reinigungsmitteln und Arbeitskleidern, passt den Blumenschmuck den Jahreszeiten an und springt immer dort ein, wo es gerade nötig ist. «Man muss sehr flexibel sein in diesem Beruf», sagt sie und erzählt, dass sie regelmässig auch Weiterbildungskurse besucht.

27 Jahre lang hat Marianne Schär mit dem Heimleiter-Ehepaar Röthlisberger zusammengearbeitet. «Die Röthlisberger-Kinder sind im Schulheim aufgewachsen, auch das war speziell», erzählt sie und kommt auf die vier Jahre zu sprechen, in denen sie selber zusammen mit ihrem Partner im Schulheim wohnte. Eine intensive Zeit sei das gewesen. Das mit der Abgrenzung noch schwieriger. «Man konnte einfach schnell zu Frau Schär an die Türe kommen und klingeln», sagt sie und lächelt vielsagend. Auch wenn sie ein paar Jahre später mit ihrem Partner das Elternhaus in Hornussen bezogen hat, das Gefühl Teil einer Grossfamilie zu sein ist bis heute geblieben. Am 1. September hat Roger Willen die Leitung des Schulheims übernommen. Marianne Schär ist auch nach 30 Jahren offen für Veränderungen und bereit, den «Neuen» wo immer möglich zu unterstützen.


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