Ziel: ein gutes Betriebsklima und Chancen für Gehörlose

  30.06.2019 Rheinfelden

Was können Gewerbetreibende und Unternehmer tun, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu fördern? Wie gelingt es, Gehörlose in den Betrieb einzugliedern und damit einen Beitrag zu deren Integration zu leisten? Diese Fragen standen im Zentrum des fünften Forums für Arbeit und Gesundheit des Rheinfelder Gewerbevereins.

Edi Strub

Für Theo Wehner, emeritierter Professor der ETH Zürich, ist klar, was es braucht, um ein gutes Betriebsklima zu schaffen: Mehr «Wir» und weniger «Ich». Die kompromisslose Selbstoptimierung, wie sie in der Beratungsliteratur und vielen Blogs noch immer propagiert werde, führe nicht zum Ziel. «Ich»-Werte wie Eigenverantwortlichkeit, Flexibilität und unermüdliche Lernbereitschaft sind nach Theo Wehner gut, bringen allein aber keine guten Resultate. Es brauche auch das «Wir» – nämlich Mitgefühl, Gemeinschaft, Kooperation, Gleichstellung, Förderung. Nur bei einem vernünftigen Nebeneinander von «Ich» und «Wir» entstehe ein gutes Betriebsklima. Untersuchungen hätten ausserdem gezeigt, dass ein hohes Einkommen und Karrierechancen, für die meisten Beschäftigten nicht die wichtigsten Ziele seien. Vielen gehe es mehr darum, etwas Sinnvolles zu leisten, andern zu helfen und neben der Arbeit Zeit für ein gutes Familienleben zu haben.

Die zweite Referentin am Forum war Tatjana Binggeli, die Präsidentin des Schweizerischen Gehörlosenbundes. Sie arbeitet auch als Unternehmerin in einer Beratungsfirma. Sie versuchte aufzuzeigen, dass auch Gehörlose wertvolle und qualifizierte Arbeit leisten können, wenn ein Unternehmen verstehe, mit solchen Behinderungen umzugehen. Tatjana Binggeli, gehörlos seit Geburt, hat selber hart darum gekämpft, einen anspruchsvollen Beruf zu erlernen.

Statt Köchin zu werden oder eine Lehre zu machen, wie ihr die IV vorschlug, arbeitet sie jetzt am Universitätsspital Basel. Sie ist die einzige Gehörlose in der Schweiz mit einem Doktorexamen. Manches sei für Gehörlose schwieriger als für andere, einiges könnten sie aber auch besser. Gehörlose seien oft konzentrierter und genauer am Arbeitsplatz und liessen sich nicht so leicht ablenken. Sie seien auch sehr loyal gegenüber Arbeitgebern, die ihnen eine Chance geben. Jeder und jede habe das Recht auf einen Platz in der Arbeitswelt, sagte Tatjana Binggeli am Forum. Übersetzt wurde ihr Vortrag von zwei Gebärdensprache-Dolmetscherinnen, die für Gehörlose kostenlos sind. An Arbeitsplätzen ist beispielsweise an Konferenzen dasselbe möglich.


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