«Die Guten muss man halt zwingen»

  04.12.2017 Politik, Gipf-Oberfrick

Vor dem Besuch in Gipf-Oberfrick: mit alt Bundesrat Christoph Blocher am Telefon

Christoph Blocher über Zeitungen, Journalisten und: warum er seiner Tochter Magdalena davon abrät, Bundesrätin zu werden.

NFZ: Christoph Blocher, wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu Journalisten?

Christoph Blocher: Unverkrampft
(lacht).

Man hört es gerade.
Ich habe hohe Achtung vor Journalisten.

Warum?
Dauernd eine Zeitung mit Nachrichten zu füllen, das könnte ich nicht. Aber ich bin auch sehr kritisch mit Journalisten: denen gegenüber, die nicht schreiben, was ist.

Als Journalist will ich schreiben, was ist. Mein Chef als Verleger ist aber gleichzeitig auf Anzeigen- und Werbekunden angewiesen. Soll ich als Journalist meine Unabhängigkeit durchsetzen oder muss ich mich den Weisungen des Chefs beugen, weil er keine Werbekunden verärgern möchte?
Wer einen Vorgesetzten hat, kann nicht einfach machen, was er will. Ein Arbeitnehmer ist nie völlig unabhängig. Können Sie mit Ihrem Gewissen nicht vereinbaren, was Ihr Chef journalistisch von Ihnen verlangt, müssen Sie die Konsequenzen ziehen. Oder Sie hätten noch eine andere Möglichkeit.

Und die wäre?
Überzeugen Sie Ihren Chef, weshalb es wichtig und richtig ist, über ein Thema trotzdem kritisch zu schreiben. Vielleicht nimmt er das in Kauf. Wenn nicht, müssen Sie so handeln, wie er das will. Er trägt auch die Verantwortung.

Apropos Verantwortung: Sie haben jüngst über zwei Dutzend lokale
Anzeiger gekauft.

Ich wollte nicht, dass ein grosser Verlag diese Zeitungen kauft und dann stilllegt, um Wettbewerb zu verhindern. Das würde der Medien- und Meinungsvielfalt zuwiderlaufen. Kleine Zeitungen beschreiben das Lokale. Das interessiert Menschen. Das liegt mir sehr am Herzen.

Sie haben diese Zeitungen aus reiner Güte gekauft?
Jede Zeitung muss auch Gewinn abwerfen. Sonst kann sie nicht überleben. Ich kaufe keine Zeitung und unterhalte sie, indem ich einfach den Verlust langfristig decke. Aber es gibt sicher bessere Kapitalanlagen als eine Zeitung.

Nimmt die Qualität in den Medien ab?
Die journalistische Qualität an und für sich hat zugenommen. Journalisten sind besser ausgebildet. Zeitungen aber stehen unter Druck durchs Internet. Kosten müssen gesenkt werden. Das geht zulasten der Qualität: entweder weniger Redaktoren oder billigere und damit schlechtere Redaktoren.

Was ist ein guter Redaktor?
Ein guter Redaktor kann schreiben. Er beobachtet und kann Gegebenheiten so widergeben, dass es der Laie versteht. Er schreibt, wie die Realität ist und nicht, wie es andere gerne dargestellt hätten. Unsere Verwaltungen beschäftigen mittlerweile ein Heer an Kommunikationsfachleuten. Statt zu informieren, sind sie darauf aus, ihre Vorgesetzten und die Verwaltung in einem möglichst guten Licht zu präsentieren. Das zu durchschauen, ist eine grosse Herausforderung für die Medien und ihre Journalisten.

Lassen Sie uns über Politik reden. Eine gewisse Verdrossenheit ist in der Bevölkerung zu spüren. Worauf führen Sie das zurück?
Politik ist mühsam. Trotzdem sollten Bürger Interesse zeigen. Sie sind der oberste Gesetzgeber. Die Verdrossenheit existiert aber vor allem, weil das Vertrauen in die Politiker massiv abgenommen hat.

Warum?
Politiker setzen sich über den Volkwillen hinweg. Das zeigt sich bei der Masseneinwanderungsinitiative. Plötzlich ändern alle drei Staatsgewalten die Praxis und stellen internationales Recht über Schweizer Recht. Die Leute haben das Gefühl, dass die in Bern sowieso nur machen, was die in Bern wollen.

Aber auch auf kommunaler Ebene ist eine Politikverdrossenheit festzustellen.
Ich bin seit gut fünfzig Jahren in der Politik. Schon damals hiess es, man finde bald keine Leute mehr für den Gemeinderat. Das ist nicht neu. Die Guten muss man halt zwingen; an ihnen rumpickeln, bis sie kommen.

