Durch die Liebe Bäuerin geworden

  04.10.2018 Wittnau

Sonnenblumen, Kürbisse, Äpfel, Birnen, Trauben – Herbstzeit ist Erntezeit. Für die Landfrau und Bäuerin vom Erlenhof in Wittnau eine ganz besondere Zeit.

Simone Rufli

«Die hier sind die Letzten, die noch so schön blühen», Helen Schmid deutet auf die Sonnenblumen im Selbstpflückfeld des Erlenhofs. Im Licht der Morgensonne strahlen sie mit den leuchtend orangen Kürbissen um die Wette. Den Herbst mag sie besonders. Die Erntezeit und selbst den Umstand, dass der Herbst die Vergänglichkeit allen Lebens widerspiegelt. «In diesem Jahr war der September besonders intensiv: Kürbis, Zwetschgen, Äpfel, Birnen, Trauben alles kam früher als in den Jahren zuvor.» Eine Folge des heissen Sommers. Freude bereiten ihr in diesem Jahr auch die vielen Besucher, die wegen der Schatzsuche der NFZ auf den öffentlichen Volg-Erlebnishof kommen. «Der Schatz steht für mich auch symbolisch für die vielen Schätze der Natur und in unserem Leben, die wir manchmal nicht finden oder erst später erkennen.» Auch Lebensweisheiten mag die Bäuerin.

Aufgewachsen ist die 56-Jährige auf einem Bauernhof in Wölflinswil. Zusammen mit vier Geschwistern und mit der festen Absicht, eines Tages selber eine grosse Familie zu haben. War Bäuerin ihr Wunschberuf? Sie lacht, schüttelt den Kopf. «Nein. Nach der Sekundarschule – damals noch in Wittnau – hatte ich erst einmal genug vom Leben auf dem Land. Ich absolvierte ein Aupair-Welschlandjahr in Lausanne und zog dann während der Lehre nach Basel. Dort habe ich die Ausbildung zur Krankenpflegerin gemacht und später bei der Spitex Basel, bei der Spitex in den Gemeinden auf dem Bözberg und der Region Brugg sowie in Heimen gearbeitet. Der Liebe wegen sei sie Bäuerin geworden und das sei in jeder Hinsicht ein guter Entscheid gewesen. «Auch wenn ich mit viel Freude in der Krankenpflege tätig gewesen bin.» Sie erinnert sich an ein Schlüsselerlebnis aus ihrer Zeit in Basel: «Als Spitex-Mitarbeiterin habe ich auch Familien betreut, die in engen Wohnungen hausten, deren Kinder verwahrlost waren, auch seelisch.» Geprägt von diesen Eindrücken habe sie aufs mal gewusst: «Meine Kinder sollen auf dem Land und in geregelten Verhältnissen aufwachsen. Aber selbstverständlich bin ich mit ihnen auch in die Stadt gegangen damit sie diese Kultur auch kennen.»

Vielseitiger Beruf als Bäuerin
Ins Leben als Bäuerin sei sie langsam hineingewachsen. «Als ich dazu kam, gehörte der Hof noch nicht meinem Mann und mir. Ich besuchte damals gerade noch den letzten Kurs der Bäuerinnen-Schule in Frick.» Bis heute belegt sie immer wieder Weiterbildungen. «Wir sind selbstständig und müssen schauen, dass wir mit unserem Betrieb weiter kommen. Mutterkuh-Haltung mit Fleischproduktion, Getreidebau, Ackerbau, Raps, Obstund Weinbau, Gästebewirtung, die Betreuung von Schulklassen im Projekt Schule auf dem Bauernhof, wechselnde Naturena-Kursangebote und Direktvermarktung – der Erlenhof steht auf diversen Standbeinen. «Wir haben seit der Betriebsübernahme vor über 20 Jahren viel verändert und auch neue Betriebszweige erschlossen.»

«Kinder sind mir wichtig»
Schmids haben vier erwachsene Kinder und bislang zwei Grosskinder. «Kinder sind mir wichtig. Sie sind unsere Zukunft, ihnen gebührt viel Zeit und Aufmerksamkeit auf dem Weg ins Leben. Ich bin überzeugt, auch Schule auf dem Bauernhof wirkt nachhaltig.» Die Bäuerin liebt Abendspaziergänge oder Wanderungen. Arbeiten in der Natur und dann noch spazieren? Schmid lacht, nickt: «Das ist etwas anderes, dann sehe die Natur in einem anderen Licht, das ist entspannend.» Längst nicht alle Menschen leben so intensiv mit und in der Natur wie die bis im März amtierende Präsidentin der Landfrauen Bezirk Laufenburg. «Wir hatten schon Mitarbeitende anlässlich eines Teamevents, die uns bei Erntearbeiten halfen. Dabei erfuhr ich, dass manche von ihnen tagelang nicht an die frische Luft kommen, weil es keinen Grund dafür gibt in ihrem Arbeitsalltag.»

Bei vielen Projekten engagiert
Bei der Umstrukturierung des Betriebes habe sie mit einem Wiedereinstieg in die Krankenpflege geliebäugelt. «Ich hätte mir vorstellen können, wieder bei Spitex oder in einem Heim zu arbeiten. Viele Bäuerinnen arbeiten aus wirtschaftlichen Gründen auswärts.» Schmid nimmt einen Schluck Kaffee, lässt den Blick vom herbstlichen Blumenfeld hinüber zum Hofladen schweifen. «Durch den Betriebszweig Gästebewirtung und Direktvermarktung eigener Produkte ist mein Platz zurzeit hier.» Und wieder waren es Schlüsselerlebnisse, die zur Erkenntnis führten.

Auf dem Erlenhof helfen ein Landwirtschaftslehrling und landwirtschaftliche Praktikantinnen sowie in der Erntezeit Verwandte und Freunde mit. Sommer und Winter werden Gäste bewirtet, Workshops und Kurse durchgeführt. Selbst Online-Buchungen über die Plattform Swisstavolata der Landfrauen sind möglich. Als Ausgleich zur Arbeit trat sie diversen Vereinen sowie den Landfrauen bei, dem Berufsverband der Schweizer Bäuerinnen. Sie übernahm das Vereinspräsidium in Wittnau bevor sie ins Bezirkspräsidium wechselte. Auch im Kantonalvorstand hat sie zehn Jahre mitgewirkt. «Die Landfrauen, einer der grössten Schweizer Frauenverbände, sind mir besonders ans Herz gewachsen. Sie geben ein besonderes und wertvolles Netzwerk in der ganzen Schweiz.» Helen Schmid ist Mitautorin und Initiantin vom Landfrauen Weihnachts- und Jahreszeitenbuch sowie der Landfrauenagenda, die 2019 zum 12. Mal erscheint. «Diese Tätigkeiten sind bereichernd.» Sie zitiert: «Erfahrungen sind wie Schätze, die einem nicht wieder gestohlen werden können.»

Schmid ist auch Vereinspräsidentin der Freaktal Singers. Der Chor wurde 2008 als Projektchor gegründet. «Jetzt singe ich schon seit zehn Jahren.» Entspannend sei das Singen, befreiend. «Schon bei uns zu Hause wurde immer viel gesungen.» Im Blumenfeld steht eine Tafel mit einem Vers von W. Hagen: «Eile nicht! Sorge Dich nicht! Du bist hier nur kurz zu Besuch. Verweile also und rieche an den Blumen.»


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