Von der Leichtathletik in den Eiskanal

  15.02.2018 Porträt

Sandro Michel aus Gipf-Oberfrick – ein Einzelsportler mit Erfolg im Teamsport

Hochbauzeichner und angehender Wirtschaftsingenieur, «Athlet des Jahres 2015» der Leichtathletikvereinigung (LV) Fricktal und vor ein paar Wochen WM-Zweiter in der Kategorie U23 im Vierer-Bob – Sandro Michel ist im Sport wie im Beruf erfolgreich unterwegs.

Simone Rufli

«Es ist super, mit diesem Team zu arbeiten.» Sandro Michel klappt den Laptop auf und zeigt ein paar Fotos aus St. Moritz. Bilder, die ihn auf der Fahrt durch den Eiskanal zeigen und zusammen mit seinen Kollegen vom Bob-Team Vogt bei der Siegerehrung. Ende Januar wurden die vier jungen Männer WM-Zweite – Vize-Weltmeister in der Kategorie U23 (die NFZ berichtete). Als hinterster Mann schob der 21-jährige Fricktaler den Schlitten am Start am längsten an. Dabei komme ihm seine Schnellkraft aus dem Leichtathletik-Training zugute, sagt der 188cm grosse und kräftige Athlet und er erinnert daran, dass oft Leichtathleten die idealen Voraussetzungen mitbringen, um im Bobsport als Anschieber erfolgreich zu sein. Die Komponenten Kraft und Schnelligkeit sind die Grundvoraussetzungen, doch einen Bob anzuschieben ist eine nicht zu unterschätzende Angelegenheit. In einen angeschobenen Bob hineinspringen, mit gesenktem Kopf und über 140 km/h durch den kurvenreichen Eiskanal zu donnern – dazu sind noch andere Eigenschaften nötig. Braucht das nicht ein gehöriges Mass an Überwindung? Der junge Mann schüttelt den Kopf und meint, die Konzentration liege beim Anschieben, der Rest ergebe sich von selbst. «Plötzlich sitzt man drin und dann wird es immer schneller.» Der Druck auf den Körper sei von Bahn zu Bahn unterschiedlich. «In St. Moritz ist die Bahn ruhiger, der Druck geringer und die Fahrt praktisch frei von Schlägen, weil eine Natureisbahn durch die Bearbeitung weicher ist», erklärt Michel den Unterschied zur Premiere auf der Kunsteis-Bobbahn von Igls bei Innsbruck. Und er hält fest: «Technik und Timing sind die alles entscheidenden Faktoren am Start. Christoph Langen sagt, ich hätte noch viel Verbesserungspotential. Da hat er bestimmt recht.» Langen, der zweifache Olympiasieger, siebenfache Welt- und Europameister aus Deutschland, ist seit Frühling 2016 Nachwuchs-Chef in der Schweiz. Wie Michel startete auch Langen seine sportliche Karriere in der Leichtathletik.

Von der Jugi zur LV Fricktal
Sandro Michel hat schon als Kind in der Jugi in Gipf-Oberfrick seine Liebe zum Sport entdeckt und auch in der Schule gehörte der Sport zu seinen Lieblingsfächern. «Etwa mit 11 Jahren ging ich dann zum ersten Mal ins Wintertraining der Leichtathletikvereinigung Fricktal.» Das leistungsorientierte Training der LV gefiel ihm. Fortan trainierte er im Sommer in Stein, im Winter in Gipf-Oberfrick und zusätzlich jeweils am Mittwoch mit den Werfern in Densbüren. Erst als er in Baden eine Lehre als Hochbauzeichner antrat, fing er an, sich auf die Wurfdisziplinen Kugel, Diskus und Speer zu konzentrieren. «Für das zeitintensive Mehrkampftraining blieb mir neben der Lehre zu wenig Zeit. Den Sport als Ausgleich brauchte ich aber unbedingt.» An einem Werfer-Wettkampf hat er auch den Bruder von Bobpilot Michi Vogt kennengelernt. Es folgten erste «Gehversuche» auf der Anstossbahn in Oberentfelden, ein Leistungstest vom Bobverband in Magglingen und schliesslich im November die ersten Fahrten mit dem Bob in Innsbruck, die Aktiv-Schweizermeisterschaft in St. Moritz sowie ein Europacup-Rennen in Innsbruck.

Parallel zur Lehre hatte Michel in Aarau die Berufsmaturitätsschule besucht. Anstrengend sei das gewesen. «Ich weiss nicht, ob ich das noch einmal so machen würde. Andererseits war ich aber auch froh, mit dem Lehrabschluss auch gleich den Zugang zur Fachhochschule erreicht zu haben.» Gerade eben hat er das erste Semester an der Fachhochschule in Brugg mit einer Reihe von Prüfungen abgeschlossen. Der gelernte Hochbauzeichner studiert Wirtschaftsingenieurwesen und positioniert sich damit an der Schnittstelle zwischen Technik und Betriebswirtschaft. «Drei Jahre bis zum Bachelor, im Moment noch ein Grundlagenstudium, bestehend aus Rechnungswesen, Buchhaltung, Betriebswirtschaftslehre und Informatik, später in einer Richtung nach Wahl vertiefbar», führt Michel aus.

Nach Lake Placid zum Training
Wenn sich die Kollegen aus dem Bob-Team am Abend im Hotelzimmer in St. Moritz entspannten, einen Film schauten oder Musik hörten, habe er noch ein paar Stunden gelernt, erzählt Michel. Aus Jux hat er denn auch auf der Homepage des Bob-Team Vogt Lernen als Hobby angegeben. Freunde treffen und Reisen sind seine richtigen Hobbys. «Nach der Lehre arbeitete ich zuerst und verbrachte dann vier Monate in Neuseeland, bevor ich ins Militär ging.» Im Moment fehlen ihm sowohl die Zeit als auch das Geld fürs Reisen. Ganz verzichten muss er auf sein Hobby trotzdem nicht. Die Sponsoren von Michi Vogts Bob-Team ermöglichen ein Training in Übersee. «Ende März fliegen Michi und ich für zwei Wochen in die USA. Auf der Bobbahn in Lake Placid machen wir Trainingsfahrten», freut sich Michel. Lake Placid war 1932 und 1980 Austragungsort der Olympischen Winterspiele. Wer weiss, wohin Sandro Michels Bobkarriere ihn noch führt…

So gern er sich neuerdings aufs Glatteis begibt, noch im Februar tritt der Fricktaler wieder an der Hallen-Schweizermeisterschaft in Magglingen an, und zwar im Kugelstossen. «Die Vorbereitung war sicher nicht optimal mit den Prüfungen und den Einsätzen im Bobsport.» Optimal oder nicht, Sandro Michel wird auch mit der Kugel wieder alles geben. Nicht umsonst wurde er von der LV Fricktal im 2015 mit dem Titel «Athlet des Jahres» ausgezeichnet. Verdient hatte er sich diese Auszeichnung damals mit dem Schweizermeistertitel im Diskuswerfen, je einem 2. Platz im Kugelstossen und im Speerwerfen sowie dem Schweizermeistertitel im Steinstossen.


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