Geht es um den Wald oder um die Ortsbürgergemeinde?

  29.10.2021 Leserbriefe

«Es ist auch eine Frage des politischen Willens». NFZ vom 21.10.21.

Auch mit unzähligen Wiederholungen wird es nicht wahrer: Die Wärme aus Holzenergie ist nicht klimaneutral! Eigentlich ist die Überlegung dazu einfach: Ein Baum speichert im Laufe seines Lebens von 100-200 Jahren CO2 in seinem Holz. Wird dieses als Bauholz verwendet, kann das CO2 dort vielleicht 500 Jahre gespeichert bleiben. Bei der Verbrennung wird das gespeicherte Kohlendioxid aber sofort freigesetzt und wirkt ebenso plötzlich als Klimagas. Beim Nachfolgebaum dauert es dann wieder mehr als ein Jahrhundert, bis die bei der Verbrennung freigesetzte Menge an CO2 wieder im Holz eingefangen ist (wobei die ersten Jahrzehnte kaum ins Gewicht fallen.)

Die Verwertung von Holz als Energiequelle ist ein gutes Geschäft für die waldbesitzenden Ortsbürgergemeinden, aber ein schlechtes für den Wald. Dieser hätte beispielsweise unbedingt viel mehr Altbäume nötig, wenn man nämlich den Wald als Ökosystem und nicht nur als Stätte der Holzproduktion begreifen würde. Wenn Förster von «Nachhaltigkeit» sprechen, meinen sie aber nur die «Holznachhaltigkeit» (es wird nur soviel Holz geschlagen, wie nachwächst). Es ginge aber beim Wald eigentlich um eine «biologische Nachhaltigkeit», was im Gesetz mit «naturnahem Wald» umschrieben wird. Faktisch erleben wir jetzt aber den Umbau vom Wald in «Maschinen-Forste», in dem immer mehr die immer grösser werdenden Forstbetriebe den Ton angeben. Damit wird der Wald Opfer kurzfristigen Finanzdenkens. Das Resultat kann jedermann sehen: Es heisst «Flächenhiebe», oder anders ausgedrückt: Der Wald wird mit schwerem Gerät durchlöchert.

Weil der Wald faktisch allen gehört, aber seine Bewirtschaftung nur von den Minderheiten der Ortsbürger bestimmt wird, ergeben sich immer mehr Dissonanzen: Der Förster ist immer weniger für die Waldnatur zuständig, er wird dafür Herr über einen Maschinenpark, der rasch amortisiert sein will.

Gesellschaftlich führt dies zu einer stetig wachsenden Kritik und Spannung. Diese stellt die uralte Einrichtung der Ortsbürgergemeinden grundsätzlich in Frage: Seit 1976 haben diese keine eigentlichen Aufgaben mehr, könnten sich also problemlos auflösen (was 11 Kantone und viele Gemeinden auch schon taten). Wenn die Ortsbürgergemeinden ihre gesellschaftliche Verantwortung im Waldbau nur noch schlecht erfüllen, wäre eigentlich der Zeitpunkt ihres Endes gekommen. Im Besitz der Einwohnergemeinden könnte das Ökosystem Wald mit Sicherheit besser betreut werden: Das Denken in jährlichen Waldrechnungen könnte langfristigeren Überlegungen weichen - und würde über die Jahre gerechnet auch schwarze Zahlen ergeben.

JÜRG KELLER, RHEINFELDEN


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