Vom Ohrwurm bis zum fast gänzlich Unbekannten

  05.11.2022 Fricktal, Rheinfelden, Kultur, Unteres Fricktal

Liederabend mit Regula Mühlemann und ihrem Ensemble in Rheinfelden

Selten ertönt in einem Konzert so viel Neues für das Publikum wie an diesem Liederabend mit Regula Mühlemann, Tatiana Korsunskaya (Klavier), Konstantin Timokhine (Naturhorn) und Markus Niederhauser (Klarinette). Nach zwei der bekanntesten Lieder Schuberts folgten vor allem Gesangsstücke von für die meisten unbekannten Schweizer Komponisten.

Edi Strub

Das Konzert wurde von Regula Mühlemann mit zwei Perlen aus den Liederbüchern von Franz Schubert eröffnet. «Wenn ich nur ein Vöglein wäre, ach, wie wollt’ ich lustig fliegen» hiess es im «Der Knabe». Und damit war der Ton des Abends angeschlagen. Regula Mühlemann singt und zwitschert wunderbar leicht und unbeschwert, zwischendurch, wenn es passt, aber auch mit Pondus und opernhaftem Glanz. Sehr gelungen, wie sie hierauf die Lieder des 1820 in Rorschach geborenen Schweizers Wilhelm Baumgartner gestaltete. Von ihm, der ein geschätzter Freund von Richard Wagner und Gottfried Keller war, kennt man allenfalls «Noch sind die Tage der Rosen». Alles andere findet kaum je den Weg in die heutigen Konzertsäle. Dasselbe gilt für die folgenden Lieder von Othmar Schoeck, Richard Flury, Emil Frey, Richard Langer und Friedrich Niggli, die an diesem Abend erklangen. Da schlummerten während Jahrzehnten Schweizer Liederschätze, die den Vergleich mit Bekannterem nicht zu scheuen brauchen. Die Überschriften «Edelwyss» und «Plange» lassen Kitschiges und Belanglos-Volkstümliches befürchten. Aber so ist es nicht.

Als eine Art Entreact erklang dann das Pianosolo «Au lac de Wallenstadt» von Franz Liszt – subtil und doch kraftvoll vorgetragen von Tatiana Korsunskaya. Dieses kurze Klavierstück hört man einmal und vergisst es dann nie wieder. Zuerst schlagen die Wellen ruhig an die Ufer des Walensees, dann wird es stürmisch, um am Ende still auszuklingen. Ein Meisterstück des von der Schweiz begeisterten ungarischen Klaviervirtuosen! In die Pause entlassen wurden die Konzertbesucher wieder mit Schubert: «Auf dem Strom» arrangiert für Sopran, Horn und Klavier. Wunderbar der Klang des Naturhorns in Zusammenspiel mit dem Sopran von Regula Mühlemann. Gerne hätte man noch ein oder zwei Stücke mehr in dieser Besetzung gehört.

Eröffnet wurde der zweite Teil des Konzert mit dem «Vreneli vom Guggisberg». Es ist ein Kleinod der Schweizer Volksliedtradition – bemerkenswerterweise in Moll gesetzt, was ihm ein ganz besonderes Timbre verleiht. Dann waren zwei Lieder einer welschen Komponistin an der Reihe und schliesslich zwei Stücke in der vierten Landessprache – dem Rätoromanischen. Doch was ist mit dem Italienischen? – Aus der italienischsprachigen Schweiz habe sich nichts Passendes gefunden, schreibt Regula Mühlemann in einem der Programmhefte. Und so kam stattdessen zuerst die Pastorella von Franz Schubert nach einem Text von Goldoni zum Zuge und hierauf «La Pastorella dell’Alpi» von Gioacchino Rossini. Die hat allerdings nichts mit der Schweiz zu tun hat, sondern ist mit «tirolese» überschrieben. Das Hirtenmädchen zeigt kokett-divenhafte Züge, die die Opernsängerin Mühlemann natürlich mit Lust zu gestalten wusste.

Was gabs zum Dessert? – «Der Hirt auf dem Felsen» von Franz Schubert, dessen letzter Teil wiederholt werden musste, weil der Ohrwurm mit den Klarinettensoli dem Publikum natürlich ganz besonders gefiel. Nicht anders war es mit dem zweiten Extra, einem Arrangement für Sopran, Klarinette, Horn und Klavier von Gustav Mahler. Meisterhaft gespielt und gesungen von den vier.

Auch davon hätte man gerne mehr gehört. Vielleicht im nächsten Konzert von Klassiksterne mit Regula Mühlemann und ihren «Freunden», wie sie die Begleitenden nennt?


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