Wenn das nur gut kommt…

  14.02.2018 Literatur

Ein bisschen schmachten, ein wenig bangen. Und dann, am Ende, kommt alles gut! Oder etwa doch nicht? Nun ja, die Liebe ist ein seltsames Spiel. Und welche Spielchen die Liebe im Fricktal in den letzten Wochen so getrieben hat, stand in dieser Zeitung, wobei die Leserinnen und Leser selber die Richtung vorgeben konnten. Nun biegt die Liebesgeschichte von Autor Philipp Probst auf die Zielgerade ein. Soviel und damit so wenig sei schon mal verraten: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Lesen Sie, liebe Leserinnen und Leser, wer am Ende sein Glück findet. (nfz)


Abenteuer Liebe - Vierter Teil: Alles ganz anders

WAS BISHER GESCHAH:
Physiotherapeutin und Reitlehrerin Lydia verliebt sich in Assistenzarzt Bernd. Als Rainer auftaucht, wird das junge Glück auf die Probe gestellt, denn Rainer gibt sich als Zwillingsbruder von Lydias totgeglaubten Vater Gabriel aus, und es scheint, dass Bernd ihn kennt. Rainer kauft Pferde, bringt neue Kunden und rettet so die «Fricktaler Ranch» von Lydias Mutter Therese. Er nistet sich immer mehr in der Familie ein, bis Stefan, ein langjähriger Freund der Familie, herausfindet, dass Lydias Vater Gabriel noch lebt. Lydia will endlich die Wahrheit wissen, doch ihre Mutter blockt ab.
Als sie erfährt, dass ihr Freund Bernd tatsächlich mit Rainer irgendetwas zu tun hat und auch er ihr nicht die Wahrheit sagt, bricht für Lydia eine Welt zusammen. Sie reitet aus, knallt nach einem wilden Galopp am Boden auf und verliert das Bewusstsein.


Kein Happy-End? Die NFZ-LeserInnen haben sich klar gegen die Variante entschieden, dass Lydia nach ihrem Sturz in den Armen ihres geliebten Bernd aufwacht. Lydia bleibt also mitten im Feld liegen und kommt erst Stunden später wieder zu sich. Sie zittert. Gibt es doch noch ein Happy-End? Eine knifflige Aufgabe für unseren Autor der Liebesgeschichte, Philipp Probst.

Es ist stockdunkel, als Lydia mit den Augen blinzelt. Dann taucht sie wieder ab. «Lydia», hört sie von weitem. «Lydia…» Sie kennt die Stimme nicht. Sie schlägt die Augen auf. Langsam erkennt sie Erdschollen in der Dunkelheit. Sie riecht sie auch. Sie spürt Feuchtigkeit an ihrem rechten Ohr und an der Wange. Sie versucht, den Kopf zu heben, doch ein stechender Schmerz im Rücken hindert sie daran. «Lydia…» «Papa?» Stille. Dunkelheit. Lydia begreift langsam, dass sie irgendwo auf der Erde liegt, dass es Nacht ist, dass es kalt und feucht ist, dass sie zittert und starke Rückenschmerzen hat. Was war passiert? Wie war sie hierhergekommen? Hatte sie einen Reitunfall? Wo war ihr Pferd, Mystery of the Night? Sie versucht sich zu erinnern. Sie friert ganz fürchterlich. Sie verliert wieder das Bewusstsein. «Lydia! Lydia!» «Papa… Papa hilf mir…»

«Hier ist Stefan. Ich habe sie gefunden. Sie liegt auf einem Acker in der Nähe des Flugplatzes Schupfart. Wir brauchen einen Rettungshelikopter… ja, sie ist bewusstlos… die Koordinaten gebe ich gleich durch… Mystery habe ich einfangen können… ja, Therese, bitte, mach schnell…» Das alles bekommt Lydia nur aus der Ferne mit. «Halte durch, Lydia!» «Papa…» «Ich bin es, Stefan. Gleich kommt Hilfe.» «Was ist… passiert?» «Halte durch. Erzähl du mir, was passiert ist.» «Mystery… er hatte plötzlich…» «Was hatte er?» «Papa…» «Lydia, bleib bei…» Doch Lydia ist wieder weg.

Es ist 02.35 Uhr als der Helikopter auf dem Flugplatz Schupfart landet. Notarzt und Sanitäter rennen zum Unglücksort.
Lydia ist kaum ansprechbar. Dem Arzt ist schnell klar, dass die junge Frau stark unterkühlt ist und der Verdacht einer Rückenverletzung besteht. Zusammen mit dem Sanitäter legt er Lydia auf die Bahre, bringt eine Infusion an, legt eine Folie über sie und macht sie für den Transport bereit. Behutsam tragen die beiden die junge Frau zum Helikopter. Kurz darauf beginnt der Rotor zu drehen, der Helikopter hebt ab. Da gute Wetterbedingungen herrschen und die Sicht klar ist, verläuft der Nachtflug problemlos. Wenige Minuten nach dem Start landet die Maschine bereits auf dem Dach des Universitätsspitals in Basel.

