«Fricktaler türmt aus dem Altersheim»

  31.03.2019 Fricktal

Ein Plädoyer für Respekt im Umgang mit Demenz-Patienten

Am 25. Mai präsentiert die Theaterwerkstatt für Menschen mit einer Beeinträchtigung das Stück «Abendrot» auf der Bühne des Hotel Schützen in Rheinfelden. Das Fricktal ist sowohl auf, als auch hinter der Bühne vertreten.

Simone Rufli

Kaum war Ende Mai 2018 der letzte Vorhang von «Vergissmeinnicht» gefallen, machte sich Theaterleiter Hans Fuhrer daran, Ideen für die Produktion 2019 zu sammeln. Der eine möchte singen, Ruby Wengi aus Rheinfelden will tanzen. Eine möchte Oberschwester sein. Ein anderer möglichst wenig Text zum Auswendiglernen. Rochus Stäuble aus Eiken will Geheimnisträger sein und ausbrechen. Sind alle Wünsche notiert, zieht sich der Chef ferienhalber zurück. Wenn er heimkommt, bringt er eine Geschichte mit – eine, die alle Wünsche berücksichtigt und trotzdem noch viel Raum für Kreativität lässt. So läuft es seit der ersten Produktion 2012 und so wird es weiterlaufen, nachdem das eben erst gestartete Stück «Abendrot» Ende Mai in Rheinfelden Dernière gefeiert hat. Jedes Stück ist Massarbeit – den Schauspielern mit ganz unterschiedlichen psychischen Beeinträchtigungen auf den Leib geschrieben.

Unterstützung aus Frick
Die NFZ besuchte die Theatergruppe Echad (hebräisch für Einheit) anlässlich der Hauptprobe zum neuen Stück «Abendrot». Im Zentrum der Handlung stehen zwei demente Heimbewohner, die die ständige Bevormundung durch den «normalen» Arzt satt haben und gemeinsam ausreissen. Mehr sei an der Stelle nicht verraten, nur so viel: es kommt zu Turbulenzen. Wie bei jedem anderen Theater braucht es auch beim Theater Echad Unterstützung hinter und neben der Bühne. Eine Hilfskraft der ersten Stunde ist Rosmarie Schneider aus Frick. Seit ihrer Pensionierung im Jahr 2012 ist sie mit dabei. Ihr Beitrag sei nicht der Rede wert sagt sie und lenkt das Scheinwerferlicht auf die Hauptakteure. «Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind über die Jahre so an ihren Aufgaben gewachsen, dass die meisten gar keine Hilfe mehr benötigen.» Und zu ihrer Motivation meint Schneider: «Es ist faszinierend mitzuerleben, was aus dieser Gruppe entstanden ist. Es ist eine Art Familie mit Beziehungen fürs Leben. Und fällt jemand mal kurz aus seiner Rolle, fangen ihn die anderen auf und helfen ihm weiter.» So wie die gute Schwester Agnes (Monika Laffer), die mit beeindruckender Flexibilität auf Unvorhergesehenes reagiert und mit grossem Geschick den roten Faden in der Hand behält. Rosmarie Schneider ist nicht die einzige Fricktalerin im Team. Auf der Bühne stehen – ebenfalls seit vielen Jahren – Ruby Wengi aus Rheinfelden und Rochus Stäuble aus Eiken. «Einstein. Ich heisse Einstein», sagt Stäuble und ein breites Lachen überzieht sein Gesicht. Auf der Homepage kann man lesen: «Einstein und Karajan sind vielleicht nicht immer ganz richtig im Kopf, aber im Herzen sind sie goldrichtig.»

Unterhalten, berühren, anregen
Wie mit jedem Stück verfolgt das Team auch mit «Abendrot» mehrere Ziele: unterhalten, berühren und zum Nachdenken anregen. Man soll lachen und man darf stauen. Staunen über die Fähigkeiten von beeinträchtigten Menschen und darüber, wie gekonnt sie unsereins den Spiegel vorhalten. Wenn Karajan alias Stephan Zimmerli sich über die unwürdige Behandlung durch den neuen Arzt (Selcuk Yildinim) beschwert, wenn er sich mit Wort und Tat schützend vor seinen dementen Freund Einstein stellt, dann löst das einiges aus beim Betrachter. Fehlt es in unserer Gesellschaft an Respekt gegenüber weniger leistungsstarken Mitmenschen? Rechtfertigen Beeinträchtigungen welcher Art auch immer, einen Mangel an Respekt? An den Prager gestellt wird trotzdem niemand und für Unterhaltung ist bei aller Tiefgründigkeit bestens gesorgt. Denn die Schauspieler haben mit Theaterleiter Hans Fuhrer nicht nur das Stück selber entwickelt. Sie haben auch ihre eigenen Musik-, Tanz- und Gesangsstücke eingebracht. Emil Metthez und Alfredo Schassmann begleiten auf der Gitarre, Peter Stengle ist der Mann für die Technik.

Samstag. 25. Mai, 19.30 Uhr, Rheinfelden, Hotel Schützen. Weitere Infos und Spielplan auf www.theater-echad.ch. Ticketreservation: Beatrice Hauri, beatricehauri@gmail.com oder Telefon 079 234 22 29


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