Bleiben wir regional. Was raten Sie Fricktaler Laden- und Restaurantbesitzern, die unter den niedrigen Preisen im grenznahen Deutschland leiden?
Die Schweiz generell hat nur eine Chance: Sie muss besser sein, als die anderen. Die gebotene Qualität muss den Menschen genug wert sein, dafür auch einen Preis zu bezahlen.

Der exakt selbe Turnschuh aus dem Fricktaler Sportgeschäft ist in Deutschland viel günstiger.
Wie soll das funktionieren?

Allein ein guter Service reicht natürlich nicht aus, wenn die Qualität des Produkts exakt dieselbe ist. Da müssen Sie auf ein anderes Produkt zurückgreifen. Doch das gehört zur Geschichte von Schweizer Unternehmen: Sie mussten immer wieder neue Wege gehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das Problem des Fachkräftemangels löst man im Fricktal zu grossen
Teilen durch Grenzgänger. Ist das auch in Zukunft möglich?

Die Schweiz wird weiter auf Grenzgänger zurückgreifen können. Wenn Sie Leute auf dem Arbeitsmarkt suchen und hier nicht finden, erhalten Sie eine Bewilligung, diese aus dem Ausland zu rekrutieren. Das hat mit der Begrenzung der Massenzuwanderung nichts zu tun. Fachkräfte finden Sie nicht bei der Massenzuwanderung.

Wie gut kennen Sie eigentlich das Fricktal?
Gut mittlerweile. Meine Tochter Miriam wohnt in Rheinfelden. Das Fricktal ist ein Sonderfall wie die Schweiz. Ich mag Sonderfälle.

Ihre andere Tochter, Magdalena, wurde zuletzt als mögliche Bundesrätin ins Spiel gebracht: Würden Sie ihr das raten?
Auf keinen Fall. Nicht in diesem Alter.

Zu jung?
Eindeutig. Bundesräte sollten nicht zu jung sein. Ein junger Mensch hat wenig Lebenserfahrung. In der Führung ist Lebenserfahrung wichtig.

Das würde ja bedeuten, dass Ihre Tochter zu unerfahren ist, um das Unternehmen EMS-Chemie zu führen?
Sie hat gemacht, was ich damals auch tun musste: übernehmen. Als ich Bundesrat wurde, habe ich zu ihr gesagt, «jetzt musst du das Unter-oder nicht. Du bist jetzt halt meine Tochter, nun hast du den Dreck» (lacht). Sie hatte aber bereits viel Erfahrung in unternehmerischen Tätigkeiten und beherzigte, was ich ihr geraten habe: «Nimm ältere, erfahrene Leute ins Boot.» Das habe ich damals auch gemacht.

Reden wir nochmals über Medien.
Sie haben weder Fernsehen noch
Radio zuhause. Unterstützen Sie die No-Billag-Initiative?

Die Initiative wird nicht durchkommen. Ich bin trotzdem dafür. Das Fernsehen dringt mittlerweile in Bereiche vor, bloss um Private zu konkurrieren. Das ist nicht gut. Die Initiative ist da ein Korrektiv. Was erhoben wird, ist zudem keine Gebühr, sondern eine Steuer, die jeder leisten muss – ob er das Angebot nutzt oder nicht. Das ist nicht in Ordnung.

Sie haben seit kurzem ein iPhone.
Ein Geschenk von meiner Frau.

Sie könnten auch damit Fernsehen schauen.
Theoretisch schon. Da komme ich aber nicht so draus. Wenn ich drücke, kommt immer etwas anderes, als das, was ich wirklich will.

SMS schicken können Sie?
Ja, mittlerweile schon. Es geht einfach ein wenig lange beim Tippen.

Angenommen, Sie würden Ihrer Frau Silvia per SMS von diesem Interview berichten. Was stünde da drin?
«Erstaunlich vielseitig. Siehst du: Lokalzeitungen sind halt doch das Beste» (lacht).


Blochers Ode an den Sonderfall

Am Donnerstag, 7. Dezember, 20 Uhr, referiert alt Bundesrat Christoph Blocher in der Mehrzweckhalle Gipf-Oberfrick auf Einladung der SVP Bezirk Laufenburg. Thema: «Das Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union.» Auf die Frage, wo er die politische und wirtschaftliche Schweiz gegenüber Europa und der Welt in fünfzig Jahren positioniert sieht, sagt er: «Wenn die Schweiz bleibt, was sie immer war, nämlich unabhängig, selbstbestimmend, den Bürger in den Mittelpunkt stellend mit der direkten Demokratie, dauernde, bewaffnete Neutralität – dann eröffnen sich der Schweiz riesige Chancen. Dann sind wir nämlich weiterhin ein Sonderfall. Aber ein sehr positiver. Bereits heute findet diese Tatsache Sonderfall Schweiz die viel grössere Anerkennung als noch vor 25 Jahren, als wir über den EWR-Betritt abgestimmt hatten.»




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