«Und ich dachte: schon wieder eine Steuerrechnung!»

  31.03.2020 Möhlin

Möhlin bewegt: Ein Dorf und seine Menschen stehen zusammen

Ein Brief der Gemeinde Möhlin an über 65-Jährige ist viel mehr als nur eine blosse Information in einer schwierigen Zeit.

Ronny Wittenwiler

Die Gemeinde Möhlin liefert in diesen Tagen gerade eine Art Gegenbeweis. Auch in einem Dorf, dem mit mittlerweile über 11 000 Einwohnerinnen und Einwohnern zunehmend Anonymität nachgesagt wird, bleibt Solidarität nicht auf der Strecke.

Möhliner Restaurants bieten Take-Away an
Da war dieser Brief der Gemeinde Möhlin, gezeichnet am 24. März. Ein Einwohner kommentierte auf Facebook süffisant: «Ich dachte: schon wieder eine Steuerrechnung.» Weit gefehlt. Das Schreiben der Gemeinde ging an sämtliche Haushalte mit Einwohnerinnen und Einwohnern über 65 Jahre und enthielt einerseits Informationen für Senioren und Personen mit einer Vorerkrankung, gestützt auf die Empfehlungen des Bundesrates. Andererseits war dem Schreiben eine Liste angefügt mit lokalen Angeboten der gastronomischen Grundversorgung. Auf jener Liste erfahren die Einwohnerinnen und Einwohner, welche Restaurants und Bistros einen Take-Away-Service anbieten, zum Teil mit Lieferung nach Hause.

Freiwillige an allen Fronten
Dass der Brief der Gemeinde Möhlin allerdings mehr als blosse Information in einer schwierigen Zeit ist, zeigt sich anhand einer beigelegten zweiten Liste. Sie enthält Namen und Telefonnummern von «sozial engagierten Mitmenschen» im Dorf. Es sind Personen, die ihre Hilfe jenen anbieten, die in der aktuellen Lage weder auf Familienmitglieder, Freunde oder Nachbarn zurückgreifen können. Die Freiwilligen erklären sich bereit, Einkäufe zu erledigen, sie stehen für Fahrdienste zur Verfügung, für allgemeine Hilfe im Alltag, Hundespaziergänge und vieles mehr. Auch diese Liste ist auf der Webseite der Gemeinde einsehbar und mit einem Mausklick fällt auf: Querbeet, vom Handwerker zum Aussendienstler über die Schulpflegerin bis hin zum jungen Studenten – es scheint, als stehen in dieser Zeit ganz viele Menschen zusammen. Das sieht auch Gemeindeammann Fredy Böni so: «Die Möhlinerinnen und Möhliner zeigen sich in dieser schwierigen Phase sehr solidarisch. Innert einer Woche haben sich knapp fünfzig Personen auf die Liste der ‹sozial engagierten Mitmenschen› eingetragen und es werden täglich mehr. Ich bin stolz darauf, dass unter der Bevölkerung der starke Zusammenhalt und die Solidarität täglich mehr zu spüren ist. ‹Meli hebt zäme!›»

Die Gemeinde will vermitteln
Zudem liess die Gemeinde Möhlin einen «Nachbarschaftsbrief» auf ihrer Webseite aufschalten. «Den folgenden Brief können Sie ausdrucken und mit Ihren Kontaktangaben aufhängen oder in den Briefkästen im Quartier verteilen», schreibt die Gemeinde dazu. Böni sagt: «Damit werden auch weniger online-affine Personen angesprochen. Die Gemeinde sieht sich hier in einer Vermittlerrolle.» Der Brief appelliert an Personen aus einer Risikogruppe, die angebotene Hilfe in Anspruch zu nehmen. In diesem Zusammenhang hätte die Gemeinde Möhlin geplant, demnächst eine Liste aufzuschalten mit Personen, die auf Hilfe angewiesen sind. Fredy Böni sagt aber auch: «Wir gehen davon aus, dass sich viele Hilfebedürftige direkt an die Helferinnen und Helfer auf der Liste wenden und die Liste der Hilfesuchenden nicht ohne Grund leer bleiben wird. Nicht wenige Hilfsbedürftige haben sich telefonisch beim Hauptschalter oder beim Sozialdienst gemeldet. Es konnte direkt weitergeholfen oder an weiterführende Fachstellen verwiesen werden.»

«Gemeinsam schaffen wir das»
Auch auf den sozialen Medien machte das Schreiben der Gemeinde Möhlin die Runde. Die Person, die zuerst an eine Steuerrechnung dachte, schrieb auf Facebook dann auch das: «Den Verantwortlichen bei der Gemeindeverwaltung ein grosses Bravo!» Normalerweise tritt die Gemeinde unter dem Slogan «Möhlin bewegt» auf. Die nun initiierten Unterstützungsprojekte laufen unter der Aktion «Möhlin hilft. Gemeinsam schaffen wir das!» Das sind, um es ein wenig kommentierend abzuschliessen, Worte, die bewegen.


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