Vom Schadenplatzkommandant zum Schulheimleiter

  05.09.2018 Effingen

Seit Samstag ist Roger Willen Schulheimleiter im Schulheim Effingen

Schon während seiner Ausbildung zum Sozialpädagogen wusste Roger Willen, dass er einmal Heimleiter werden wollte. Jetzt mit 50, erfahren in Krisenintervention, Gewaltprävention, Schulsozialarbeit, Führungsund Managementfunktionen – zuletzt als Abteilungsleiter Feuerwehr Basel-Stadt – ist Willen im Heim angekommen.

Simone Rufli

«Schon dadurch, dass ich nicht hier im Schulheim wohnen werde, wird sich zwangsläufig einiges ändern. Hans Röthlisberger war eine sehr präsente Vaterfigur. Er hat enorm viel bewirkt, viel Gutes getan und ein gesundes Fundament gelegt. Nur dank dieser gesunden Basis ist es mir jetzt möglich, Veränderungen vorzunehmen. Es ist aber auch ein Generationenwechsel.» Roger Willen schreitet am Schulhaus vorbei hinüber zum Gehege mit den Eseln. «Die Schulanlage hier in Effingen ist einmalig. Sie verfügt über modernste Infrastruktur, ist umgeben von wunderbarer Natur – und was mir ganz besonders gefällt, hier werden Tiere und landwirtschaftliche Tätigkeiten in die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen miteinbezogen.» Anders als sein Vorgänger, der während 27 Jahren mit seiner Frau auf dem Gelände gewohnt hat und dessen Kinder zusammen mit den Heimkindern gross geworden sind, legt der neue Schulheimleiter grossen Wert auf die Trennung zwischen Beruf und Privatsphäre.

Fasziniert von der Krise
Roger Willen ist in der Region Basel aufgewachsen. Nach dem Schulabschluss mit der Eidgenössischen Matur hat er Geschichte und Geographie studiert und während des Studiums in ganz viele unterschiedliche Handwerksberufe hineingeschnuppert. «Es war die Zeit, als man ganz einfach zu Jobs kam, in den 1990er Jahren.» Mitte 20 brach Willen das Studium ab und begann mit der Ausbildung zum Sozialpädagogen. «Es gab in meinem Freundeskreis schon welche, die diese Ausbildung gemacht hatten, ich hatte also eine Vorstellung.» An der Fachhochschule für Soziale Arbeit an der Thiersteinerallee in Basel machte er schliesslich seinen Abschluss. «Jugendarbeit lag mir immer sehr am Herzen», sagt Willen und erzählt, dass er bereits in der Pfadi sehr aktiv war. Als Sozialpädagoge faszinierte ihn nun besonders die Krise, beziehungsweise der Weg aus der Krise mittels Krisenintervention und Krisenmanagement. «Es ist eine befriedigende Arbeit, wenn man Menschen, die aus dem Tritt geraten sind, wieder einen Halt geben kann», betont Willen und verschweigt nicht, dass er sich in seiner Arbeit immer auch wieder hinterfragen muss. «Nicht immer ist eine Intervention erfolgreich, auch der Umgang mit Beziehungsabbrüchen gehört dazu.»

Von 2000 bis 2002 war er im Arxhof tätig. In der offenen Massnahmen-Institution im Baselbiet half er eine Wohngruppe aufzubauen für Gewalttäter. Weitere fünf Jahre stand er als Springer im Einsatz. Von 2002 bis 2004 war Willen zwei Jahre lang als Sozialarbeiter bei der Kantonspolizei Basel-Stadt tätig. «Es ging um die Rückschaffung von Süchtigen in ihre Wohngemeinden, mit dem Ziel, dass die Wohngemeinden ihre Verantwortung wahrnehmen sollten.» Willen gehörte einem kleinen Team von Sozialarbeitern mit eingeschränkten polizeilichen Befugnissen an.

Schulsozialarbeit im Fricktal aufgebaut
Nach Arxhof und Polizei wechselte Willen in die Schule und zum ersten Mal ins Fricktal. Mit dem Auftrag, an der Kreisschule Unteres Fricktal (KUF) die Schulsozialarbeit aufzubauen. Nach dem erfolgreichen Aufbau der Stelle entwickelte er damals mit einem sich stets vergrössernden Team, in verschiedenen Gemeinden des Fricktals die Schulsozialarbeit. Gleichzeitig war er an der Fachhochschule als Praxisdozent für Erwachsenenbildung tätig im Bereich Gewaltprävention, Krisenintervention und -management. Von der Theorie und der Schulsozialarbeit ging es in den Dienst für Prävention bei der Kantonspolizei Basel-Stadt. Jugendarbeit sei das gewesen, sagt Willen und erklärt: «Wir haben Jugendliche auf der Gasse angesprochen, intervenierten in Schulhäusern – auch da in kombinierten Teams, Sozialarbeiter zusammen mit Polizisten.» Parallel dazu durchlief Willen den Führungslehrgang 3 des Schweizer Polizeiinstituts.

Vor vier Jahren dann folgte der Wechsel zur Feuerwehr. Willen wurde Abteilungsleiter Feuerwehr Basel-Stadt (Rettung Basel-Stadt). Für einen, der 25 Jahre lang in einem Dorf bei der Milizfeuerwehr Dienst getan hat – zuletzt als Offizier – kein allzu grosser Gump. «Bei der Feuerwehr ging es in erster Linie um Managementaufgaben. «Ich war Schadenplatzkommandant bei Grossereignissen, koordinierte die Einsätze von Feuerwehr, Polizei, Chemiewehr, Sanität, hatte Kontakt zu den Medien, zur Politik, kümmerte mich um die Finanzen und um Personalfragen.»

Die Sehnsucht blieb
So interessant und vielfältig seine Aufgaben immer waren, eines blieb über all die Jahre: die Sehnsucht, ein Heim zu leiten. «Ich wusste schon während meiner Ausbildung zum Sozialpädagogen, dass ich einmal ein Heim leiten wollte.» Und mit Blick auf seine zahlreichen beruflichen Stationen meint Willen schmunzelnd: «Umwege erhöhen die Ortskenntnisse.» Doch wie fand er nun nach Effingen? «Ich habe das Inserat gesehen und mich beworben.» Das Inserat erschien im Frühjahr als klar war, dass der designierte Nachfolger von Hans Röthlisberger unfallbedingt, seine Stelle auch mit einem Jahr Verzögerung nicht wird antreten können.

Jetzt ist Willen also der Neue im Schulheim. An ihm liegt es, sich ins Gefüge hineinzufinden. «Es geht jetzt zuerst einmal darum, gemeinsame Sicherheit zu erarbeiten. Es wird Zeit brauchen, um Vertrauen aufzubauen.» Willen ist bereit, den Weg zusammen mit den Mitarbeitenden und den Bewohnern behutsam und Schritt für Schritt zu gehen. «Das ist kein Sprint, das ist ein Langestreckenlauf», weiss der Hobbysportler – und er freut sich auf die Herausforderung.


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