Am Unglücksort ist mittlerweile auch Stallbursche Karol eingetroffen und sammelt Lydias Utensilien ein: ihren Helm, die Gerte. Er findet auch einen abgerissenen Zügel. Danach marschiert er mit Stefan zu «Mystery of the Night». Sie binden ihn los und machen sich auf den Weg zur Ranch. «Überlebt Lydia?», fragt Karol. «Ich hoffe es!» «Warum wurde sie abgeworfen?» «Keine Ahnung. Mystery ist eigentlich ein ruhiges Pferd. Ich befürchte, Lydia ist mit ihm galoppiert, Mystery kam in diesem weichen Untergrund ins Stolpern, ich weiss es nicht.» «Aber Mystery ist nicht verletzt.» «Nein. Zumindest ist nichts zu sehen. Er lahmt auch nicht.» «Wildschweine?» «Ja, Wildschweine könnten ihn erschreckt haben…» Sie laufen ein Stück lang schweigend nebeneinander her. Dann sagt Stefan: «Lydia hat mich Papa genannt…»
«Hat sie dich verwechselt?
Oder war sie schon…?» Karol stockt.
«In einer anderen Welt, meinst du? Nein, ich glaube, sie hat mich einfach verwechselt.»
«Hast du, wie Therese und Rainer, auch Geheimnisse?»
Stefan gibt keine Antwort.

Therese und Rainer müssen sehr lange war ten, bis ein Arzt aus der Notfallaufnahme erscheint und ihnen erklärt, dass Lydia nicht mehr in Lebensgefahr und dass auch ihr Rücken nicht gebrochen sei. Es seien aber noch Abklärungen nötig. Zudem müsse sie sich erst einmal erholen, Lydia sei unterkühlt und sehr geschwächt. Sie habe grosses Glück gehabt. Besuch dürfe sie keinen empfangen.
Kurz vor acht Uhr taucht Bernd auf. Er sei von Stefan, beziehungsweise von Lydias Mitarbeiterin Jessica, über den Unfall informiert worden. Er kann zwar kurz mit einem Arztkollegen sprechen, doch auch er darf Lydia nicht besuchen.
Das ändert sich auch in den nächsten Stunden nicht. Von den Ärzten erfahren Bernd, Therese und Rainer, dass es Lydia besser gehe und wieder ganz gesund werde. Doch sie wolle keinen Besuch empfangen. Zumindest nicht von diesen dreien.
Zwei Tage nach dem Unfall wird Lydia ins Spital Rheinfelden überstellt. Doch auch dort ändert sie ihre Meinung nicht.
Am 14. Februar, dem Valentinstag, lässt Bernd einen grossen Blumenstrauss und ein rotes Plüschherz zu Lydia bringen, mit der Bitte, sie besuchen sie dürfen.
Doch Lydia lehnt ab. Sie lässt ihm aber ausrichten, dass er sie am Abend auf der «Fricktaler Ranch» erwarten solle.

