Aus der Langeweile heraus entstand eine neue Passion

  31.10.2022 Hornussen

Charly Herzog aus Hornussen ist fast 10 000 Kilometer gelaufen

Zu den Söhnen in Laufenburg, nach Frick zum Zahnarzt, nach Oberzeihen an einen Termin der Kirchenpflege: Charly Herzog geht zu Fuss. Dass er auch das Postauto nehmen könne, komme ihm gar nicht mehr in den Sinn, erzählt er.

Karin Pfister

Wenn Karl Herzog – im Oberen Fricktal besser bekannt als Charly – die Haustüre öffnet und losmarschiert, läuft und läuft er. Er trägt weder moderne Sportkleider noch High-Tech-Schuhe noch hat er eine Trinkflasche dabei. Pausen gibt es keine. «Wenn ich unterwegs bin, ziehe ich es durch», sagt er. Rund zwei bis drei Stunden sind das jeden Tag, bei Wind und Wetter, ohne Ausnahme. Bei Regen packt er einen Schirm ein, bei Sonne den Hut, während der Pilzsaison hat er ein Stoffsäckli und ein Messer im Hosensack und wenn er weiss, dass er auf dem Rückweg in Frick vorbeikommt und noch Besorgungen machen muss, nimmt er einen Rucksack mit.

Während Corona angefangen
Durch das regelmässige Laufen – es sind rund 10 bis 15 Kilometer pro Tag – hat sich seine Wahrnehmung der Distanzen verändert. «Der Weg nach Frick ist für mich quasi nichts mehr.» Er geht zu Fuss zum Zahnarzt oder läuft nach Oberzeihen, wenn er dort einen Termin hat. Dass er auch das Postauto nehmen könnte, komme ihm gar nicht mehr in den Sinn, so selbstverständlich ist das Laufen geworden. Zwei seiner Söhne wohnen mit ihren Familien in Laufenburg. «Wenn wir sie besuchen, gehe ich natürlich zu Fuss», erzählt er, auch wenn ihn die Enkelkinder manchmal etwas aufziehen mit der ständigen Lauferei, wie er schmunzelnd ergänzt.

Angefangen hat Charly Herzog damit während Corona, zuerst aus Langeweile, danach hat es ihn gepackt. «Ich bin schon früher immer mal wieder zu Fuss unterwegs gewesen, aber nie so regelmässig wie jetzt.» «Ich fühle mich mit 71 fitter als mit 50», sagt er. Damals sei er natürlich aufgrund der Berufstätigkeit jeden Tag acht Stunden im Büro gesessen und abends oft noch an Sitzungen, für Sport sei nur wenig Zeit geblieben. Durch das Laufen hat er in den vergangenen zweieinhalb Jahren über zehn Kilogramm abgenommen. «Das war nicht das Ziel; ich habe ganz normal wie vorher gegessen, aber die Bewegung hat den Körper automatisch verändert.»

Mit Knopf im Ohr
Im Hosensack hat er auf seinen Runden im Fricktal und hin und wieder auch im Schwarzwald, wo er auch fast jeden Stein kenne, immer das Handy mit Schrittzähler. «Ich bin jetzt bei 9920 Kilometern, seit ich angefangen habe.» Allerdings stehe hinter der Kilometeranzahl kein Plan. «Ich bin vor zweieinhalb Jahren einfach losgegangen und bin immer noch weiter gegangen, habe da und dort eine Zusatzschleife angehängt und jetzt geht es nicht mehr ohne. Mein Körper will sich bewegen.» Eine seiner Lieblingsrunden führt von Hornussen oben an den Reben durch, Richtung Elfingen und dann über die Sennhütte in Effingen wieder zurück. «Ich geniesse es in der Natur zu sein und ich komme zu Fuss an Orten vorbei, an denen ich vielleicht zuletzt in meiner Jugend einmal war.» Überhaupt sei man von Hornussen aus, «blitzschnell» in der Natur draussen, auf einem Hügel und dann schon im nächsten Dorf. Wenn er über geteerte Strassen wie den Radweg laufen muss, dann hat er meistens den Knopf im Ohr und hört «als Musikant und Dirigent natürlich Blasmusik oder etwas Klassisches.» Man kenne ihn inzwischen in der Region als «Laufender», erzählt er. «Ich treffe unterwegs immer allerlei Menschen und auch die Postauto-Chauffeure winken mir.»

«Fürobebier» gehört dazu
Charly Herzog ist in Hornussen aufgewachsen und nach kurzen Abstechern in andere Regionen des Kantons und einem Jahr in Genf wieder in die Gemeinde zurückgekehrt. Zusammen mit seiner Frau Rösli hat er die drei Söhne Thomas, David und Lukas grossgezogen, bis zu einer Pensionierung war er im Bereich Maschinenbau tätig.

Über 40 Jahre lang musizierte und amtete er als Dirigent, bei den Hornussern, den Ittenthalern und in Schupfart. Er ist seit über zehn Jahren Präsident der Kirchenpf lege, leitet seit zwanzig Jahren die Wallfahrt ins Todtmoos und ist im Schützenverein Hornussen.

Meistens geht Charly Herzog am späteren Nachmittag los, weil zum Laufen gehört als Abschluss auch das «Fürobebier». So gerne er alleine unterwegs ist – «so kann ich mich in meinem Tempo und Rhythmus bewegen» – so gerne hat er auch das Gesellige. «Der Besuch in der Beiz und der Austausch mit Kollegen gehört einfach dazu».


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