«Seit über 170 Jahren gibt es Presseförderung»

  28.01.2022 Aargau

Christof Nietlispach von den Freiämter Regionalzeitungen kämpft für Medienvielfalt

Während vier Jahren kämpfte Christof Nietlispach für die Kleinen der Medienbranche. Der ehemalige Verleger gestaltete mit, suchte stets das Gespräch mit Bundesbern. Und wurde so zum Experten beim neuen Mediengesetz.

Daniel Marti, Wohler Anzeiger

Er ist ein absoluter Kenner der Materie. Er kennt die Medienwelt – im Kanton Aargau ganz besonders, und er arbeitete intensiv mit am neuen Mediengesetz: Christof Nietlispach, Verwaltungsratspräsident der Freiämter Regionalzeitungen AG, die «Bremgarter Bezirks-Anzeiger», «Wohler Anzeiger» und «Der Freiämter» herausgibt. Nietlispach kämpfte rund vier Jahre lang in Bundesbern für das neue Mediengesetz, führte unzählige Gespräche im Bundeshaus und gestaltete als Vertreter für die kleinen Print-Erzeugnisse wesentlich mit, damit ein gut-schweizerischer Kompromiss erzielt werden konnte.

Über das neue Mediengesetz entscheidet das Schweizer Volk am 13. Februar an der Urne. Die Mitte Aargau liess sich kürzlich an ihrem Parteitag per Zoom von Experte Christof Nietlispach die wesentlichen Punkte des Mediengesetzes erläutern. Nietlispach, seit 15 Jahren Präsidiumsmitglied des Verlegerverbandes Schweizer Medien, betonte bei seinem Referat, dass er natürlich wegen seinen Funktionen Partei und ein Stück weit befangen sei.

Onlinemedien: Die Kleinen überproportional unterstützen
Das Mediengesetz besteht aus drei Eckpfeilern. Die indirekte Presseförderung soll ausgebaut werden. Dies passiert durch die Erhöhung der Vergünstigung bei der Zustellung der Zeitungen durch die Post. Lokalradios und Regionalfernsehen sollen einen grösseren Anteil an den Serafe-Gebühren erhalten. Und als dritter Punkt soll auch der digitale Bereich gefördert werden. Von den Ermässigungen für die Zustellungen profitieren 170 abonnierte Zeitungen und 1000 der Mitgliedschaftsund Stiftungspresse. «Dazu zählen beispielsweise auch Pfarrblätter und Parteizeitungen», erklärte Nietlispach. «Und bei der Onlineförderung werden die Kleinen überproportional unterstützt. Dies ist für Regional- und Lokalzeitungen sehr wichtig.»

Nietlispach verfolgte die Entscheidungsfindung und den Abstimmungskampf bisher genau und stellte eines fest: «Die Linke will nur Onlineförderung, die Rechte möchte nur die Zustellung für den Print unterstützen.» Zur A bstimmung kommt jedoch der typisch schweizerische Kompromiss. Das Parlament in Bern war sich ziemlich einig, stimmte dem Gesetz bis auf die SVP grossmehrheitlich zu (Nationalrat: 115:75; Ständerat: 28:10).

Presseförderung in der Schweiz seit 1849
Das Referendum sei SVP-lastig, so Nietlispach weiter. Das Referendumskomitee bezeichnet die vorgesehene Unterstützung der Medien als «eine Verschleuderung von Steuergeldern, von der reiche Verlage profitieren». Den Vorwurf des Komitees, die Medien würden durch die Unterstützung zu Staatsmedien, kontert der langjährige und ehemalige Verleger. Vom Staat unterstützte Medien seien eine Gefahr für einen unabhängigen Journalismus, diese Behauptung sei schlichtweg falsch, so Nietlispach. Seit über 170 Jahren gibt es in der Schweiz die Presseförderung, dies ist in der ersten Bundesverfassung festgeschrieben. «Es ist ein Unsinn, wenn man jetzt behauptet, die Unabhängigkeit sei gefährdet.» Im Gegenteil: Die Presseförderung garantiert «eine lebendige Demokratie». Die Grosskonzerne wie Google und Facebook streichen mittlerweile viele Werbeeinnahmen ein. «Diese Einnahmen brechen den Zeitungen weg», sagt Nietlispach, «darum wird es bald nicht mehr möglich sein, attraktive Regional- und Lokalzeitungen herauszugeben.» Ein vielfältiges Medienangebot sichert die Meinungsvielfalt – vor allem im Kanton Aargau, im Kanton der Regionen. «Die direkte Demokratie der Schweiz braucht unabhängige Medien.»

Wichtig vor allem auch für den Kanton Aargau
Bei diesem Punkt knüpfte auch Marianne Binder, Präsidentin Mitte Aargau, an. «Im Kanton Aargau ist die Regionalpresse noch stark vertreten. Rein aus demokratischer Sicht ist das sehr wichtig.» Und eine vielfältige Meinungsbildung nütze dem ganzen Kanton. «Wir sind darauf angewiesen, dass es in unserem Kanton weiterhin in den Regionen diverse Medien-Erzeugnisse gibt», so Binder. Gerade in Zeiten der Pandemie schätzt sie es, «gut recherchierte und seriöse Artikel» lesen zu können.

«Den Kleinen unter die Arme greifen»
In der Diskussion meldete sich auch Alt-Nationalrat Bernhard Guhl zu Wort. Das neue Mediengesetz und die Unabhängigkeit der Medien sei mehrfach diskutiert worden, schaute er auf seine Amtszeit in Bern zurück. «Wir müssen den Kleinen unter die Arme greifen. Wegen der wegbrechenden Werbeeinnahmen wird es für die kleineren und mittleren Presse-Erzeugnisse und Verlage immer schwieriger.» Es gehe dabei auch um die Unterstützung bei der Weiterbildung, die wichtig sei. Guhl stellte klar, dass mit der Vergünstigung der Zustellung die Zeitungen «nicht direkt finanziert werden». Und er betonte, «dass die Medienvielfalt für unser Land sehr wichtig ist». Der Mitte-Parteitag zeigte sich letztlich überzeugt, dass die Förderung der lokalen Medien und Unternehmen im Kanton der Regionen eine Investition in den Standort Aargau ist und auch gleichzeitig der Medienvielfalt zugutekommt.


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