Jetzt reichts!

  31.08.2021 Leserbriefe

Ich habe vom 1. Januar 2018 bis 30. September 2019 im Pflegezentrum Stadelbach in Möhlin als diplomierte Pflegefachfrau HF gearbeitet und einen grossen Teil dieser Stadelbach-Geschichte hautnah miterlebt, ich berichte also in meinem Leserbrief aus eigenen Erfahrungen. Ich bin empört über die Aussagen von Karl Eiermann in der Freitags-Ausgabe der NFZ und fühle mich verpflichtet, dazu Stellung zu nehmen und teils Sachverhalte klarzustellen. Es geht mir im Besonderen um den pflegebedürftigen Menschen und auch darum, Angehörige und Mitarbeitende zu unterstützen.

2017 bin ich aus der Zentralschweiz nach Möhlin umgezogen, mein Ziel war es unter anderem, das Dorf und seine Menschen kennenzulernen und auch meine Arbeitskraft und Qualifikation im Ort, also im Alters- und Pflegezentrum Stadelbach, einzusetzen. Schon zu dieser Zeit wurde im Dorf gemunkelt, einiges schien im Köcher zu sein. Man gab mir zu bedenken, ob dies wirklich eine gute Entscheidung wäre? – Ich war völlig unbelastet und nicht voreingenommen. Meine Überzeugung war, dass es wohl in jedem Betrieb etwas zu bemängeln gab und ich mir meine Meinung selber bilden wollte. Die ersten Monate in diesem Betreib erlebte ich mehrheitlich positiv, die bestehenden Teams funktionierten, die Pflegequalität war in Ordnung, der Kontakt zu den Angehörigen wurde genutzt und gepflegt. Vor zwei Jahren, mit dem Bericht von Dr. Hagen Scheerle, geriet das Haus aus meiner Sicht definitiv in eine Krise. Was in der Vorgeschichte bereits alles passiert war, davon habe ich nur wenig Kenntnisse.

Die Kommunikation durch den Vorstand des Vereins Wohnen im Alter erlebte ich in dieser Zeit sehr mangelhaft und negativ. Frau Judith Dominguez wurde damals als Zentrumsleiterin per sofort freigestellt, fortan herrschte Chaos in diesem Betrieb! Durch sehr kurzfristig angesagte Zusammenkünfte erfuhr jeweils ein Teil des Personals knappe Informationen, der Rest des Personals erfuhr nur auf indirektem Weg, was vor sich ging. Zu dieser Zeit forderte ich beim damaligen Präsidenten Herrn Alfred Suter schriftlich ein, dass das ganze Personal des Pflegezentrums Stadelbach zeitnah klar zur Sache informiert wird. Ein grosser Teil des Personals hat diesem Schreiben mit eigenhändiger Unterschrift Nachdruck verliehen, dieser Bitte nachzukommen. Diesen Brief habe ich ihm persönlich abgegeben. Zu diesem Zeitpunkt war Motivation da, gemeinsam die Krise zu meistern, zum Wohle der Bewohnenden!

Zwei Wochen später hatte ich noch keine Antwort bekommen auf diese Bitte. Bei der nächsten Sitzung habe ich Herrn Suter darauf angesprochen, dass diese Antwort noch immer offen sei. Er sagte mir darauf, dass eine Information an alle nicht nötig sei! Noch in der gleichen Sitzung konfrontierte ich Herrn Eiermann damit, dass sie damit rechnen müssten, dass es viele Kündigungen geben werde, wenn sie keine Transparenz zeigen würden. Herr Eiermann konterte darauf, dass das dann eben so sei! Ich fragte mich schon damals, wie es sein kann, dass man so mit qualifiziertem Pflegepersonal umgehen kann, wenn dies doch bereits in gut funktionierenden Betrieben Mangelware ist. Als Antwort auf seine Aussage teilte ich ihm mit, dass ich mich nun anderweitig orientieren und die Kündigung einreichen werde. Ich war nicht mehr bereit, mit einem Vorstand zusammenzuarbeiten, der Meinungen solcher Art vertritt – null Wertschätzung! Zudem konnte ich es nicht mehr vertreten, dass den Bewohnern Leistungen verrechnet wurden, diese aber nicht geleistet werden konnten aufgrund der andauernd und ausserordentlich vielen Krankheitsausfällen des Personals. Innerhalb der nächsten Monate folgte eine Kündigung auf die andere – so wie ich es damals kommuniziert hatte. Aber, um dies richtig zu stellen: Die allermeisten Kündigungen von langjährigen Mitarbeitenden passierten nicht aufgrund Pensionierung oder unregelmässigen Arbeitszeiten, das ist Illusion und Unwahrheit! Ich kenne sie alle, die gekündigt haben oder gar gekündigt wurden. Die meisten davon arbeiten noch immer in der Pflege, wo sie auch heute noch zu unregelmässigen Arbeitszeiten arbeiten. Und so wie es scheint, hat sich bis heute nicht viel verändert, noch immer steht die Stellungnahme des Personals in der Zeitung: «Für einen Austausch zwischen den Mitarbeitenden und der Leitung reichte die Zeit nicht mehr!»

Sehr viele Einsätze durch temporäres Pflegepersonal wurden geleistet, schon sehr lange. Das muss das Budget enorm belasten! Zudem gehe ich gleicher Meinung mit einer Mitarbeitenden, dass man nicht die gleiche Leistung von temporär Angestellten mit mangelnden Deutschkenntnissen erwarten kann, das ist nicht möglich. Auch strukturell ist wohl kein Interesse da, sich an Projekten zur Verbesserung der Pflegequalität zu beteiligen. Auch dies ist eine Erfahrung, die ich selbst gemacht habe, da mein Schwiegervater im Stadelbach in Pflege war. Wäre es da doch nicht sinnvoller gewesen, sorgsam und wertschätzend mit dem bewährten Personal umzugehen?

Herr Eiermann, mich würde ernsthaft interessieren, wie viele festangestellte, diplomierte Pflegefachpersonen effektiv im Stadelbach arbeiten? Und wie stellen Sie sich eine Rehabilitation dieses Betriebes vor?

Noch heute bedaure ich es grundsätzlich, dass ich mich gezwungen fühlte, zu kündigen. Ich bin jedoch froh, für mich diese Entscheidung getroffen zu haben – heute kann ich im derzeitigen Betrieb eine Pflege gewährleisten undauch leisten, die auch ich als Bewohnende erwarten würde.

DORIS MÜLLER, MÖHLIN


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