Ein «Üttleter» mit Leib und Seele

  23.02.2022 Ittenthal, Persönlich

Roland Grenacher war lange in den Diensten seiner Gemeinde

Roland Grenacher ist kein Mann der lauten Töne. Seine Stärke ist das Zuhören, auf die Leute eingehen und gemeinsam nach Lösungen für ein Problem suchen.

Dieter Deiss

Kürzlich feierte Roland Grenacher seinen 90. Geburtstag. In der Stube seines Hauses, wo er zusammen mit seiner Frau Ida an leicht erhöhter Lage wohnt, stehen bei unserem Besuch noch Geschenke, welche an die Geburtstagsfeier erinnern. Wir geniessen an diesem sonnigen Wintertag von hier einen prächtigen Rundblick über den alten Dorfkern von Ittenthal mit seiner Kirche mit dem markanten Turm. Roland Grenacher ist genauso wie seine Frau Ida, eine geborene Näf, ein echter Ittenthaler: Hier heimatberechtigt, hier geboren und aufgewachsen.

Einstieg in die Gemeindepolitik
Mehr als ein Vierteljahrhundert lang war Roland Grenacher Gemeindeammann von Ittenthal oder «Üttlete», wie das Dorf im Volksmund heisst. 1958 wurde er an einer Versammlungswahl in den Gemeinderat und gleichzeitig auch als Vizeammann gewählt. Als bereits ein Jahr später der damalige Gemeindeammann aus dem Dorf wegzog übertrug man das Ammann-Amt an Roland Grenacher. Er sollte dieses bis Ende 1985 behalten. Volle 28 Jahre, also ganze sieben Amtsperioden führte er seine Gemeinde.

Bis 1974, dem Jahr des Inkrafttretens eines neuen Gemeindegesetztes, bestand der Ittenthaler Rat lediglich aus drei Leuten. Zusammen mit den Ratsmitgliedern habe man jeweils auch drei Stellvertreter, sogenannte Suppleanten gewählt. Fiel einmal ein Ratsmitglied aus, so musste einer der Suppleanten aufgeboten werden, denn um rechtskräftige Beschlüsse fassen zu können benötigte man drei Ratsmitglieder. Mit dem neuen Gemeindegesetz war diese Stellvertreterregelung hinfällig, da seither die Gemeinderäte im Kanton Aargau mindestens aus fünf Mitgliedern bestehen müssen.

Roland Grenacher war auf einem kleinen Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen. Nach einer Schreinerlehre arbeitete er acht Jahre lang auf seinem erlernten Beruf und wechselte danach in die damalige Ciba. Für die Gemeinderatstätigkeit habe es zu dieser Zeit noch keine Privilegien gegeben. Das Amt musste vollständig zulasten der Freizeit, insbesondere auch zulasten der Familie ausgeübt werden. Seine beiden Söhne hätten dies lakonisch mit der Bemerkung abgetan: «Unser Papi ist nie zuhause.»

«Lass die Leute schwatzen»
In einer kleinen Gemeinde bleibe Vieles an den Ratsmitgliedern, insbesondere aber am Gemeindeammann hängen, erzählt er. Ich hatte stets Freude an meiner Arbeit. Wenn sich zwischendurch wieder einmal ein falsches Gerücht im Dorf verbreitete, habe er zu seiner Frau Ida gesagt: «Lass diese Leute doch schwatzen, ich weiss selber am besten, dass es nicht stimmt.» Mit dem Zusammenschluss von Ciba und Geigy habe eine grosszügigere Mentalität seines Arbeitgebers gegenüber Gemeindeämtern Einzug gehalten. «Meinen zeitlichen Aufwand für das Ammann-Amt, musste ich inskünftig nicht mehr kompensieren», erzählt er. Es waren die «goldenen Zeiten», als praktisch in jedem Gemeinderat der Fricktaler Gemeinden mindestens ein Vertreter aus der Chemiebranche Einsitz hatte. Gegen Schluss seiner politischen Tätigkeit sei dann aber diese Grosszügigkeit wieder verloren gegangen, fügt er an.

Zwei Ereignisse aus seiner Zeit als Gemeindeammann sind für Roland Grenacher rückblickend ganz besonders prägend geblieben. Da ist zum einen der Besuch in der rumänischen Gemeinde Saderlach, mit der Ittenthal auf besondere Weise verbunden ist. Anfangs des 18. Jahrhunderts wurden dort auf Anordnung der österreichischen Verwaltung, der damals auch das Fricktal unterstellt war, zahlreiche Menschen aus dem armutsbetroffenen Fricktal und dem nahen Schwarzwald in das fast menschenleere Gebiet umgesiedelt. 1737 sei das «Alemannendorf» Saderlach entstanden. Dort gebe es heute noch Familiennamen wie Lidolt (Lütold), Neff (Näf), Weber und Welti, die klar auf ehemalige Besiedler aus Ittenthal hinweisen, erzählt Grenacher. Zusammen mit seiner Frau war er 1980 im rumänischen Dorf zu einer Hochzeit geladen. Bei seinem Eintreffen habe man ihm als erstes gesagt: «Redet wie euch de Schnabel gwachse esch, denn verstönd mer euch scho.»

