Zwischen Coronatests und Therapieliegen

  26.02.2022 Fricktal

Bob: Felix Zimmermann – Physiotherapeut an den Olympischen Spielen

Felix Zimmermann war der einzige Oberbaselbieter an den Olympischen Winterspielen in Peking. Als erfahrener Sport-Physiotherapeut begleitet er die Schweizer Bobdelegation unter anderem auch an Weltcuprennen. Trotz Einschränkungen gefiel es ihm an den Spielen: «Ich liebe das internationale Umfeld und die Spannung im Spitzensport.»

Luana Güntert/ Volksstimme

Grosse und kleine Halfpipes, Sprungschanzen, flache und steile Skipisten, Eishallen und Eiskanäle. Athletinnen und Athleten aus aller Welt, aus grossen Ländern wie Deutschland oder Kanada, aber auch aus kleinen Ländern wie den Amerikanischen Jungferninseln, Osttimor oder Andorra. Während 14 Tagen waren die Olympischen Winterspiele in Peking den ganzen Tag zu sehen. Mit dabei und doch immer im Hintergrund: ein Oberbaselbieter. Felix Zimmermann aus Buus begleitete die Schweizer Bobdelegation als Physiotherapeut.

Viele Medien berichteten im Vorfeld der Spiele über die mühsame Einreise nach China. Bilder von mit Fiebermessern «bewaffneten» Stewardessen und Flughafenangestellten in Ganzkörperanzügen, Schutzbrillen und Gummistiefeln gingen um die Welt. Doch ist die Einreise nach China wirklich so schlimm?

«Dieses Flughafenpersonal in Peking hat auf mich einen surrealen Eindruck gemacht. Es wirkte sehr futuristisch, da man das in der Schweiz so nicht kennt», sagt Felix Zimmermann am Telefon. Trotzdem fand er die Reise nicht schlimm, da er sich das Reisen gewohnt ist und mit den Schweizer Bobfahrern bereits im Oktober ein erstes Mal nach China gef logen war, um die Bahn zu besichtigen und Trainingsläufe zu absolvieren. Die vielen Informationen vom Verband im Voraus halfen, dass sich alle gut darauf einstellen konnten. «Trotz des etwas verstörenden ersten Eindrucks in China lief alles reibungslos ab, es gab nur kurze Wartezeiten, und die Abläufe am Flughafen waren super organisiert», sagt er.

Militärkarriere
Zu seinen Job bei Swiss Sliding, dem Schweizer Dachverband für Bob, Rodeln, Skeleton und Hornschlitten, kam der 48-Jährige über das Militär. «Das ist eine lustige, etwas komplizierte Geschichte», sagt er. Er arbeitete damals als Physiotherapeut in der Merian-Iselin-Klinik in Basel und absolvierte im Militär die Offiziersschule. Als Grenadier Oberleutnant wurde er vor zwölf Jahren von einem befreundeten Ski-Athleten angefragt, ob er nicht als Trainer bei Swiss Ski, dem Schweizer Dachverband der Skifahrer, mitwirken möchte. So rutschte er damals in die Skiszene hinein. Bald behandelte und trainierte er als Physiotherapeut nebst Spitzenskifahrern auch einige Schwinger, unter anderem den erfolgreichen und kürzlich zurückgetretenen Nordwestschweizer Schwinger David Schmid aus Wittnau.

Ein Arbeitskollege von Zimmermann hatte den Bobverband unter sich und fragte ihn ein paar Jahre später, ob er nicht Lust hätte, etwas Bobluft zu schnuppern. «Mir hat es sofort den Ärmel reingezogen», sagt er. Ihn fasziniert die Kombination aus Kraft, Schnellkraft, Material und Technik. Also wechselte er damals die Sportart und begleitet seither die Bob-Athleten im Weltcup und ist ebenso im Nordwestschweizer Schwingverband engagiert. Seinen obligatorischen Militärdienst hat er beendet, doch aufgrund der freiwilligen Dienstverlängerung im Spitzensportbereich ist es ihm möglich, seiner Aufgabe als Physiotherapeut bei Swiss Sliding immer noch nachzukommen. Geschäftlich gesehen ist dieser Status ideal für alle Beteiligten, denn so ist sein Lohnausfall der Erwerbsersatzordnung unterstellt.

