Im Dienst des Friedens

  23.07.2022 Oeschgen, Persönlich

Die Welt im Blickfeld

Adrian Freiermuth ist Lehrer. Zur Zeit aber absolviert er einen freiwilligen Einsatz im Rahmen der Friedensförderung der Schweizer Armee in Südkorea.

Matthias Reimann

Dass Adrian Freiermuth und seine Partnerin in der Welt zu Hause sind, ist offenkundig: Das helle Wohnzimmer ihres Bed & Breakfast mutet wie das Innere eines Passagierfliegers an. Fünf originale Flugzeugsessel sind das unübersehbare Herzstück. An einer Schnur baumeln Gepäcketiketten aus aller Welt, einige handbeschriftet. In einer Halterung stecken Menükarten aus den Sechzigerjahren, darüber hängen Retro-Plakate von der Swissair. Es sind Stilikonen aus einer längst abgelaufenen Zeit.

Einmal Fricktal, immer Fricktal
Geboren wurde Adrian Freiermuth in Rheinfelden. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er in Zeiningen, von wo er nach Wallbach weiterzog. Nach Oeschgen kam er schliesslich der Liebe wegen. Oberhalb des Dorfkerns wohnt er mit seiner Partnerin Sabine Benz.

Zur Zeit verbringt er Ferien in der Schweiz. Auf der kürzlichen Heimfahrt legte er auf der Saalhöhe einen Stopp ein, um die Aussicht zu geniessen. Beim Blick auf das unter ihm liegende Tal, die Wälder und die Rheinebene sei ihm eines erneut bewusst geworden: «Es isch cheibe schön bi euis». Er schätzt die abwechslungsreiche Hügellandschaft des Jura mit seiner teilweise überraschend wilden Natur. Auch die von Menschenhand geschaffenen Kulturlandschaften, die Ortschaften und die Menschen im Fricktal liegen ihm am Herzen. «Mit unserer Region bin ich verwurzelt. Ich bin von Kopf bis Fuss Fricktaler.»

Überbleibsel des kalten Krieges
«LTC Freiermuth» prangt in gelben Lettern auf der Armbinde. Durch ein Fernglas beobachtet Freiermuth von einem Wachtturm die Umgebung. Die demilitarisierte Zone ist ein sich quer über die koreanische Halbinsel ziehender, vier Kilometer breiter und 241 Kilometer langer Streifen. Dieses Niemandsland trennt Süd- und Nordkorea. In den letzten 70 Jahren hat sich darin eine einzigartige Flora und Fauna ungehindert entfaltet. Sogar seltene Tiger sollen in diesem grünen Niemandsland leben. Die Schweizer Armee engagiert sich seit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes im Jahre 1953 in Korea und ist Teil der Überwachungskommission neutraler Nationen (NNSC). Als unparteiische Beobachterin verifiziert die Kommission die Einhaltung der Waffenruhe. «Wir vertreten keine politische Haltung und sind keine UNO-Friedenstruppe», erklärt Freiermuth. In Ostasien ist der Fricktaler Teil der Schweizer Delegation, die mit einer schwedischen Abordnung die Aufgaben der NNSC in Südkorea wahrnimmt.

Die Schweizer Armeeangehörigen sind nahe der Joint Security Area im NNSC Camp in Panmunjeom stationiert. Der Grenzort ist eine militärische Siedlung in der demilitarisierten Zone. An dieser Stelle wurde das Ende des Koreakrieges verhandelt und hier trafen sich 2019 der damalige US-Präsident Trump und sein nordkoreanischer Amtskollege Kim Jong-un. «Panmunjeom ist ein Ort, an den die allerwenigsten Menschen – auch Koreaner – jemals hinkommen», sagt Freiermuth. «Es ist die letzte verbleibende Konfrontationslinie des kalten Krieges und wir operieren mittendrin.»

Der zufällige Militärbeobachter
Freiermuth blickt auf eine lange militärische Laufbahn zurück. Im Anschluss an einen Führungskurs wurde er 2019 zum Oberstleutnant befördert. Danach entschied er sich, zusätzlich noch den internationalen Militärbeobachterkurs SUNMOC zu absolvieren. Nie hätte er damals gedacht, einmal im Dienst der Friedensförderungsmission in Korea stationiert zu sein: «Zu diesem Einsatz bin ich wie die Jungfrau zum Kind gekommen», schmunzelt er. «Ich habe dieses Engagement nicht gezielt gesucht». Vielmehr habe sich im Verlauf seiner Ausbildung ein Puzzleteil ans andere gereiht und letztlich stellte sich ihm diese rare Möglichkeit. Seit eineinhalb Jahren ist Freiermuth an der wohl meistbewachten Grenze zwischen zwei Ländern im Einsatz. Im Januar 2023 läuft sein Einsatz ab und er wird in die Schweiz zurückkehren.

Die Welt zu Gast
In ihrem Bed & Breakfast heissen Freiermuth und seine Partnerin Gäste aus aller Welt willkommen. Wer will nach Oeschgen kommen, das ist am Ende der Welt. So dachte Freiermuth vor ein paar Jahren, als seine Partnerin, eine passionierte Weltenbummlerin, die Idee des B&B auf brachte. Sie schrieb auf einer Buchungsplattform ein Zimmer aus – und binnen einer halben Stunde lag die erste Buchung vor und die Gastgeber begrüssten bald drei junge Australier als ihre ersten Kunden. Mittlerweile stehen drei gemütliche Zimmer zur Verfügung, die über eine Buchungsplattform und die eigene Webseite buchbar sind und seit kurzem auf der Webseite des Jurapark erscheinen. Im grosszügigen Gemeinschaftsraum des ehemaligen Elternhauses von Sabine Benz stehen Flugzeugsessel von Crossair und weitere aviatische Erinnerungsstücke mit Nostalgiewert. Ihr Vater war Linienpilot gewesen; durch ihn fanden einzigartige Stücke ihren Weg ins B&B an der Sonnhalde in Oeschgen.

Richtiger Schnee
Nach dem Ende des friedensfördernden Einsatzes wird Freiermuth erst Skifahren: «Ich möchte wieder einmal richtigen Schnee unter den Brettern haben.» Zwar sei Skisport in Südkorea möglich, aber Kunstschnee ist nicht sein Ding. «Die Pisten sind maximal eineinhalb Kilometer lang. Alles ist beschallt und beleuchtet, der Bezug zu alpinen Bergwelten fehlt. Auch deswegen freue ich mich auf unsere Berge und werde den Wintersport umso mehr geniessen.»

Ob er nach seiner Rückkehr in die Schweiz als Lehrer ins Klassenzimmer zurückkehren oder berufliches Neuland beschreiten wird, weiss Adrian Freiermuth noch nicht. Er ist nicht in Eile und nimmt sich Bedenkzeit. Etwas wehmütig blickt er aber jetzt schon auf seinen Einsatz in Panmunjeom zurück. «Am 27. Januar werde ich nach zwei Jahren aus Südkorea abreisen. Ich weiss jetzt schon, dass ich danach wohl nie mehr an diesen Ort zurückkehren kann.»


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