«Das Publikum macht jede Vorstellung einzigartig»

  30.04.2022 Frick, Persönlich, Kultur

Stephan Bürgi spielt aktuell im Basler Fauteuil

Seit 1990 lebt Stephan Bürgi in Berlin. Der im «Rebstock» in Frick aufgewachsene Schauspieler ist derzeit öfters in der Region, da er in der «HD-Soldat Läppli»- Produktion in Basel mitspielt.

Janine Tschopp

«In diesem Haus kenne ich jeden Nagel», sagt Stephan Bürgi. Er spricht von dem Gebäude, das schräg gegenüber des Cafés liegt, wo er sich mit der Journalistin fürs Gespräch trifft. Es sei damals eine schmerzhafte Entscheidung gewesen, den «Rebstock» zu verkaufen. «Wir haben alle am Haus gehangen.»

Mit zwei Brüdern und einer Schwester ist er im Fricker Traditionsrestaurant, das seit 1931 im Besitz der Familie Bürgi war, aufgewachsen. Sein Vater starb, als er erst 13 Jahre alt war. So mussten er und seine Geschwister schon früh Verantwortung übernehmen. «Ich bin kein Wirt und kann weder kochen noch servieren», erklärt er mit einem Schmunzeln. Aber, durch den frühen Verlust seines Vaters, habe er schon in jungen Jahren gelernt, auch wirtschaftlich zu denken. Organisatorisches liege ihm. Und im Restaurant war ihm schon als Bub klar geworden, was man alles erreichen kann, wenn man in die gleiche Richtung zieht.

Ende 2014 hatte die Familie den «Rebstock» geschlossen. Im Herbst des darauffolgenden Jahres war es die Gemeinde Frick, welche die Liegenschaft kaufte. Auch wenn es heute nicht mehr seiner Familie gehört, hat Stephan Bürgi noch viele Erinnerungen an diesen für ihn wichtigen Ort. Stephan Bürgi ist froh, dass der «Rebstock» wieder ein gastliches Haus ist, wo Menschen gerne ein und aus gehen.

Berufswunsch mit 13 Jahren schon klar
Als 13-Jähriger wusste Stephan Bürgi bereits, dass er später Schauspieler werden wollte. Das lebte er auch während der Schulzeit aus und wurde dabei durch seine Lehrer unterstützt. Obwohl sein Berufswunsch in eine andere Richtung ging, absolvierte er nach der Schule in Frick eine Lehre als Radio-TV-Elektriker. Warum ging er nicht direkt in Richtung Schauspielerei? «Durch den frühen Tod meines Vaters hatte meine Mutter damals viele Sorgen», gibt er zur Antwort. So habe er sich mit seinem nicht gerade alltäglichen Berufswunsch vorerst zurückgehalten.

Auch nach der Lehre war für ihn klar, in welche Richtung er beruflich gehen wollte. «Obwohl ich überhaupt keine Ahnung vom Schauspielberuf hatte. Entsprechend stolperte ich zuerst einmal ganz naiv durch die Aufnahmeprüfung in Bern, die ich dann auch komplett ‹verseppelte›.»

Später war er als Fernsehtechniker in Zürich tätig und erhielt 1988 die Möglichkeit, für ein Badener Theaterprojekt für einen Monat in die damalige DDR zu reisen. Die sichere Stelle in Zürich kündigte er. Durch andere Studenten wurde er auf die Schauspielschule in Ost-Berlin aufmerksam. Er bewarb sich und bestand die Aufnahmeprüfung. Von über 2000 Bewerbungen waren es pro Jahr jeweils nur 25 Studenten, welche den Zuschlag erhielten. Er erzählt, dass er die Sache auch damals noch ziemlich naiv angegangen sei. «Manchmal ist eine gewisse Naivität gut», schmunzelt er.

Vom Fricktal nach Berlin
Dann, 1990, verliess Stephan Bürgi das Fricktal und zog nach Berlin. Während vier Jahren studierte er dort an der Hochschule für Schauspielkunst «Ernst Busch». Diese Zeit war für ihn in mehrerlei Hinsicht prägend. So wurde an der Schauspielschule, welche als eine der renommiertesten gilt, im praktischen Unterricht an der Stimmbildung, der Schauspieltechnik und an der Körperlichkeit gearbeitet. Dazu gehörten auch Fechten und Akrobatik.

Zudem war Bürgi Studentenvertreter und somit hautnah am politischen Geschehen in Berlin. «Das war extrem spannend.» Als er 1990 nach Berlin kam erlebte er just die Zeit zwischen dem Mauerfall und der Wiedervereinigung. «Wir waren das erste gemischte Studienjahr mit Ossis und Wessis.» Es war auch die Zeit, als aufgrund der Wiedervereinigung in Berlin viele Institutionen doppelt vorhanden waren und es darum ging, sich gegenüber der anderen zu behaupten. «Von den Schauspielschulen konnten sich beide durchsetzen», erwähnt Bürgi eine Ausnahme. Die Wiedervereinigung beschreibt er als sehr langen und «schmerzhaften» Prozess. Von Beginn an lebte er immer im östlichen Teil der Stadt.

Seit 1997 freischaffend
Seit 1997 ist der Fricker freischaffend. Er schätzt die Vielseitigkeit seines Berufs und fühlt sich sowohl auf der Bühne als auch vor der Kamera sehr wohl. Er führt zudem Regie und gibt Schauspielunterricht. Seit fünf Jahren, nachdem er von 2014 bis 2016 für das Musical «Das Wunder von Bern» in Hamburg festangestellt war, ist er wieder freischaffend. Seinen Wirkungskreis hat er noch erweitert, indem er sich zum Mediator ausbilden liess.

Aktuell ist der 55-Jährige regelmässig in der Region anzutreffen, da er bei der Fauteuil-Produktion «HD-Soldat Läppli» in Basel gleich in drei verschiedene Rolle schlüpft. Es macht ihm grossen Spass, Teil des Ensembles zu sein. «Das Theater Fauteuil hat eine unglaubliche Wärme und Qualität», schwärmt der erfahrene Schauspieler.

«Auch in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass die Menschen lachen. Das ist Seelenhygiene. Jetzt wurden Szenen im ‹HD-Soldat Läppli› plötzlich wieder hochaktuell. Und es zeigte sich wieder, dass schwierige Themen durchaus auch humoristisch beleuchtet werden können. Auch in der heutigen Zeit.»

Der Vollblut-Schauspieler ist glücklich, nach der Coronapause wieder vor Publikum zu spielen. «Theater braucht Publikum, denn das Publikum spielt eine grosse Rolle. Und so wird jede Vorstellung einzigartig.»


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