Verbrennungsgefahr
Auch privat durfte er den Arbeitgeber wechseln. Nachdem er die Merian-Iselin-Klinik verlassen hatte, arbeitete er ein paar Jahre in der Rennbahnklinik. 2015 war er Mitgründer der Altius-Klinik in Rheinfelden und ist nun Leiter der Physiotherapie sowie der Leistungsdiagnotik und Biomechanik. Da diese Klinik auf Sportmedizin spezialisiert ist, profitieren auch die Bobfahrer. «Die Verletzungen im Bobsport sind jenen in der Leichtathletik sehr ähnlich, also oft durch Beschleunigung ausgelöst», sagt er. Zerrungen an den Waden und am hinteren Oberschenkel oder Muskelfaserrisse am Oberschenkel sind am häufigsten. Trotzdem gibt es auch ganz typische Bob-Verletzungen: «Hautverbrennungen kommen leider auch vor, wenn die Athleten im Eiskanal stürzen und nicht gut geschützt sind.» Er betont auch die Gefährlichkeit von Stürzen mit ungenügendem Schutz, die sehr unschön enden können, da die Schlitten mit über 100 km/h den Eiskanal herunterdonnern.

Sein Tagesablauf in China sah immer anders aus. «Wir hatten die Bobbahn zu unterschiedlichen Uhrzeiten für Trainingsläufe zur Verfügung», sagt er. Wenn das Bahntraining zum Beispiel am Nachmittag stattfand, standen er und die Athleten trotzdem früh auf. Nach einem ausgiebigen Frühstück in der ‹Dining Hall› behandelte er Athleten in seinem Physioraum, und die Athleten, die keine Behandlung brauchten, trainierten individuell. An so einem Tag ging es nach dem Mittagessen für alle auf die Bahn. Zimmermann ging entweder direkt mit oder er trainierte noch kurz individuell mit einem Athleten im Kraftraum, der ein Problem hat. Später ging es dann zusammen auf die Bahn.

Vielfältige Speisen
Vom Essen ist der Baselbieter begeistert, obwohl er zuvor nur negative Dinge über das Essen in China gehört hat. «Man hörte Sachen wie ‹nimm Haferflocken mit, damit du diese im Notfall essen könntest› und andere Horrorgeschichten», sagt er. Die Auswahl in der ‹Dining Hall› sei gigantisch gewesen, er liebte es, sich durch das ganze Sortiment zu essen und alles zu testen. Das Essen in der ‹Dining Hall› stand 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Es wurden viele verschiedene Speisen aus der ganzen Welt und auch halale und vegane Gerichte angeboten. «Das IOC hatte eine riesige Küchenequipe engagiert. Ich muss über Leute schmunzeln, die sich über das Essen beklagen und jeden Tag dasselbe essen, denn zu Hause haben sie ja wohl auch nicht eine solche Auswahl», sagt er. Trotzdem verstehe er die Athleten, die vor dem Wettkampf kein Risiko eingehen wollen, das könne sonst buchstäblich in die Hosen gehen.

Materialschlacht
Für die ganze Schweizer Bob-Crew stellte das Training vor Ort eine grosse Herausforderung dar. «Vom IOC hatten wir einen offiziellen Trainingsraum zur Verfügung gestellt bekommen. Aufgrund der Ansteckungsgefahr durch Athleten aus anderen Nationen hatten wir uns entschieden, eigenes Trainingsmaterial mitzunehmen und vor Ort einen eigenen Raum zu mieten. Der offizielle Raum vom IOC wurde eben auch von anderen Athleten benutzt», sagt Zimmermann. Das Trainingsmaterial umfasste einen Hometrainer, Springseile, Gummibänder, koordinative Geräte und Hanteln mit Gewichtsscheiben. Die Scheiben wiegen total mehr als 200 Kilogramm.

Kontrolliertes Terrain
Eingesperrt fühlte sich Zimmermann nicht, obwohl es auf dem ganzen Areal Sicherheitsleute hatte und man das Gelände nicht verlassen durfte. In Pyeongchang an den Winterspielen 2018 war das auch so. «Dort kam ich sogar mit dem Militär in Kontakt, weil ich Fotos gemacht habe. Diese musste ich dann löschen», lacht er.

Von Zimmermann betreut werden einige bekannte Bob-Gesichter. So beispielsweise die Aargauerin Melanie Hasler, die am bei ihrer Monobob-Premiere mit dem 7. Platz ein olympisches Diplom holte. Aber auch die männlichen Athleten zeigten ihr Potenzial: Pilot Michael Vogt und Anschieber Sandro Michel verpassten im Zweierbob-Rennen das Podest nur knapp und fuhren auf den 4. Platz.


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