Das Zofingerwäldchen
Eine besondere Freundschaft mit dem früheren Zofinger Stadtammann und ehemaligem Ständerat Willy Loretan stammt ebenfalls aus seiner Gemeinderatszeit. Nachdem die Ittenthaler Schulkinder anlässlich des Jubiläums 175 Jahre Kanton Aargau Gäste der Stadt Zofingen waren, fand sich der Stadtrat Zofingen ein Jahr später zu einem Besuch in Ittenthal ein. Man habe die Gäste ins Moos geführt und dort unter Leitung des damaligen Försters Josef Binkert fünf Aren Jungwald gesetzt. Dieses «Zofingerwäldchen» erinnere noch heute an die freundschaftlichen Bande. Seither «inspiziere» jedes Jahr eine Delegation zusammen mit dem ehemaligen Stadtammann Loretan ihr Wäldchen in Ittenthal, berichtet Roland Grenacher. Etwas Besonderes sei die Heugras- und Emdversteigerung im Homberg gewesen. Dort besass die Ortsbürgergemeinde rund 20 Hektaren Land. Darauf waren etwa 20 Parzellen abgesteckt. Regelmässig sei dann vor dem Heuet und vor dem Emdet der Ertrag der einzelnen Parzellen versteigert worden. Vorgängig habe der Dorfweibel die Versteigerung angezeigt. Die Versteigerung w urde vom Gemeindeammann durchgeführt und der Erlös wurde jeweils gleich vor Ort einkassiert.

Strassenbau gab zu reden
Ein ständiges Thema sei während seiner Amtszeit der Strassenbau gewesen. Bei seinem Amtsantritt 1958 habe es in der ganzen Gemeinde lediglich Naturstrassen gegeben. 1964 habe die Gemeindeversammlung ein Projekt für den Ausbau der Innerortsstrasse genehmigt. Wegen eingegangener Einsprachen habe dann der Kanton das Projekt zurückgestellt. «Stattdessen machten wir dann das Strässchen zum Kaisterberg mit einem Oberflächenbelag staubfrei.

Das zu schmale Strässchen zum Kaisterberg gab immer wieder zu reden. Als wieder einmal ein Projekt für den Ausbau anstand, habe er zum damaligen Gemeindeinspektor und Fricker Gemeindeammann Max Müller gesagt: «Max, du musst uns beim Ausbau dieser Strasse helfen, damit wir weiterhin nach Frick zum Einkaufen fahren können.» Offensichtlich wurde er erhört, denn 1982 erfolgte der Ausbau auf die heutigen Masse. Für die feierliche Eröffnung wurde von der Ittenthaler Schuljugend ein von Gemeindeammann Roland Grenacher verfasstes Ge - dicht vorgetragen. Übrigens liegt Grenacher das Schreiben ganz offensichtlich, hat er doch bereits zweimal eine spannende Chronik über seine Gemeinde verfasst.

«Kaisten schaut gut zu uns»
«Ich bin stolz auf das, was wir in meiner Gemeinde alles erreichen konnten», zieht er Bilanz und ergänzt: «Ein Dorf mit 200 Einwohnerinnen und Einwohnern hat es heute ausserordentlich schwer.». Er begrüsste deshalb den Anschluss von Ittenthal an die Gemeinde Kaisten und ist mit dem Ergebnis zufrieden. «Die Kaister schauen gut zu uns», tönt es dazu aus berufenem Munde. Wohl hat die Ratstätigkeit das Leben von Roland Grenacher ausserordentlich stark geprägt. Trotzdem fand er aber noch Zeit um als aktives Mitglied bei den Schützen zu wirken und in der Musikgesellschaft Ittenthal je nach Bedarf das Es-Horn oder den Bass zu spielen. Hier habe er zu den Gründungsmitgliedern gehört, als diese 1954 nach einem rund dreissigjährigen Unterbruch wieder zum Leben erweckt wurde. Noch gut erinnert er sich daran, wie sie vom damaligen Dirigenten Josef Schober, Depothalter der Landwirtschaftlichen Genossenschaft, in dessen Küche Musiktheorie büffelten und ihren Instrumenten erste Töne entlockt hatten.


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