«Mein Blick aufs Dorf hat sich stark verändert»

  30.04.2022 Wölflinswil

Giuliano Sabato arbeitet von Herzen gern für Wölflinswil

Er schätzt Oberhof als Partner und engen Verbündeten und weiss, dass die Frage nach einer Fusion kommen wird. Für den Unterabteilungsleiter Strassenunterhalt beim Kanton und neuen Wölflinswiler Gemeindeammann Giuliano Sabato haben in den ersten Monaten seiner Amtszeit aber andere Themen Priorität, wie er im Gespräch mit der NFZ ausführt.

Interview Simone Rufli

NFZ: Herr Sabato, sind Sie in Ihrem neuen Amt als Gemeindeammann angekommen?
Giuliano Sabato:
Ich bin auf dem Weg, habe aber nicht den Anspruch, nach etwas über 100 Tagen schon alles zu wissen. Die erste Standortbestimmung wird die Gemeindeversammlung im Juni sein. Dort werde ich spüren, wo ich stehe. Die Vorlagen mussten bis im März bereit sein, damit war ich stark absorbiert.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit im Gemeinderat?
Ich bekomme Unterstützung von allen Seiten, von meiner Vorgängerin, vom Gemeindescheiber, vom Finanzverwalter, innerhalb des Gemeinderats, von der Verwaltung. Der Ammann hat eine wichtige Position in einer Gemeinde. Mir ist es wichtig, dass durch den Wechsel keine Zäsur entsteht. Mit der Zeit möchte ich neue Impulse geben.

Sie waren vor Ihrer Wahl zum Gemeindeammann nicht im Gemeinderat.
Durch meine beruf liche Tätigkeit beim Kanton bin ich die Abläufe gewohnt. Ich arbeite immer eng mit Gemeinderäten zusammen. Strassenunterhalt hängt mit kommunalen Entscheiden zusammen. Neu ist, dass ich nun als Ammann in der Verantwortung stehe und den Überblick über sämtliche Dossiers haben muss, denn nur so bin ich in der Lage, Entscheide zu treffen und mitzugestalten.

Wie kommen Sie zurecht mit dem langsameren, auf Kompromiss ausgelegten Prozess der politischen Entscheidungsfindung?
Normalerweise höre ich aus der Privatwirtschaft, dass es beim Kanton auch langsam geht. (Er lacht.) Ich musste mit Schrecken feststellen, dass es an beiden Orten sehr ähnlich ist. Aber im Ernst, ich muss an beiden Orten wissen, was ich will und die Rahmenbedingungen einhalten. Klar geht es beim Kanton etwas schneller, weil meine Ansprechpartner immer zur Stelle sind, während in der Gemeinde schon Zeit verloren geht, bis alle Involvierten einen Termin für eine Besprechung finden. Es ist schade, dass man nicht Vollzeit für die Gemeinde arbeiten kann.

Nach sieben Jahren als Schulpfleger haben Sie nun das Bildungsressort übernommen – ein Vorteil, jetzt wo die Gemeinde die Aufgaben der abgeschafften Schulpflege übernehmen muss?
Das ist sicher ein Vorteil. Mir fehlt aber der Austausch, wie er in der Schulpflege stattgefunden hat. Als Alleinunterhalter ist die Qualität der Entscheide nicht unbedingt besser. Im Sumpf mit allen anderen Aufgaben, kann man sich nicht mehr so gut auf ein einzelnes Gebiet konzentrieren. Immerhin bin ich in der komfortablen Lage, dass wir zusammen mit Oberhof eine gemeinsame Schulleitung haben. Somit steht mir immer ein Gemeinderat aus Oberhof als Gesprächspartner zur Verfügung. Trotzdem will ich mir die Option für eine gemeinderätliche Kommission offenhalten.

Was hat Sie bisher am meisten gefreut?
Dass ich als Gemeindeammann die Gratulationen zu Diamant-Hochzeiten und Geburtstagen überbringen darf. Das sind für mich extrem wertvolle und sehr persönliche Begegnungen. Eine Jubilarin hat mich am Telefon gebeten, auf keinen Fall Blumen mitzubringen. Das hat uns auf der Gemeinde grundsätzlich über das Geschenk nachdenken lassen. Jetzt bringen wir anstatt Blumen eine Auswahl Lebensmittel aus dem Dorf mit. Das kommt gut an.

