Forderung nach mehr Ferien sorgt für Diskussionen
19.06.2025 Fricktal, FOKUSWährend Schülerinnen und Schüler an Gymnasien und Mittelschulen 13 Wochen Ferien pro Jahr geniessen, stehen Lehrlingen nur fünf Wochen zu. In einem Appell an den Bundesrat fordern Lernende, auf mindestens acht Wochen zu erhöhen. Was sagen Fricktaler Gewerbevertreter dazu?
Valentin Zumsteg
Brauchen Lehrlinge mehr Ferien? Mit dieser Frage soll sich auch der Bundesrat beschäftigen. «Lernende leisten viel – doch die Erholung kommt oft zu kurz. Viele von ihnen leiden unter Stress, jeder Vierte bricht die Lehre ab. So kann es nicht weitergehen», heisst es in einem Appell an die Landesregierung. Lernende aus mehr als 15 Lehrberufen fordern gemeinsam mit Jugendorganisationen, dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund, Lehrpersonen und Bildungsexpertinnen mehr Erholung und mehr Anerkennung. Konkret wollen sie mindestens acht Wochen Ferien für alle Lernenden. «Während Gleichaltrige am Gymnasium oder an Mittelschulen 13 Wochen Ferien haben, stehen Lernenden nur fünf Wochen zu. Diese Ungleichbehandlung ist nicht fair», finden sie.
«Schwierig umsetzbar»
Fricktaler Gewerbevertreter haben zwar Verständnis für das Anliegen, aber auch Vorbehalte. «Ich verstehe den Wunsch der Jugendlichen sehr gut. Die Anforderungen in der Lehre sind hoch und der Übergang von der Schule in die Berufswelt ist anspruchsvoll», sagt Anita Kym, Präsidentin des Gewerbevereins Möhlin und Umgebung sowie Mitinhaberin von Kym Innenarchitektur und Schreinerei GmbH. «Trotzdem halte ich acht Wochen Ferien pro Jahr für schwierig umsetzbar – insbesondere für kleine Betriebe, die stark auf die Mitarbeit ihrer Lernenden angewiesen sind.»
Mehr Erholungszeit könnte aus Sicht von Anita Kym zwar helfen, die Belastung zu reduzieren und gewisse Lehrabbrüche zu vermeiden. «Allerdings glaube ich, dass es umfassendere Massnahmen braucht – wie zum Beispiel bessere Begleitung, gezielte Förderung und mehr Wertschätzung für die Berufsbildung insgesamt.» Die Ausbildung lebe auch vom praktischen Einsatz. «Wenn Lernende oft fehlen, leidet die Qualität der Ausbildung. Es braucht hier einen ausgewogenen Ansatz», so Kym.
«Strikte dagegen»
Ähnlich sieht es Alfons P. Kaufmann. Der Wallbacher führt ein Maler- und Gipsergeschäft, ist Mitte-Grossrat, Präsident des Schulvorstands der Kantonalen Schule für Berufsbildung und Mitglied im Vorstand der Berufsschule Aarau: «Obwohl ich den Lernenden acht Wochen Ferien gönnen würde, bin ich strikte dagegen. Lernende müssen und sollen während der Lehrzeit fair behandelt werden.
Arbeitszeiten und Pausen müssen durch die Lehrbetriebe genau eingehalten werden.» Er unterstütze gerne junge Lernende, die sich beispielsweise in einem Pfadi- oder Jubla-Sommerlager für andere junge Menschen einsetzen und so mehr Ferien benötigen. «Diese gewähre ich gerne. Wir müssen in Zukunft wieder bereit sein, mehr zu leisten und uns nicht von utopischen gewerkschaftlichen Forderungen leiten lassen», findet Kaufmann.
Für Kleinbetriebe mit zwei bis drei Mitarbeitern und einem Lernenden wäre es aus seiner Sicht schlicht nicht möglich, acht Wochen Ferien pro Jahr zu geben. Zudem käme dann in vielen Berufen die Frage wieder auf, ob die Ausbildungszeit von drei oder vier Jahren reicht. «Wir können uns dies nicht leisten, wenn wir weiterhin unseren gewohnten Lebensstandard und den daraus resultierenden Wohlstand auf dem jetzigen Level halten wollen. Wir müssen bereit sein, unseren Beitrag dafür zu leisten. Mit dem Beruf ‹Ferientechniker› können wir dies jedenfalls nicht.» Abschliessend meint Kaufmann: «Es kann umgekehrt auch gefragt werden, ob es Sinn macht, die Ferienzeit in den Gymnasien auf acht Wochen zu reduzieren.»