Der erste richtige Fasnächtler in der Familie

  28.02.2021 Persönlich, Rheinfelden

Michael Birlin, 67, ist Oberzunftmeister von Badisch-Rheinfelden

Als Oberzunftmeister der Narrenzunft Rheinfelden ist der Degerfelder Michael Birlin verantwortlich für die Fasnacht in der Stadt und für den grenzüberschreitenden Umzug beider Rheinfelden.

Boris Burkhardt

Die Chefs der 33 Cliquen in Badisch-Rheinfelden und seinen Ortsteilen bekamen persönlich an der Haustüre ein kleines Paket mit Luftschlangen, Papiertaschentücher zum Tränentrocknen und einem Schnäpschen zum Desinfizieren überreicht; das Rathaus wurde erstmals mit kleinen und grossen Fahnen der Narrenzunft geschmückt; und auf dem Oberrheinplatz wurde ein wiederverwendeter Christbaum in kleinster Runde mit Oberbürgermeister Klaus Eberhardt ohne Umtrunk als Narrenbaum gesetzt – Michael Birlin war es wichtig zu betonen, dass die Fasnacht im Jahr 2021 nicht ausfalle, sondern nur die Veranstaltungen abgesagt seien.

Birlin ist seit 2013 Oberzunftmeister der Narrenzunft Rheinfelden und damit der höchste Fasnächtler der Stadt mit Ausnahme des Ortsteils Karsau, der eine eigene Narrenzunft hat. Mit zehn weiteren Zunftmeistern – die Zahl 11 ist wie beim Elferrat in Laufenburg ein Überbleibsel aus dem späten 19. Jahrhundert, als der Karneval selbst in Basel Mode war – ist er in anderen Jahren als diesem verantwortlich für die Durchführung des grenzüberschreitenden Umzugs beider Rheinfelden, für die Zunftabende mit Bühnenprogramm im Bürgersaal, für die Aufrichtung des Narrenbaums am Samstag vor dem Schmutzige Dunnschtig, für das Nierli-Essen am Elften Elften, für die Kommunikation mit der Stadt und dem Verband Oberrheinischer Narrenzünfte, für Design und Pressung der jährlich neuen Plaketten und Orden.

Birlin, Jahrgang 1953, war von Kind auf mit Fasnacht «belastet», wie er ironisch sagt. Er wuchs im Rheinfelder Ortsteil Degerfelden an der B316 Richtung Lörrach auf, wo er bis heute lebt. Die Fasnacht war fest verankert in dem katholischen Dorf mit damals rund 700 und heute fast 1600 Einwohnern. «Der Dienstag war für uns Kinder der höchste Feiertag; da gab es den Kinderball und die ‚Gemeindewurst‘ für jedes Kind», erinnert sich Birlin lebhaft: «Ich zog mir als Verkleidung eine alte Bluse meiner Mutter und eine Maske auf.» Eine Mehrzweckhalle gab es damals nicht in Degerfelden; die Saalfasnacht fand als Wirtschaftsfasnacht im inzwischen abgerissenen Gasthaus «Lamm» statt. Dennoch sollte Michael Birlin der erste in der Familie werden, der «richtig» Fasnacht machte. Degerfelden war bis 1972 eine eigenständige Gemeinde; das Narrennest Degerfelden mit den Figuren Eulen und Meckis wurde aber bereits 1958 das erste auswärtige Mitglied der Narrenzunft Rheinfelden. Zunächst war Birlin Mitglied im Narrennest; 1980 begründete er die Klingentalwichtel mit. Ihren Namen nahm die Clique vom Tal nordwestlich des Dorfs, durch das die B316 Richtung Lörrach führt. 23 Jahre lang war er Vorsitzender der Klingentalwichtel; heute ist er Ehrenvorsitzender. 2009 wurde Birlin Mitglied der Narrenzunft. Die Narrenzunft Rheinfelden pflegt Beziehungen zu den anderen Fasnachtshochburgen am Hochrhein; eine besondere Beziehung verbindet Birlin mit René Leuenberger, dem Älteren und dem Jüngeren, beide ehemalige Zunftmeister der Narro-Altfischerzunft im schweizerischen Laufenburg. Auch mit Béa Bieber, bis 2018 Präsidentin der Fasnachtsgesellschaft Rheinfelden diesseits des Rheins, verbindet Birlin eine Freundschaft, die über das Amt hinausgeht: Noch immer wird Bieber an Veranstaltungen der Narrenzunft eingeladen.

Birlin spezialisierte sich nach seiner Lehre als Elektromaschinenbauer auf Pumpentechnik und arbeitete 20 Jahre lang auf Montage in Süddeutschland, in der Schweiz und im Elsass. Dann wechselte er zur Hoffmann-La-Roche nach Grenzach (heute DSM), wo er für die Instandhaltung der Technik zuständig war. Seit 1971 war er ausserdem Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Degerfelden, die ein Jahr später in die Gesamtfeuerwehr Rheinfelden eingegliedert wurde. Birlin war 30 Jahre lang Abteilungskommandant und ist heute Ehrenkommandant. Die Abteilung Degerfelden ist die mannschaftsstärkste mit Ausnahme der Kernstadt, obwohl der Ortsteil zu den kleineren gehört. 2012 zog sich Birlin während eines Feuerwehreinsatzes eine Verletzung an der Schulter zu, die ihn arbeitsunfähig machte; mit «genau 63,7 Jahren» ging er offiziell in Rente.

1987 heiratete Birlin seine Frau Gabriele, die zwar aus dem Hohen Norden stammt, aber schon als Kind nach Lörrach kam und dort ebenfalls in der Fasnacht aktiv war, wo sich die beiden auch kennenlernten. Tochter Sabrina, Jahrgang 1993, ist ebenfalls Mitglied der Narrenzunft. Seine Freizeit ausserhalb der Fünften Jahreszeit verbringt Birlin auf Rollertouren mit seiner Frau oder im Wohnwagen am Lago di Mergozzo, einem italienischen Nebensee des Lago Maggiore bei Verbania, seiner «zweiten Heimat». Vor seinem Unfall fuhr er gerne Velo, mit den Klingentalwichteln sogar dreimal nach Italien.


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