Lydia wird an diesem Valentinstag abends nämlich aus dem Spital entlassen. Sie trägt eine Halskrause. Jessica und deren Hund Miso holen sie ab und fahren mit ihr zur Ranch.
Therese bricht in Tränen aus, als sie ihre Tochter sieht. Rainer, Bernd, Stefan und auch der Stallbursche Karol stehen verloren da. Mehr als ein «Hallo» bringt keiner heraus. Niemand findet die richtigen Worte.
Miso drückt seine kalte Schnauze an Lydias Hand und unterbricht damit die peinliche Situation. Lydia streichelt ihn.
«Ich glaube, es liegt an mir…», beginnt schliesslich Stefan. «Lydia, als du schwerverletzt auf diesem Acker gelegen bist, hast du mich mehrmals Papa genannt… ich nehme an, du erinnerst dich nicht…»
«Doch», unterbricht Lydia. «Ich habe deine Stimme gehört. Und ich bin sicher, es war die Stimme meines Vaters.»
«Ja, du hast die Stimme deines Vaters gehört. Es ist Zeit, endlich die Wahrheit zu sagen. Ich bin dein Papa.»
Alle stehen wie versteinert da. Miso stupft Lydia erneut an und wedelt heftig mit dem Schwanz.
Therese kommt auf Lydia zu: «Ja, es stimmt. Eigentlich habe ich es immer gewusst.»
Lydia macht einen Schritt zurück: «Was? Kannst du mir das erklären?» «Kurz vor der Beziehung mit deinem vermeintlichen Vater Gabriel war ich mit Stefan zusammen. Als Gabriel dann mit seinem Zwillingsbruder Rainer auf Weltreise wollte, war ich schwanger und ich teilte Gabriel mit, dass er der Vater sei. Ich hoffte, ihn damit halten zu können. Als du auf die Welt gekommen bist, hatte ich noch Kontakt zu ihm, ich dachte immer, er käme zurück. Doch…» «Doch ich bin nicht zurückgekommen», sagt nun Rainer. «Erst jetzt, all die Jahre später.» «Du bist gar nicht Rainer?» «Nein, Rainer und ich trennten uns rund zwei Jahre nachdem wir das Fricktal verlassen hatten. Er zog weiter gegen Osten, ich blieb in Indien. Rainer starb letzten Sommer in China und er hat mir ein Vermögen hinterlassen. Ich bin Gabriel, sein Zwillingsbruder und einziger Erbe. Ich lebte völlig abgeschottet mit einigen alten Hippies. Ich habe das Abenteuer gesucht, doch nie die Liebe gefunden. Vor einem Jahr verliess ich Indien, meldete mich in der Zivilisation zurück, reiste nach China und habe dort meinen Bruder gefunden und kurz darauf beerdigt. Dann kam ich zurück ins Fricktal. Weil ich wusste, dass ich für tot erklärt worden war, gab ich mich zuerst als meinen Zwillingsbruder Rainer aus.» «Lydia, ich wusste das alles nicht, ich hätte niemals…» Ein Weinkrampf lassen Thereses Worte ersticken. «Ich wollte auch endlich wissen, ob ich tatsächlich dein Vater bin», sagt Rainer, der in Wirklichkeit Gabriel ist. «Also machte ich bei Bernd einen Vaterschaftstest. Therese gab mir eine deiner Haarbürsten aus deiner Garderobe mit». Er seufzt und sagt dann leise: «Der Test war negativ.»
Lydia schaut zu Bernd: «Ist das wahr?»
«Ja», sagt Bernd. «Ich lasse euch nun besser alleine. Lydia, ich wollte dich nicht anlügen. Du weisst, ich liebe dich.» Er gibt ihr einen Kuss auf die Wange und geht hinaus.
«Mama!», sagt jetzt Lydia. «Sag, dass das alles nicht wahr ist.»
«Es ist aber wahr», sagt Therese, die sich ein bisschen beruhigt hat. «Wenn Gabriel definitiv nicht dein Vater ist, dann muss es Stefan sein. Er ist der einzige, der in Frage kommt. Ich habe es eigentlich schon immer gewusst. Aber ich habe es ihm nie gesagt, ich habe es ihm nie sagen können, zu lange habe ich behauptet, Gabriel sei der Vater…»
Stefan umarmt Therese: «Kannst du jetzt endlich zu mir stehen?»
«Ja.»
«Und Karol ist nicht mehr nur der Stallbursche?» Er gibt dem jungen Polen einen leichten Schubs: «Wir beide sind nämlich wie Vater und Sohn. Und nun haben wir noch eine Tochter und eine Schwester!»
«Ja, wenn Lydia auch damit einver…»
«Papa und Bruder», sagt Lydia und umarmt, so gut es mit ihrer Halskrause geht, Stefan und Karol.
«Lydia», sagt Gabriel plötzlich sehr bestimmt. «Ich reise heute noch ab. Einen grossen Teil von Rainers Erbe habe ich in eure Ranch gesteckt. Ich gehe zurück nach Indien.» Er schüttelt den Kopf und lässt sein langes, weisses Haar hin- und herschaukeln. «Nein, nicht zu den Hippies, ich habe mir ein kleines Haus gekauft.»
Draussen ist Motorenlärm zu hören.
Karol schaut aus dem Fenster hinaus und sagt: «Bernd will wegfahren!»
Miso kratzt mit den Pfoten an der Wohnungstüre. Jessica öffnet sie. Da rast Miso kläffend hinaus und stellt sich mit gefletschten Zähnen Bernds rotem Porsche in den Weg.
Lydia eilt Miso hinterher. Bernd steigt aus dem Wagen.

«Ich würde dir jetzt gerne um den Hals fallen», sagt Lydia. «Tu das nicht. Als Arzt muss ich dir das verbieten!» Sie schauen sich lange in die Augen. «Herr Doktor, verbieten Sie mir auch, Sie zu küssen?» «Niemals!»


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