«La Stämpfli» warnte vor Demokratieverlust

  23.10.2018 Bözen

120 Vertreter aus Politik und Wirtschaft bildeten am Donnerstag den würdigen Rahmen für die 10. Ausgabe des Forum Botia in Bözen. Werner Nussbaum begleitete den Anlass mit dem Akkordeon, Gastreferentin Regula Stämpfli haute bisweilen ganz schön auf die Pauke.

Simone Rufli

Wer in der Erwartung ans Forum Botia gekommen war, die Berner Politologin und Autorin Regula Stämpfli würde sich zu den Fusionsplänen von Bözen, Elfingen, Effingen und Hornussen äussern – gewissermassen als aktuelles Fallbeispiel im Rahmen ihres Referates zur Zukunft der direkten Demokratie – wurde enttäuscht. Es gab keine Ergänzungen zu ihren im Vorfeld in einem Interview mit der NFZ geäusserten Bedenken bezüglich Gemeindefusionen. Das überraschte nicht nur Grossrätin Gertrud Häseli. Die Wittnauerin hatte kürzlich den Vorschlag gemacht, das Fricktal in fünf Gemeinden zu gliedern (die NFZ berichtete). Wer aber nach Bözen gekommen war, um von der «schnällscht-schnurrenden Bernerin» (Zitat Stämpfli) vielfältige Denkanstösse zu bekommen, kam voll und ganz auf seine Rechnung. Es war ein unterhaltsames Referat, das Stämpfli im vollbesetzten Saal im Restaurant Post hielt. Neben Themen, die aus Zeitgründen nur oberflächlich gestreift werden konnten, beantwortete die Politologin die zentrale Frage nach dem Wohin mit der Schweizer Demokratie im Grunde genommen sehr einfach: «Eine direkte Demokratie wird auch in Zukunft so aussehen, wie die Menschen, die in ihr leben, sie gestalten. Zukunft passiert uns nicht, sie dominiert uns nicht, sie wird von uns gemacht», betonte Stämpfli und sprach von der Verantwortung jedes Einzelnen an der Zukunft des Landes mitzuwirken. «Die wichtigste Voraussetzung für die Demokratie ist die Freiheit zu wissen, dass die Zukunft gestaltbar ist», verkündete Stämpfli. «Wohin wollen wir? Das müssen wir uns immer wieder fragen.»

«Was offline verboten ist, ist auch online verboten»
Eine Gefahr für die Demokratie sieht La Stämpfli (den Namen hat sie sich selber gegeben) in der fortschreitenden Auflösung der Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem. «Attackiert Meinungen und Politik, aber hört auf die Leute als Person anzugreifen! Trump als den Bösen hinzustellen und selber immer mehr die gleichen Methoden anzuwenden, ist falsch.» Gefährlich sei es, wenn Regierende via Twitter direkt mit Regierten kommunizieren, ohne sich der in der Demokratie dafür vorgesehenen Kanäle zu bedienen, schreibt sie in ihrem neu erschienenen Buch, das sich am Rande der Veranstaltung gut verkaufte. «Es braucht keine neuen Gesetze im digitalen Zeitalter», befand Stämpfli, «Im Prinzip ist es ganz einfach: was offline verboten ist, ist auch online verboten.» Was es dringend brauche, seien weniger Umfragen. Stämpfli sprach von einer Umfragen-Diktatur und warnte: «Umfragen werden bisweilen manipuliert.»

Von der Bill of Rights (die ersten zehn Zusatzartikel zur US-amerikanischen Verfassung) aus dem Jahre 1789 und dem daraus abgeleiteten Recht jedes Menschen (bei Abstimmungen) gleich gezählt und gewichtet zu werden, bis zu den digitalen Möglichkeiten von heute – die Referentin rauschte durch die Geschichte, gab viele interessante Denkanstösse und haute bisweilen gehörig auf die Pauke. Mehr lag in der kurzen Zeit nicht drin. Auf jeden Fall sorgte Stämpflis Referat beim Apéro riche – offeriert von den seit zehn Jahren treuen Gastgebern im Restaurant Post – für angeregte Diskussionen unter den Gästen aus dem Fricktal und der Region Brugg.

Aus dem Wunsch nach eben diesem Austausch zwischen den beiden Regionen war vor zehn Jahren das Forum Botia entstanden. Ganz bewusst an die fusionskritische Referentin gerichtet, meinte Gründungsmitglied Verena Erb: «Wir meinen es sogar politisch ernst mit dem Verbindungen knüpfen, wir prüfen den Zusammenschluss unserer vier Gemeinden.» Speziell begrüsste Verena Erb die Frau Stadtammann von Brugg, Barbara Horlacher, «sie kommt aus unserem – jedenfalls vorläufig noch – Bezirkshauptort». Musikalisch umrahmt wurde die Jubiläumsveranstaltung von Werner Nussbaum am Akkordeon. Das nächste Forum Botia findet am 17. Oktober 2019 statt. Dann spricht der Schweizer Kommunikationsberater, Publizist und Moderator, Peter Hartmeier, zum Umbruch in der Schweizer Medienlandschaft.


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