Freude bereiten mir auch die Besuche von Vereinsanlässen. Es ist mir ein Bedürfnis, meinen Respekt und meine Wertschätzung gegenüber dem unbezahlbaren Einsatz auszudrücken, den all die Vereinsmitglieder für unser Dorfleben leisten. Es ist für mich aber auch ein enorm wichtiger Echo-Raum. Denn ich bin dankbar für jede Rückmeldung aus der Bevölkerung.

Was hat Sie überrascht?
Das Verständnis der Bevölkerung für das Spannungsfeld, in dem sich ein Gemeinderat befindet. Wenn man den Leuten aufzeigt, wo der Spielraum liegt, wo Grenzen sind und dass man alles gegeben hat, den Spielraum auszunützen, dann haben sie überraschend viel Verständnis.

Womit haben Sie nicht gerechnet?
Dass mir die Arbeit für die Gemeinde noch viel mehr Spass macht, als ich erwartet habe. Und das, obwohl der Aufwand grösser ist als erwartet, vor allem, wenn man das Amt mit einem gewissen Ehrgeiz ausüben will.

Grosser Aufwand gleich wenig Freizeit.
Ich muss mir bewusst Inseln schaffen. Zeit mit meiner Frau und den Kindern verbringen. Die Familie gibt mir Kraft, dazu Sport, Lesen und der Garten – wenn ich dazu komme. Ich habe weniger freie Zeit, pflege sie aber bewusster.

Wenn die erste Gemeindeversammlung durch ist, was nehmen Sie dann in Angriff?
Die Finanz- und Infrastrukturplanung, damit sich das Dorf entwickeln kann. Wobei wir finanziell nicht auf Rosen gebettet sind.

Womit wir beim Thema Fusion angekommen sind.

Wölflinswil ist ein starkes Dorf, mit starker Identifikation, einer wunderbaren Natur und einem unglaublichen Vereinsleben. Seit 1970 haben wir die Gemeinschaftsverwaltung mit Oberhof und wir haben eine gemeinsame Schulverwaltung. Umgekehrt ist es schon so, dass die Aufgaben für kleinere Gemeinden immer schwieriger und aufwändiger werden.

Was ist für Wölflinswil der richtige Weg? Wir werden in dieser Legislatur zusammen mit der Bevölkerung und mit Oberhof eine Standortbestimmung vornehmen. Die Zusammenarbeit mit Oberhof schätzte ich übrigens sehr. Monatlich findet ein Austausch statt auf Ebene Gemeindeammann und Vizeammann und periodisch treffen sich die beiden Gemeinderäte als Ganzes.

Wo sehen Sie sonst Handlungsbedarf?
Wir werden in nächster Zeit unsere rückständige EDV modernisieren. Das Ziel muss es sein, mit den sogenannt weichen Kriterien – dazu gehört es, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und für die Bevölkerung ein attraktives Dorf leben zu bieten – Fachkräfte ins Dorf zu holen. Auf die harten Kriterien, wie Löhne, haben wir wenig Einfluss.

Hat sich Ihr Blick auf Wölflinswil verändert?
Oh ja! Ich habe schon immer gern hier gewohnt, aber jetzt sind mein Blick und die Verbundenheit noch viel tiefer. Wölf linswil ist meine Herzensangelegenheit. So sehr, dass ich mir von meiner Frau auf den Geburtstag eine Fahne mit dem Gemeindewappen habe schenken lassen.

Ein gutes Stichwort für die letzte Frage: Findet es Ihre Familie immer noch gut, dass Sie für das zeitintensive Amt kandidiert haben?
Ich werde von meiner Familie getragen! Meine Frau und auch meine Töchter unterstützen mich seit Beginn der Kandidatur sehr. Als Familie nützen wir die gemeinsame Zeit intensiver und unsere Verbindung ist noch stärker als zuvor.


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