Hitze und Trockenheit mit langwierigen Auswirkungen

  16.08.2022 Fricktal

Landwirte erwarten sehnsüchtig die nächsten Regentage

Des einen Freud ist des anderen Leid: Die seit Wochen andauernde Hitze- und Trockenperiode erfreut wohl Badelustige im 25-grädigen Rheinwasser, bringt andererseits aber die Landwirtschaft immer mehr in Bedrängnis. Dies mit nicht mehr planbaren Konsequenzen.

Paul Roppel

Am 20. Mai war es das erste Mal in diesem Jahr: Das Thermometer der Messstation Meteo Schweiz in Möhlin zeigte hitzige 32 Grad an. Das Quecksilber stieg am 19. Juli und 4. August gar auf glühende 36 Grad. Seit dem Auftakt sind zwei Dutzend Hitzetage mit einem Temperaturmaximum von über 30 Grad registriert. Bäche sind am versiegen (die NFZ berichtete), Bäume und Pflanzen verdorren, Weiden sind kahl und Äcker staubtrocken. Bescheidene 130 Liter Regen pro Quadratmeter Boden weist die Station für diesen Zeitabschnitt aus, was weniger als die Hälfte des verregneten Monats Juli vom Vorjahr ist. Also ein Topjahr für Badelustige und Sonnenhungrige, währenddem Andere unter der brütendenden Hitze und der langen Trockenperiode leiden und nach Abkühlung plangen?

Es gibt Vor- und Nachteile
Differenzierte Antworten kommen aus der Landwirtschaft. «Gegenüber dem Vorjahr sind wir zwei Wochen früher dran und was wir bisher gepf lückt haben, ist von allerbester Qualität bei guter Ausbeute», zeigt sich Christoph Müller aus Schupfart hoch erfreut über seine Zwetschgenernte, bei welcher ihn momentan zehn Hilfskräfte unterstützen. Trotz Frostgefahr im Frühjahr hätten sich die Früchte erstaunlich gut entwickelt und für Pilzkrankheiten waren die Temperaturen zu hoch. «Alles hat aber immer zwei Seiten», schränkt Müller aus Erfahrung ein, der 800 Bäume betreut. «Die späten Sorten verkraften die grosse Hitze und den fehlenden Regen nicht mehr. Die Früchte werden schrumpflig und fallen zu Boden», lautet Müllers trister Ausblick. «In diesem Jahr war der Pflanzenschutz weniger intensiv. Der Pilzbefall, die Kirschessigfliege und Wespen sind kein Thema. Die Trauben entwickeln sich gut, aber langsamer», zeigt sich Gerhard Wunderlin aus Zeiningen gut gelaunt bei optimistischer Perspektive, der auf vier Hektaren im unteren und oberen Fricktal Rebbau betreibt. «Weil die Reben bis zu 20 Meter Tiefe verwurzelt sind, wirkt sich die lange Trockenheit nicht so stark aus», erklärt er. Andererseits habe die Trockenheit gegen die Hälfte der Traubenbeeren im Rebberg in Magden zerstört, weil dort das Wurzelwerk wegen der Bodenbeschaffenheit nicht so tief vordringen könne, bringt er den Einf luss der Dürreperiode nuanciert aufs Tapet. Bewässern sei im Rebbau nicht üblich und bei der vorherrschenden Trinkwasserknappheit sowieso kein Thema, fügt er an.

Mais in desolatem Zustand
«Die Hitzewelle hat positive und negative Auswirkungen», verdeutlicht auch Beat Käser, einziger Landwirt in Stein, der Ackerbau betreibt. «Die Getreideernte war zwei Wochen früher als üblich und ist im trockenen Wetter inklusive der Strohernte optimal gelaufen», hält er Rückblick. Problematischer war es bei den Bohnen, wo die Hitze den Blättern schadete und die Ernte um rund ein Viertel reduzierte, spricht er die negative Seite an. Bei den Zuckerrüben, die bewässert werden müssen, ist grossflächig verdorrtes Laub zu sehen und beim Mais vermerkt er qualitative Einbussen von gegen 50 Prozent. Quasi in einer Sofortmassnahme müsse der verdorrte Mais mit den abgefallenen Kolben in wenigen Tagen fast zwei Monate früher als üblich siliert werden, zeigt er ein ganz grosses Problemfeld auf, das viele Bauern plagt. Nebst dem qualitativ schlechten Mais und der geringeren Vorratsmenge, spricht Andrea Joss vom Zelglihof in Magden den generell knapp werdenden Futtervorrat bis in den nächsten Frühling an. Ihre 30 freilaufenden Mastrinder haben die Weiden abgegrast. Wegen der Trockenheit sind sie braun und kahl; es wächst nichts nach, zudem fehlten bis zu zwei Grasschnitte in diesem Jahr, erklärt sie. Deshalb müssten viele Bauern schon jetzt Wintervorräte verfüttern. «Ein Futtermangel in der Schweiz zeichnet sich ab, der manche Landwirte zur Reduktion des Viehbestandes und anderen ungeplanten Massnahmen zwingen wird», sagt sie.

Boden hart und gespalten
Ein weiteres Problem stelle sich bei der Bearbeitung der brachliegenden Äcker, wo der harte Boden knochentrocken ist und mit bis zu 60 Zentimeter tiefen Spalten durchzogen sei. «Samen ausbringen macht nur Sinn, wenn Regen in Sicht ist, damit er keimen kann. Alle plangen auf Regen», zeigt sie das Dilemma auf. «Der Klimawandel wird in Zukunft für die Schweizer Nahrungsmittelversorgung zum Riesenproblem und wird die Landwirtschaft verändern. Wir benötigen neue Samensorten», stellt Joss fest. Unisono pf lichtet Colette Basler aus Zeihen dem bei. «In der Forschung muss das Tempo erhöht werden.

Wir brauchen in Zukunft hitzeresistente Kulturen», betont Basler. Sie wirtschaftet auf dem Uelberghof, wo auch 40 Kühe und gegen 30 Kälber und Rinder im Freilaufstall und auf Weiden leben. «Die Tiere leiden unter dem Hitzestress; zur Linderung haben wir deshalb eine Schlauchlüftung eingebaut», erzählt sie. «Entsprechend unserer Philosophie setzen wir nur betriebseigenes Raufutter ein. Wegen dem fehlenden Gras verfüttern wir nun von den letztjährigen Vorräten», zeigt sie ihr Problem auf. Der grosse Regenwassertank sei zudem auch leer geworden. Niederschläge seien dringend nötig.


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