Älter als die Bundesverfassung

  22.07.2022 Schupfart

Diese Blasmusik erfreut seit 175 Jahren

 

Die Musikgesellschaft Schupfart ist seit 1846 aktiv

Die Jubiläumsaktivitäten waren eigentlich schon vor einem Jahr fixfertig organisiert, mussten aber wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Umso grösser ist die Feststimmung der Musikgesellschaft Schupfart, die den bemerkenswerten 175. Jahrestag der Vereinsgründung feiern darf.

Paul Roppel

Im Jahr 1847 fuhren die ersten Dampflokomotiven in der Schweiz auf der «Spanisch-Brötli-Bahn» von Zürich nach Baden. Es war Aufbruchstimmung aber auch eine unruhige Zeit, denn das Land war zerstritten und es gab militärische Konflikte im Sonderbundskrieg, woraus 1848 die heutige Bundesverfassung entstanden ist, und der erste Bundesrat bestellt wurde. In der Sehnsucht nach Freiheit, Zusammengehörigkeit und Geselligkeit fanden in der Schweiz viele Vereinsgründungen statt. Napoleon als Förderer der Militärmusik, sowie die Erfindung und das Aufkommen der Ventile für die Blechblasinstrumente gaben insbesondere Anreiz zur Blasmusik. So entstanden in der Region 1833 die Stadtmusik Rheinfelden und 1840 die Musikgesellschaft Wegenstetten. Auch in dem, im Jahr 1800 grösstenteils wegen einer von französischen Soldaten verursachten Feuersbrunst zerstörten Bauerndorf Schupfart, kam das Bedürfnis auf, gemeinsam zu singen und zu musizieren. Vermutlich waren die Initianten im damals schon länger aktiven Kirchenchor zu suchen, als 1846 in dem rund 500 Einwohner zählenden Dorf eine Musik- und Gesangsgemeinschaft gegründet wurde.

Zum Tanz aufgespielt
Über die eigentliche Gründung sind keine Dokumente mehr vorhanden. Eine Fahne mit der Inschrift «Musik und Gesangverein 1846», welche einst zerstört wurde, wird in einer Chronik vor 50 Jahren erwähnt. Das Fundament für die Musikgesellschaft und den heute ebenfalls noch aktiven Männerchor war somit errichtet worden. Aktenkundig sind die Namen der fünf jungen Männer Franz Josef Hasler 1826, Fridolin Theodor Mathis 1833, Fridolin Hohler 1826, Fridolin Hasler 1830 und Josef Hermann Müller, welche die Gründung initiiert hatten. Wie die motivierten Bläser ihre Musikinstrumente finanziert und sich das Spielen angeeignet haben, wundert man sich noch heute. «Die Armut war Alltag, der Arbeitstag lag bei 16 Stunden und dies während sechs Tagen, der Wochenlohn betrug etwa fünf Franken und zuhause war auch viel zu tun», sagt Astrid Müller im Gespräch mit der NFZ, die einige Highlights aus der Vereinsgeschichte in einer Chronik zusammengefasst hat. Diese ist in der Festschrift enthalten, welche im Juni in alle Fricktaler Haushalte verteilt wurde. Sie kennt zudem die jüngere Geschichte als Vereinsmitglied über 40 Jahre, davon 22 Jahre als Präsidentin. Jedenfalls kamen die Rhythmen der Schupfarter an, die bei Festanlässen gefragt waren und zum Tanze aufspielten bis ins Baselbiet hinüber, gekleidet in schwarzen Frack und Zylinder. Bekannt ist, dass die Töchter von Schupfart dem Gesang- und Musikverein 1882 ein rotseidenes und handgesticktes Vereinsbanner anfertigten und schenkten. Der Lehrer Reimann habe es in die Kirche getragen und Pfarrer Fridolin Ursprung von Mumpf von der Kanzel aus eingesegnet.

Erste Uniform nach 108 Jahren
1888 organisierte der Verein seinen ersten Grossanlass, den Musiktag des Bezirks. 1899 zählte der Verein auf dem ältesten Foto 18 Aktive, welche die zweite Vereinsfahne einweihten. Erwähnenswert ist auch, dass damals der erste Telefonanschluss im Ort installiert wurde. Mit 22 Musikvereinen wurde das 75-Jahrjubiläum 1921 gefeiert und eine nächste Fahne eingeweiht, die 1968 ersetzt wurde und die dann bis 2001 diente. Offensichtlich finanziell nicht auf Rosen gebettet, kam der Verein erst 108 Jahre nach der Gründung zur ersten Uniform – die Musikgesellschaft Konkordia Egerkingen verschenkte ihre ausgediente Uniform nach Schupfart. Nach der Organisation eines Musiktages konnte sich der Verein 1963 eine neue, schwarze Uniform anschaffen, die 1981 durch eine königsblaue und 2008 durch die heutige grüne ersetzt wurde.

Über die Jahre waren ab und zu einzelne Instrumente angeschafft worden, 1974 feierte der Verein die erste Neuinstrumentierung. Die Männerdomäne endete im April 1978 als erstmals zwei Musikantinnen in die Reihen eintraten. Obwohl der Verein fast alle Jahre an einem Musiktag konkurrierte, reiste er 1966 erstmals an ein Eidgenössisches, das in Aarau stattfand. Er kehrte mit einem Goldlorbeerkranz, sowie der Konzertwertung «sehr gut» und der Marschmusikwertung «vorzüglich» heim.

Grösster Vereinserfolg
Den grössten Erfolg der Vereinsgeschichte verzeichnete die Formation beim dritten Besuch eines Eidgenössischen 1981 in Lausanne, wo sie den 1. Rang in der 3. Stärkeklasse und die höchste Punktezahl aller Kategorien einheimste. «Die Zeiten haben sich enorm verändert. Es wird immer schwieriger, Neumitglieder zu rekrutieren oder gar Nachwuchs aus Musikschulen zu bekommen», stellt Astrid Müller fest. «Jüngere Generationen lassen sich kaum mehr für Proben und Auftritte verpf lichten», stellt sie fest. Der Verein ist ziemlich geschrumpft auf 16 Mitglieder. Um trotzdem ein stattliches Volumen zu bekommen und ansprechende Musik zu machen, ist der Verein schon dreimal für den Besuch eines Musiktages mit der Musikgesellschaft Eiken eine Spielgemeinschaft eingegangen. «Das harmoniert ausgezeichnet und bringt 40 Leute in Stimmung», sagt Müller schmunzelnd.

Erfreut ist Müller auch als OK-Präsidentin des Jubiläumsjahres, dessen Aktivitäten mit einem Jahr Verspätung mit dem Fasnachtsumzug, einem Kirchenkonzert, sowie einem Festwochenende mit Ausstellung grösstenteils schon durchgeführt werden konnten. Am 19. November steht der Höhepunkt mit einem Gala-Abend mit musikalischen und kulinarischen Leckerbissen an.

www.mg-schupfart.ch


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