«Beziehung sehr sorgfältig pflegen»

  30.08.2022 Rheinfelden, Kommende Events

Gratulationen der badischen Schwesterstadt zum 100-Jährigen

Mehrfach war am offiziellen Festakt des Jubiläumjahres der Stadtgründung Badisch-Rheinfelden 1922 von den guten Beziehungen zur Schweizer Nachbarstadt die Rede. Aber auch die Freundschaft zu vielen Partnerstädten in Europa seit über 50 Jahren war Thema.

Boris Burkhardt

«Stadterhebung durch Staatsministerium unterm 7. Oktober genehmigt.» So kurz und nüchtern wurde die Gemeinde Nollingen 1922 zur Stadt Badisch-Rheinfelden erhoben – Oberbürgermeister Klaus Eberhardt zitierte in seiner Rede am offiziellen Festakt am vergangenen Donnerstag im Bürgersaal vor rund 400 Gästen aus dem handschriftlichen Telegramm Nr. 4073 der badischen Regierung. Wesentlich mehr Pathos findet sich in den Worten des ersten Bürgermeisters Rudolf Vogel, der anlässlich einer Feierstunde der Meinung war: «So muss sich jedem der Gedanke aufdrängen, es habe sich etwas Aussergewöhnliches in unserer Gemeinde ereignet».

Zum Festakt 100 Jahre später waren Vertreter des Landes Baden-Württemberg zur Gratulation nach Rheinfelden gereist, Bürgermeister aus der Nachbarschaft, Vertreter von Behörden und aus der Wirtschaft, Delegationen aus den Partnerstädten Fécamp in Frankreich, Mouscron in Belgien und Neumarkt in Südtirol – Städtefreundschaften, die bereits älter als 50 Jahre sind. Lediglich die Waliser aus Vale of Glamorgan waren wegen der Stornierung ihres Flugs nicht anwesend.

Ausdruck eines gemeinsamen Europa
Spontanen Applaus bekam Eberhardt für seine Bemerkung, die Jumelages seien ein «Ausdruck eines gemeinsamen Europas in Freiheit, Frieden und Demokratie». Er dankte den Partnerstädten, die «nach den unheilsamen und brutalen Erfahrungen des Nationalsozialismus den Mut gefasst haben, wieder in eine nachhaltige Freundschaft mit uns in Deutschland einzutreten.» Eberhardt vergass aber natürlich auch die Schweizer Schwesterstadt nicht: Ebenfalls Applaus gab es, als er feststellte, dass die Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der Schweizer Seite schon 1945 «absolut funktioniert» habe, als die Schweizer es 1074 Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern aus Badisch-Rheinfelden ermöglichten, die Grenze zu überqueren, bevor die Franzosen einmarschierten oder die Nazis sie wie befohlen erschossen hätten. Als Meilensteine der jüngeren Geschichte nannte Eberhardt die «Grün 07», die Soziale Agenda und die Entente Florale. Rheinfeldens Stadtammann Franco Mazzi konstatierte umgekehrt, vor allem im Hinblick auf die Partnerstädte: «Das junge badische Rheinfelden eröffnet uns Schweizer Rheinfeldern den Blick nach Europa.» Beide Rheinfelden seien seit vielen Jahren ein Musterbeispiel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit: «Diese Beziehung müssen wir sehr sorgfältig pflegen.»

In seinen humorigen Grussworten konnte es Mazzi nicht lassen, das Alter von fast 900 Jahren «seines» Rheinfeldens zu betonen: «Eigentlich müssten wir nicht von ‹Schwesterstadt› sondern von ‹Mutterstadt› sprechen.» 2030 feiert Rheinfelden/ Schweiz das grosse Jubiläum. Mazzi verriet aber, dass eigentlich beide Rheinfelden mit dem Jubiläum falsch lägen: Denn eine Urkunde, die neu im St. Galler Klosterarchiv aufgetaucht sei, belege die Schenkung des Dorfes Nollingen und des Görbelhofes durch einen «gewissen Alemannen Dudar» an das Kloster St. Gallen im Jahr 752. Damit seien die Keimzellen beider Rheinfelden, der Ortsteil Nollingen und der Görbelhof südlich des heutigen Wohngebiets Augarten nicht nur gleich alt, sondern mit 1270 Jahren auch deutlich älter als bisher angenommen.

Immer wieder war in Eberhardts Rede, den Grussworten und im anschliessenden kurzen Podiumsgespräch die Rede davon, dass es in Badisch-Rheinfelden ein überdurchschnittlich grosses zivilgesellschaftliches Engagement gebe. Das hätten die Rheinfelder schon vor der Stadtgründung bewiesen, als das kleine Bauerndorf Nollingen mit der Infrastruktur der rasant wachsenden Industriesiedlung völlig überfordert war und die Bürger selbst entsprechende Vereine gründeten. Das habe Rheinfelden aber zuletzt bewiesen, als die Stadt im Vorfeld des Jubiläums in finanzieller Not das Festbudget radikal zusammengestrichen habe: Es sei «phänomenal», wie sich das Festprogramm durch viele Initiativen von Vereinen und Privaten «ohne Masterplan zusammengestellt habe», sagte beispielsweise Wolfgang Bocks, Vorsitzender des Arbeitskreises Geschichte im Verein Salmegg und Herausgeber der Jubiläumschronik: «Rheinfelden ist in diesem Jahr noch mehr zusammengerückt.»

Der Festakt fand nicht am eigentlichen Jahrestag, dem 7. Oktober statt, damit die Delegationen der Partnerstädte zum Trottoirfest, auf dem sie stets kulinarische Spezialitäten aus ihrer Heimat anbieten, am vergangenen Wochenende nicht zweimal anreisen mussten. Ausserdem wollte Eberhardt im Hinblick auf mögliche Coronamassnahmen im Herbst «keinen Maskenball veranstalten».


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